Advent der besten DACH-ESC-Beiträge (17): Kein Meer ist so wild wie die Liebe

Wir haben Euch im letzten Monat nach Euren liebsten ESC- und Vorentscheidungs-Beiträgen aus Österreich, der Schweiz und Deutschland gefragt– einen lieben Dank an dieser Stelle an alle, die dabei so fleißig mitgemacht und so insgesamt 154 unterschiedliche Beiträge in die Auswahl gebracht haben. Diese haben wir ausgewertet und präsentieren Euch nun Eure liebsten 24 Beiträge der sogenannten DACH-Länder – jeden Tag einen neuen. Bis Heiligabend!

 

Platz 8: Udo Jürgens „Merci Cherie“ (Österreich 1966)

Schon in einigen Kommentaren anderer Adventstürchen tauchte die Hoffnung auf, dass wir uns auch an Jürgen Udo Bockelmann – oder nennen wir ihn besser beim Künstlernamen – Udo Jürgens erinnern würden. Jetzt ist es endlich soweit!

Bereits vor seiner ersten Teilnahme am Eurovision Song Contest feierte Udo Jürgens 1959 mit „Jenny“ einen Achtungserfolg. Ein Jahr später komponierte er für Shirley Bassey den Hit „Reach for the Stars“. 1964 nahm Udo Jürgens dann mit dem eigens geschriebenen „Warum nur, warum“ für Österreich am Eurovision Song Contest teil. Er erreichte zwar mit 11 Punkten „nur“ Platz 6, ihm gelang aber in Frankreich mit dem Lied ein Nummer-1-Erfolg und auch Matt Monro verkaufte anschließend mit der englischen Version des Liedes namens „Walk away“ 1,5 Millionen Tonträger. Also versuchte es Udo Jürgens, der zwischenzeitlich auch mit dem Lied „17 Jahr, blondes Haar“ erfolgreich war, 1965 erneut beim Eurovision Song Contest. Sein Beitrag „Sag ihr, ich lass sie grüßen“ erhielt 16 Punkte und konnte sich auf Rang 4 platzieren.

Nach dem zweiten gescheiterten Versuch ist der Sänger genervt und nimmt sich fest vor, nicht wieder am Eurovision Song Contest teilzunehmen. Doch es kommt zum Glück anders: 1966 wagt der damals 32-Jährige einen dritten Anlauf und tritt beim Song Contest in Luxemburg an. Udo Jürgens zweifelt daran, in einem internationalen Wettbewerb mit einem rein deutschen Text Erfolg haben zu können, und hat die Idee, zwei französische Wörter in den Text einzubauen, um auch das internationale Publikum anzusprechen. Er geht mit „Merci Cherie“ an den Start. Vor der Veranstaltung schreibt eine deutsche Boulevardzeitung noch über die vermeintliche Chancenlosigkeit des Österreichers, doch das Lied schlägt schließlich ein wie eine Bombe: Mit „Merci Cherie“ kann Udo Jürgens damals zum ersten Mal für Österreich den Eurovision Song Contest gewinnen. Er erhält 31 Punkte von den internationalen Jurys und damit fast doppelt so viel wie die zweitplatzierten Schweden. Bevor er das Siegerlied ein zweites Mal aufführt, bedankt sich Udo Jürgens humorvoll mit den Worten „Merci Jury“.

Mit dem Triumph beim Song Contest schafft Udo Jürgens nun auch als Sänger den internationalen Durchbruch. Von „Merci Cherie“ werden bereits im ersten Jahr rund eine Million Platten verkauft. In Deutschland schafft es das Lied bis auf Platz 4 der Verkaufscharts, in Österreich sogar bis auf Platz 2. Auch in Frankreich wurde „Merci Cherie“ ein Hit und wurde ebenfalls auf Französisch aufgenommen:

In den folgenden Jahren und Jahrzehnten veröffentlichte Udo Jürgens über 50 Alben, komponierte über 1.000 Lieder und verkaufte in seiner mehr als sechzig Jahre andauernden Karriere über 105 Millionen Tonträger. Seit 2015 hält er zudem den weltweiten Rekord als am längsten erfolgreicher Künstler in den Charts mit über 57 Jahren. Er arbeitete u.a. mit Weltstars wie Sammy Davis Jr., Shirley Bassey und Frank Sinatra zusammen. Hits wie „Mit 66 Jahren“, „Griechischer Wein“ oder „Vielen Dank für die Blumen“ gelten auch heute als zeitlose Klassiker.

