Advent der besten DACH-ESC-Beiträge (4): Unglaubliche Stimme trifft auf ehrgeizigen Showmaster

Wir haben Euch im letzten Monat nach Euren liebsten ESC- und Vorentscheidungs-Beiträgen aus Österreich, der Schweiz und Deutschland gefragt – einen lieben Dank an dieser Stelle an alle, die dabei so fleißig mitgemacht und so insgesamt 154 unterschiedliche Beiträge in die Auswahl gebracht haben. Diese haben wir ausgewertet und präsentieren Euch nun Eure liebsten 24 Beiträge der sogenannten DACH-Länder – jeden Tag einen neuen. Bis Heiligabend!

 

Platz 21: Max Mutzke – Can’t wait until tonight (Deutschland 2004)

Woran lag es nur, dass der Eurovision Song Contest in Deutschland immer zu dann einem besonderen Medienspektakel wurde, wenn Stefan Raab seine Finger im Spiel hatte, obwohl er nie für den verantwortlichen NDR arbeitete? 1998 mischte er (wahrscheinlich eher zur Belustigung) mit Guildo Horn den deutschen Vorentscheid und anschließend auch den ESC auf und hauchte diesem besonders in Deutschland neues Leben ein. Zwei Jahre später ließ er es sich nicht nehmen, mit der Blödelnummer „Wadde hadde dudde da“ selbst nach Stockholm zu fahren, wo er einen erstaunlich guten fünften Platz holte.

Der damals beim NDR verantwortliche Jürgen Meier-Beer versuchte in den folgenden Jahren, dieses neu geweckte Interesse am ESC aufrecht zu erhalten, leider mit keinem großen Erfolg. Es gelang ihm zwar immer wieder, interessante deutsche Musikacts für den Vorentscheid zu gewinnen, doch mit Michelle, Lou und Corinna May schien der Song Contest für den unbedarften Zuschauer wieder in alte Strukturen zu verfallen. Ein Neuanfang musste her – und so wurde das Konzept des deutschen Vorentscheids 2004 komplett umgekrempelt.

Man ging eine Zusammenarbeit mit dem Musiksender VIVA ein, teilnehmen durften nur noch Beiträge, die in die deutschen Charts gelangten und ein Video bei VIVA im Einsatz hatten. Zusätzlich vergab der NDR zwei Wildcards, eine an die Tochter von Frank Elstner Masha und eine an Stefan Raab. Würden die ihre Lieder in die Top 40 der offiziellen Verkaufscharts bringen, dürften sie am Vorentscheid teilnehmen. Stefan Raabs Ehrgeiz war entfacht und so veranstalte er die eigene Castingshow SSDSGPS (Stefan sucht den Super-Grand-Prix-Star). Auch wenn Max Mutzke dort dank seiner unglaublichen Stimme von Anfang an zum großen Favoriten avancierte, war das Interesse an der Show sehr groß. Der von Stefan Raab selbstgeschriebene entspannt-loungige Gewinnersong „Can’t wait until tonight“ schnellte sofort auf Platz 1 der Verkaufscharts und das Ticket für den Vorentscheid war damit klar gelöst.

Auch die Zusammenarbeit mit VIVA ging für den NDR auf – lange konnten nicht mehr so namenhafte Teilnehmer für den Vorentscheid gewonnen werden: Sabrina Setlur, MIA., Westbam, Scooter, die Gewinner der damals aktuellen Staffel der Castingshow „Popstars“ Overground, Patrick Nuo, Laith Al-Deen und die Popgruppe Wonderwall verhalfen den Vorentscheid wieder in die breite Medienlandschaft. Das sich die Schlagerszene vom Wettbewerb ausgeschlossen fühlte und dies medial ausschlachtete, verhalf zu weiterer Aufmerksamkeit.

Auf Startplatz 6 und mit der aktuellen Nummer 1 der Charts im Rücken gelangte Max dank 67 % aller Anrufe spielend zusammen mit Scooter in die zweite Runde. Nun hatte Max ein noch leichteres Spiel und konnte mit unglaublichen 92,05 % im Superfinale den Vorentscheid für sich entscheiden und das begehrte ESC-Ticket lösen.

Stefan Raab schien stolz darauf zu sein, jemanden wie Max gefunden zu haben und diesmal mit keinem Blödelsong beim ESC dabei zu sein. So sehr, dass er seine Show „TV Total“ vor dem ESC-Finale in „Istanbul Total“ umtaufte und live aus dieser Stadt sendete. Die Werbetrommel lief auf Hochtouren und es verging kein Tag ohne vom sympathisch und natürlich gebliebenen Max zu hören. Im Finale startete er von Startplatz 8, direkt nach den Niederländern Re-union, die ebenfalls auf akustische Klänge setzten. „Can’t wait until tonight“ erhielt schließlich gute 93 Punkte – einmal aus Spanien sogar die begehrten 12 Punkte. Österreich und die Schweiz hatten immerhin 10 Punkte für Deutschland übrig. Am Ende landete Max auf einen guten 8. Platz.

Max Mutzkes Album „Max Mutzke“, das wie sein zweites Album „… aus dem Bauch“ noch von Stefan Raab produziert wurde, erreichte Anfang 2005 Platz 1 der Albumcharts. Auf seinen weiteren Alben konnte man immer mehr Max‘ Jazz-Einflüsse hören, bis er 2012 mit „Durch Einander“ ein komplettes Jazzalbum veröffentlichte, für das er mit dem Jazz-Award in Platin ausgezeichnet wurde. Seine Singles fanden sich zwar nicht immer in den Verkaufscharts – seine Alben aber allesamt und Max konnte sich als gefeierter Livekünstler in Deutschland etablieren. Wo Max in seinen frühen Jahren vielleicht noch etwas ungestüm unglaubliche Töne aus seiner Stimme drückte, wurde er mit der Zeit zu einer der besten männlichen Stimmen Deutschlands.

 

Max Mutzke begeistert und berührt als Astronaut Publikum wie Jury bei „The Masked Singer“.

Auch im Fernsehen ist er ein immer wieder gern gesehener Gast. So begeisterte und gewann er im letzten Jahr zum Beispiel als Astronaut die Erfolgsshow „The Masked Singer“ und holte in dieser Rolle auch den 3. Platz beim diesjährigen Free European Song Contest, wobei er sogar alle drei durchgeführten Zuschauervotings aus Deutschland, der Schweiz und Österreich gewann.

 

Die bisherigen Adventstürchen findet Ihr hier:
Platz 24: Timebelle „Apollo“ + Cesár Sampson „Nobody But You“
Platz 23: Ben Dolic „Violent Thing“
Platz 22: Mary Roos – Nur die Liebe lässt uns leben


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22 Comments
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Gaby
Gaby
3 Jahre zuvor

„Can’t wait until tonight“ finde ich ziemlich langweilig, wobei mir Max Mutzke durchaus sympathisch ist.
Aber mein Favorit in der VE waren Scooter.
Wobei der 8. Platz in Istanbul mich jetzt auch nicht so arg überrascht hat. Max Mutzke hat seine Nummer gut verkauft, und auch die geschlossenen Augen haben gut zum Song gepaßt.

Gaby
Gaby
3 Jahre zuvor
Reply to  Gaby

Konnte damals nicht nachvollziehen, warum Stefan Raab so enttäuscht über den sehr guten 8. Platz war. Alles, was in den TOP 10 landet, ist doch super.🙂

Frédéric
Frédéric
3 Jahre zuvor

Tatsächlich einer der unterhaltsamsten dt. Vorentscheide (musste gerade noch an WestBam & Afrika Islam und deren zugekokste Groupies denken;), der leider durch durch Raabs Intervention ein bisschen zur Farce verkam. Nichtsdestotrotz hat er dem Vorentscheid enorme Aufmerksamkeit beschert – ich meine mich zu erinnern dass (nahezu?) alle Teilnehmer auch bei TV-Total zu Gast waren.

Zudem werde ich auch nicht müde, ihm zu Gute zu halten, dass er seine Entdeckungen auch Jahre später noch in seine Shows holte. Ein Loyalitäts-Verhältnis, von dem man beim NDR aus gewissen Gründen weit entfernt ist.

CCG
CCG
3 Jahre zuvor

Ein großer Dank an dieser Stelle an Manu: Danke für deine Geschichten, die du zu den ausgewählten Songs schreibst und sie so in einen interessanten Kontext einbettest. Die lese ich mir gerne täglich durch, das ist gute Unterhaltung! Mach weiter so!

togravus ceterum
Mitglied
3 Jahre zuvor

Das ist jetzt mal ein Türchen, das ich auch lecker finde. 🙂

Trakol
Mitglied
3 Jahre zuvor

Auf Youtube gibt es tatsächlich alle Auftritte von diesem Vorentscheid und hab mir neulich mal alle reingezogen. Am Besten hätte mir MIA gefallen. Aber eine Boygroup wie Overground wär total witzig gewesen 😀

Gaby
Gaby
3 Jahre zuvor
Reply to  Trakol

MIA hat mir auch gut gefallen.🙂

Alki Bernd
Alki Bernd
3 Jahre zuvor
Reply to  Gaby

Mein Gott, MIA

Deine Augen sehen durch mich, durch jemand anderen an
Wenn deine Hände mich berührn, verfolgen sie einen Plan
Mit deiner rauen Engelszunge dringst du in mich ein
Gewohnt an diese Folter, sag ich ja und meine nein
Du hälst mich fest was soll das bloß
Drück ich zurück, lässt du mich los