Achtung Ohrwurm! … Aus einer Zeit, in der man gefahrlos Witze über Chefs, Schwule und Fußball im selben Lied machen konnte.

Am 21. Dezember 2014 stirbt Österreichs erster Song-Contest-Gewinner mit 80 Jahren an Herzversagen – nur sieben Monate nach dem zweiten Sieg des Landes durch Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest in Kopenhagen. Noch im Juli 2014 sagte Udo Jürgens in einem Interview, dass er davon ausgehe, dass der Eurovision Song Contest 2015 in Wien stattfinden wird, und er sich gut vorstellen könne, mit Conchita Wurst auf der Bühne zu stehen. Mit der ersten Einschätzung sollte er Recht behalten, mit der zweiten leider nicht mehr. Trotzdem baute der ORF zumindest eine kleine Hommage an den Superstar ins Opening des ESC-Finales ein:

Leider nur eine kleine Hommage und kein gemeinsamer Auftritt im Opening des ESC 2015 in Wien (ab 2:40 Minuten)

Nur neun Tage vor seinem plötzlichen Tod stand Udo Jürgens zusammen mit Helene Fischer bei der Aufzeichnung ihrer Weihnachtssendung „Die Helene Fischer Show“ auf der Bühne und sang mit ihr das Lied „Was wichtig ist“. Und auch wenn es eigentlich normal ist, dass Musiker jeweils ein Lied allein und ein Lied zusammen mit Helene singen, ließ die Sängerin es sich nicht nehmen, an dem Abend sein „Merci Cherie“ an Udo Jürgens zu richten. Was als aufrichtiger Dank an eine Musiklegende geplant war, rührte nicht nur Udo Jürgens, sondern ganz besonders Millionen Fernsehzuschauer bei der Ausstrahlung nach seinem Tod zu Tränen.

Helene Fischer nimmt in ihrer Weihnachtsshow Abschied von Udo Jürgens, ohne damals zu wissen, dass dieser Abschied für immer ist.

Mit Udo Jürgens verlor die Welt einen der größten deutschsprachigen Popstars der vergangenen Jahrzehnte, dessen musikalische Karriere zeitweise sehr eng mit dem Eurovision Song Contest verwoben war.

Danke Udo, „Merci Cherie“!

 

Die bisherigen Adventstürchen findet Ihr hier:
Platz 24: Timebelle „Apollo“ + Cesár Sampson „Nobody But You“
Platz 23: Ben Dolic „Violent Thing“
Platz 22: Mary Roos „Nur die Liebe lässt uns leben“
Platz 21: Max Mutzke „Can’t Wait Until Tonight“
Platz 20: Katja Ebstein „Diese Welt“
Platz 19: Roman Lob „Standing Still“
Platz 18: DAWA „Feel Alive“
Platz 17: Peter, Sue & Marc „Io senza te“
Platz 16: Lena „Taken by a stranger“
Platz 15: Rosenstolz „Herzensschöner“
Platz 14: Ella Endlich „Adrenalin“
Platz 13: Lena Valaitis „Johnny Blue“
Platz 12: Gjon’s Tears „Répondez-moi“
Platz 11: Luca Hänni „She got me“
Platz 10: ZOË „Loin d’ici“
Platz 9: Texas Lightning „No No Never“


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28 Comments
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Gaby
Gaby
3 Jahre zuvor

Danke für die tolle Hommage an einen großartigen Künstler.
Ich finde, „Merci Cherie“ war nicht sein bester Titel, es gab noch viel schönere. Er ist eine Legende, und ich verneige mich vor seinen Leistungen.
Seine Songs waren nicht einfach nur seichter Schlager, sondern sie haben eine Geschichte erzählt, unvergessen.

stefanohh
stefanohh
3 Jahre zuvor

Ein bewegender Moment in Wien, als Merci Cherie angestimmt wurde. Ich glaube, er wäre aufgetreten, zur Not auch mit seinem legendären Bademantel

4porcelli - Penguins will rule the world
4porcelli - Penguins will rule the world
3 Jahre zuvor