Wohl einer der besten Vorentscheidungstitel aller Zeiten. Leider war sie an diesem Abend nicht wirklich gut drauf , Und Mutzke war ja auch ein Hammer

Seufz, warum haben wir heutzuztage nur Büblein und Blaustrümpfe am Start?

eric999
eric999
3 Jahre zuvor

Mein erster ESC und für mich immer noch einer der besten Beiträge überhaupt! Mir gefällt einfach alles an diesem Song, diesem Interpreten und der Story dahinter! 🙂

Jorge
Jorge
3 Jahre zuvor

Ja, war schon cool. aber auch ohne Raab/Mutzke wäre der VE der Burner gewesen – doch die Vergeudung von interessanten Acts gehört nunmal zum Spielprinzip von Vorentscheiden.. Ich habe damals allerdings für MIA angerufen.

4porcelli - 2020, year of the zombie minks
4porcelli - 2020, year of the zombie minks
3 Jahre zuvor
Reply to  Jorge

…weil sie in Landessprache gesungen hat?

Shane54
Shane54
3 Jahre zuvor

Warum können wir nicht wieder einen Vorentscheid nach diesem Vorbild machen?
Der mediale Hype war so groß, so dass wirklich jeder Depp in Hintertupfingen etwas vom ESC mitbekommen hatte. Mit diesem Erfolg im Rücken ist es auch beim ESC in ganz Europa einfacher die nötige Aufmerksamkeit zu erlangen.
Gleiches hat man mit Lena wiederholen können.

Es sollte halt einfach wieder eine Kooperation mit einem privaten Sender geben, die dem Ganzen den nötigen Schub geben. Es muss nicht Stefan Raab sein. Heutzutage bieten sich wahrscheinlich Joko & Klaas oder ähnlich etablierte Moderatoren mit wiederkehrenden Sendungen an, um auch abseits des VE den Hype am Laufen zu halten.

Bitte nicht wieder alles auf irgendeinem Spartensender der ARD verstecken!

floppy1992
Mitglied
floppy1992
3 Jahre zuvor
Reply to  Shane54

Das ist 16 Jahre her, die Zeiten haben sich geändert.
Haben sich damals quasi einmalig recht namhafte Künstler zur Teilnahme an der VE (wahrscheinlich gegen eine üppige Gage und die Garantie, dass das Video auf VIVA in Dauerschleife läuft) breitschlagen lassen, hätten es solche heute einfach wegen Streaming und besseren Vermarktungsmöglichkeiten online nicht mehr nötig.
Marc Forster, Andreas Bourani, Tim Bendzko, Namika, AnnenMayKantereit etc. wären zwischen 2013 und 2016 sicherlich vom NDR mit Kusshand genommen worden, hätten sie gewollt. Und 2014 war der Vorentscheid ja sogar ähnlich hochkarätig wie 2004 und den großen Aufmwerksamkeitsschub, geschweige denn Hype, hat das auch nicht gebracht.
Insgesamt muss man auch anerkennen, dass das lineare Fernsehen in der hype-affinen Zielgruppe U30 immer bedeutungsloser wird; das Musikfernsehen als zahlungskräftiger Sponsor und Partner kommt schon gar nicht mehr in Frage, da klinisch tot.
Stefan Raab und sein Publikum gibt es ja schon lange nicht mehr und eine ähnlich große Community, die man recht leicht auf den ESC-Trip bringen könnte, hat sich danach nicht mehr bilden können, weder bei Joko & Klaas (bei denen Ben Dolic übrigens sogar zu Gast war), noch bei Luke Mockridge und schon gar nicht bei Oliver Pocher, um mal alle „TV Total“-esken Sendungen zu nennen..

Jorge
Jorge
3 Jahre zuvor
Reply to  floppy1992

Bin mir ziemlich sicher, das noch präsent zu haben: AnnenMayKantereit hatten sich doch noch vor „oft gefragt“ oder „Pocahontas“ per Video auf der Wildcard-Plattform beworben. Aber war halt kein Mädchen mit Musicalausbildung oder Gitarre und wurde abgelehnt.