Eine echte Ikone! Die Tendenz war und ist ja, alles deutschsprachige vor NDW als Schlager (bzw. Usain-Musik) abzutun. Udo Jürgens ist wie Alexandra ein Gegenbeispiel dafür; wären die Lieder auf auf zB Französisch gewesen, hätte man gesagt, viele wären Chansons oder Pop. Trotz seines langjährigen Erfolgs, hatte er nur eine Nr.1 in Deutschland, Griechischer Wein. Er starb genau 40 Jahre, nachdem der Song die Spitze der Charts erreicht. Daneben sein Lieblingsong von ihm ist Ich weiß, was ich will:

Rainer 1
Rainer 1
3 Jahre zuvor

Eine ikone sondergleichen. Und erstaunlich volksnah, hatte vor urzeiten mal das vergnügen, mit ihm im mascotte ein weizenbierchen zu zischen. Höre mir seine songs bis heute gerne an, am liebsten natürlich im weissen morgenmantel. Was noch gesagt werden muss…..udo war wie ich schweizer/österreicher

togravus ceterum
Mitglied
3 Jahre zuvor

Udo schenkte uns nicht nur den berühmtesten in Noten gesetzten Orgasmus der ESC-Geschichte, sondern auch viele musikalische Klassiker, die die deutschsprachige Kultur ab den 60er Jahren geprägt haben. Ich suche niemals aktiv nach Liedern von Udo Jürgens, aber wenn ich über eins stolpere, kicke ich es nicht weg.

Jorge
Jorge
3 Jahre zuvor

Mein Lieblingsstück von ihm – obwohl vor meiner Zeit – wäre spontan „Ein ehrenwertes Haus“. Ich finde es einfach bestechend, dass sein Texte sich von denen der damaligen Auftragsautoren unterschieden. Die Geschichten um seine Megaseller für den Partykeller sind (für mich persönlich) schon unendlich oft in Fernsehsendungen durcherzählt worden und viel klischeebeladener als Udo selbst war.

Trakol
Mitglied
Trakol
3 Jahre zuvor
Reply to  Jorge

Megaseller für den Partykeller muss ich mir Merken, falls ich mal für irgendwas Werbung machen muss

Gaby
Gaby
3 Jahre zuvor
Reply to  Jorge

„Ein ehrenwertes Haus“ zählt auch zu meinen Lieblingsliedern, neben „Ich war noch niemals in New York“.😊

Geno
Geno
3 Jahre zuvor
Reply to  Jorge

Ich kannte „Ein ehrenwertes Haus“ gar nicht. Hab’s mir grad angehört, großartig!

Thomas
Thomas
3 Jahre zuvor

Oh, Platz 1 kommt schon jetzt?
Bitte nochmal nachzählen!
Nachdem mich sein Tod damals doch mehr getroffen hatte als ich es erwartet hatte ist die englische Version seines Songs Illusionen mein liebster Song von ihm:

usain1
usain1
3 Jahre zuvor

Uns Udo! Ein echtes Ereignis damals, wenn ein neuer Song von ihm rauskam, textlich und musikalisch immer erste Klasse. Lustigerweise hat u.a. Joachim Fuchsberger für ihn als Texter gearbeitet.

Thomas
Thomas
3 Jahre zuvor

Auf jeden Fall manu…war auch nur ein schlechter trump´scher Matty-Witz 🙂

Thilo mit Bobby
Mitglied
3 Jahre zuvor

Lustig gestern hab ich mir Merci auf der neuen Platte von Helene Fischer angehört und schon ist Udo am nächsten Tag im Türchen. Ich mag dieses Lied obwohl Udo nicht mein Lieblingskünstler ist.
Übrigens 1960 hat Deutschland auch ein Lied mit französischen Wörtern geschickt. Bonne Nuit ma Cherie von Wyn Hoop. Kam auf Platz 4. Das bessere Lied von Heidi Brühl lies man zu Hause. Wir wollen niemals auseinander gehen ist bis heute unvergessen. https://youtu.be/KiT-0P8pi3w

roxy
roxy
3 Jahre zuvor

Danke für den detaillierten Artikel. Udo hat wirklich eine beispiellose Karriere hingelegt, er war seit den 60er Jahren bis zu seinem Tod immer voll präsent. Ich mag auch eher seine unbekannteren Lieder. Schade, dass er beim ESC 2015 in Wien nicht mehr auf der Bühne stehen konnte. Ich kann mich erinnern, dass er sehr positiv über Conchita gesprochen hat. Das wäre sicher ein schöner Auftritt geworden.

JoBi
JoBi
3 Jahre zuvor

Mir ist aufgefallen das Udo Jürgens der bislang einzige Künstler beim ESC ist, der 3 Jahre hintereinander sich steigern konnte.