Ich finde es auch etwas müßig, immer auf nicht-linearen Medienkonsum der jungen Menschen zu verweisen. Der NDR hat ja erkannt, dass man sich dafür passende „Multiplikatoren“ verpflichten kann – greift aber in Bildungsbürgermission gerne zum falschen Personal.

floppy1992
Mitglied
floppy1992
3 Jahre zuvor
Reply to  floppy1992

Stimmt, ich hatte da auch noch sowas im Hinterkopf, aber war mir nicht sicher, ob es nicht doch nur ein Gerücht war. Aber AMK sind sowieso ein ungüstiges Beispiel von mir gewesen, weil die ihren großen Durchbruch erst 2016 hatten, und da war der Zug ja schon abgefahren.
Wie dem auch sei, ich fühle mich einfach immer etwas getriggert, wenn Leute sagen: „Format XY hat doch damals funktioniert und die Massen mobilisiert, heute müsste man es einfach nochmal genau so machen und es klappt wieder.“ (genau das wird auch der Gedankengang von Brainpool hinter „Unser Song 2017“ gewesen sein, der Ausgang ist bekannt). So einfach ist es eben nicht!
Aber ich habe mich in meiner Ansicht, dass der ESC-Vorentscheid in Deutschland als Stand-Alone-Fernsehshow nicht mehr funktionieren bzw. nicht zu dem Resultat führen würde, das viele erwarten und sich wünschen, ein wenig radikalisiert, das gebe ich gern zu 😉

Jorge
Jorge
3 Jahre zuvor
Reply to  floppy1992

Kann ich nachvollziehen. Geht mir auch so bei dem Denkschema. Ich dachte bei deiner Liste noch an Milky Chance oder den Klassiker: Rammstein, irgendwann muss man auch mal mit solchen Idealen abschliessen können und den Kopf frei bekommen.

Jorge
Jorge
3 Jahre zuvor

Der Artikel über den Karriereverlauf ist natürlich etwas aufgehübscht. Vor Masked Singer war es medial leider echt sehr ruhig um ihn und ich erinnere mich noch, dass er so um 2017/18 für einen Musiker-Workshop zum Thema Popbusiness gebucht war. Dachte damals noch so: Brot & Butter-Basisarbeit.

Porsteinn
Mitglied
Porsteinn
3 Jahre zuvor

Mia, Overground, ja, da gefällt mir in der Vorentscheidung so einiges. 🙂

Abgestimmt habe ich damals allerdings für Scooter.

Benjamin Hertlein
Admin
3 Jahre zuvor

Ich war damals großer Fan von Glashaus/3p und fand deshalb auch „Liebe“ ziemlich gut, wenn auch eher ungeeignet für den ESC vor allem aufgrund des eher schwachen Refrains.

Nilsilaus
Nilsilaus
3 Jahre zuvor

Oh Manu, als ich die Namen in deinem Artikel gelesen habe, musste ich ziemlich schmunzeln. Danke dafür.

Sabrina Setlur – da verliere am Besten kein Wort.
MIA – fühlte sich dort an Ort u. Stelle unwohl.
Westbam – no comment.
Scooter – auch sehr speziell.
Overground – Löste sich die Casingband nicht nach dem Vorentscheid auf?
Patrick Nuo – der schönste Exportartikel aus der Schweiz (damals) – Was macht der jetzt eigentlich?
Laith Al-Deen – passt Null zum ESC.
Popgruppe Wonderwall – die wurde immer total überbewertet. Jetzt weg vom Fenster.

Max war schon das Beste.

Gaby
Gaby
3 Jahre zuvor
Reply to  Nilsilaus

War aber insofern blöd, als dass der Vorentscheid so vorhersehbar war. Genauso wie 1998 und 2000.
Die anderen Künstler wurden quasi zu Statisten. Das hat mich gestört, wenn Stefan Raab involviert war, hätte man den Act eigentlich direkt nominieren können.
Sorry fürs Abschweifen, aber 1998 fand ich ja noch witzig mit Guildo Horn, wobei ich Rosenstolz musikalisch besser fand. Aber 2000 gab es zu „Wadde hadde dudde da“ noch mehrere andere Alternativen, denen ich mindestens eine ebenso gute Platzierung zugetraut hätte (Corinna May,
Kind of Blue)
Um bei 2004 zu bleiben: Max Mutzke war wohl in der Tat die beste Wahl, (von meinem persönlichen Geschmack abgesehen, denn MIA wäre vielleicht international doch nicht so kompatibel gewesen). Allenfalls Scooter hätte ich noch evtl. ein respektables Ergebnis zugetraut. Der ganze Hype im Vorfeld hat mich aber einfach gestört. Hat die Veranstaltung ziemlich unspannend gemacht.☹️

Thomas
Thomas
3 Jahre zuvor
Reply to  Gaby

Ging mir genauso…
Die Art und Weise wie Stefan Raab mit seinem übergroßen Ego in den VE reingegrätscht ist hat mich damals auch gestört.
Max als Sieger war schon OK, aber das Format in Kooperation mit Viva und echten Größen im deutschen Musikbusiness war damit tot.