Tamara
Mitglied
Tamara
3 Jahre zuvor
Reply to  JoBi

Valentina Monetta? Gut, natürlich pberhaupt kein Vergleich, aber das mit dem Steigern stimmt hier auch.

Nilsilaus
Nilsilaus
3 Jahre zuvor

Ich habe selbst mal bei einem Event „Merci, Cherie“ gesungen. Wenn einer meint, das „billige Lied ist leicht zu singen“…bitte, machen! Es ist echt schwer zu singen.

1965 gab es zwischen der deutschen und österreichischen Delegationen beim ESC in Neapel fast zum Streit. Der Begleitpianist zum deutschen Beitrag fiel wegen Krankheit kurzfristig aus. Udo Jürgens bot sich an, am Klavier das deutsche Lied zu begleiten, dass führte zum Streit.
Die Deutschen wollten nicht, dass ein Mitstreiter am Lied mitmischt. Die Österreicher lehnten es ab, dass ihr Vertreter gerade die deutsche Konkurrenz unterstützt. Das zuständige RAI-Orchester setzte ihren eigenen Pianisten ein, der allerdings völlig falsche Töne anschlug. Folge: der deutsche Beitrag wurde Letzter mit 0 Punkten.

Indigo
Indigo
3 Jahre zuvor
Reply to  Nilsilaus

Typisch! Schuld sind wieder mal die anderen.

Thomas M. (mit Punkt)
Thomas M. (mit Punkt)
3 Jahre zuvor
Reply to  Nilsilaus

Das ist sehr interessant, Nilsilaus, danke für die Information! Mir hat die Live-Version von „Paradies wo bist du“ nicht so sehr gefallen wie die Studio-Version, jetzt weiß ich einen Grund dafür.

„Merci Chérie“ mag ich übrigens sehr gerne. Noch ein kleines bisschen besser gefällt mir seine Komposition „Illusionen“, besonders in der Version von Alexandra. Aber ich habe mich auch sehr über die mir bisher nicht bekannte Version von Matt Monro gefreut – merci, Thomas!

chris
chris
3 Jahre zuvor
Reply to  Nilsilaus

Lag für mich eher am verquasten Tango-Arrangement. Und war es nicht Domenico Modugno, der für seinen Titel extra die Musiker aus Rom einfliegen ließ, weil das Orchester seinen zirkushaften Song nicht spielen wollte? Wurde übrigens auch mit dem letzten Platz bestraft.

Nilsilaus
Nilsilaus
3 Jahre zuvor
Reply to  chris

Ja, dass stimmt. Korrekt!

chris
chris
3 Jahre zuvor

Ein echter Jahrhunderkünstler! Wer kennt sie nicht, Griechischer Wein, 66 Jahre, Aber bitte mit Sahne usw. usf. Merci Cherie hat er übrigens auf Japanisch aufgenommen: https://www.youtube.com/watch?v=hSQtJSmfNcw

Einige seiner ganz frühen Songs sind übrigens nach seinem Tod auf Platte erschienen. Hören auf eigene Gefahr! Wahrscheinlich hat er sich zu Lebzeiten gegen eine Veröffentlichung gesträubt. Kann es ihm nicht verdenken.

Karin
Karin
3 Jahre zuvor

Oh wei, Udo jetzt schon, bitte bitte keine Conchita auf Platz eins.

Tamara
Mitglied
Tamara
3 Jahre zuvor

Was für ein großartiger Künstler!

Dominik
3 Jahre zuvor

Wie Toggie in seinem Kommentar richtig bemerkt hat, ist „Merci Cherie“ wie viele Udo-Songs dem Orgasmus-Schema nachempfunden: langsames Aufbauen, energetischer Höhepunkt gefolgt vom schlaffen Abgang.
Bei „Merci Cherie“ kommt das eher wie ein vorgetäuschter rüber, sehr mäßiges Stück. Seine anderen Eurovisionstitel, besonders „Sag ihr ich lass sie grüßen“, mag ich lieber.

Thomas
Thomas
3 Jahre zuvor
Reply to  Dominik

Na, kommt vielleicht daher, das es in dem Stück überhaupt nicht um einen Orgasmus geht, sondern um eine charmante Art zu sagen „ich mach Schluss mit dir“?
Aber Orgasmus-Schema als Begriff find ich echt geil 😀
mal sehen wie viele Songs nächstes Jahr in diese Kategorie fallen^^