Advent der besten DACH-ESC-Beiträge (9): Danger is a risky business!

Wir haben Euch im letzten Monat nach Euren liebsten ESC- und Vorentscheidungs-Beiträgen aus Österreich, der Schweiz und Deutschland gefragt – einen lieben Dank an dieser Stelle an alle, die dabei so fleißig mitgemacht und so insgesamt 154 unterschiedliche Beiträge in die Auswahl gebracht haben. Diese haben wir ausgewertet und präsentieren Euch nun Eure liebsten 24 Beiträge der sogenannten DACH-Länder – jeden Tag einen neuen. Bis Heiligabend!

 

Platz 16: Lena „Taken By A Stranger“ (Deutschland 2011)

Ach, was war das schön, oder? Lena holte Deutschland unseren geliebten Eurovision Song Contest nach Düsseldorf in die damalige ESPRIT Arena. Und jeder, der wollte, konnte mit dabei sein, da das umgebaute Stadion Platz für über 36.000 Zuschauer bot. Trotzdem waren die Karten für das große Finale schon am ersten Tag vergriffen. Doch springen wir nochmal einen kurzen Moment in der Zeitachse zurück.

Ob wohl überlegt oder von der Euphorie überwältigt, Stefan Raab verkündete noch in der Nacht von Lenas Sieg 2010 in Oslo in der anschließenden Pressekonferenz, dass sie im kommenden Jahr den Titel verteidigen und erneut für Deutschland beim ESC antreten wird. Es war nun also theoretisch ein Jahr lang Zeit, den perfekten Beitrag für die Sängerin zu finden.

Lena stürzte Deutschland in einen Freudentaumel, wie man ihn sonst nur gesehen hatte, wenn Deutschland Welt- oder Europameister im Herren-Fußball wurde. Die Medien rissen sich um die junge Sängerin, Menschenmassen empfingen sie in Hannover und feierten Lena. Einen Tag nach ihrem Sieg gab es stundenlange Sondersendungen im Fernsehen. Jede Fernsehshow wollte sie haben, doch so humorvoll, herzlich und frech sie auch war, man merkte ihr an, wie sehr sie selbst versuchte auf dem Boden zu bleiben.

Ab Mitte Juni ging Lena auf Promotour durch viele europäische Städte wie beispielsweise London, Paris, Amsterdam, Wien, Brüssel, Oslo, Malmö, Stockholm und Zürich. Sie veröffentlicht ihre Single „Touch A New Day“, schnappt sich Werbeverträge und war omnipräsent in den Medien. Doch wie es immer so ist, nach dem ersten „Schock“ mehrten sich langsam auch wieder die Gegenstimmen. Wofür sie anfangs gefeiert und ins Herz geschlossen wurde, wurde sie im Laufe des Jahres immer öfter kritisiert.

Ende Januar 2011 war es dann soweit und „Unser Song für Deutschland“ flimmerte auf ProSieben über die Bildschirme. Da diesmal ja „nur“ ein neues Lied für Lena gesucht wurde, sollten zwei Halbfinale auf dem Privatsender und ein Finale am 18. Februar im Ersten ausreichen. In beiden Halbfinale sang Lena je sechs Lieder aus denen jeweils drei ins Finale einzogen. Auch wenn jede Show mit einer prominent besetzten Jury aufwartete, die Zuschauer entschieden zu 100 Prozent über den Erfolg der einzelnen Lieder.

Schon im 1. Halbfinale kristallisierte sich das ungewöhnlich mystisch, treibende „Taken By A Stranger“ als besonders beliebt heraus. Nicht nur die Jurymitglieder Stefan Raab, Stefanie Kloß von Silbermond und „Der Graf“ von Unheilig waren begeistert, auch das Publikum rastete förmlich aus. Geschrieben wurde das Lied unter anderem von Gus Seyffert, der schon erfolgreich mit The Bird and the Bee zusammengearbeitet hatte. Eine Band, deren Lied „Diamond Dave“ Lena schon bei „Unser Star für Oslo“ gesungen hatte. Wer sich übrigens für eine gute musikalische Analyse von „Taken By A Stranger“ interessiert, sollte sich diese Analyse von Klaus Kauker einmal anschauen, die direkt nach ihrem Auftritt im 1. Halbfinale entstand.

Im 2. Halbfinale kristallisierte sich die wunderschöne Ballade „Push Forward“ als Favorit heraus, so verwunderte es auch nicht, dass diese beiden Lieder schließlich auch die zweite Runde im Finale erreichten. Doch gegen „Taken By A Stranger“ kam auch „Push Forward“ nicht an. Das Publikum wollte etwas ungewöhnliches für den Contest im eigenen Land und wählte mit 79 % der Stimmen das treibende Popstück über die Anziehung zu einem Unbekannten.

Lenas Auftritt im Finale von „Unser Song für Deutschland“

In den Tagen vor dem Contest absolvierte Lena gewohnt locker und humorvoll den stressigen Alltag zwischen Proben und Interviews. Gefühlt wurde sie dabei rund um die Uhr durch Kameras begleitet. Dann passierte es: Wasser auf die Mühlen derer, die – nett ausgedrückt – Lena nicht mehr sehen wollten, war ausgerechnet ein Interview mit Talkmaster Frank Elstner. In diesem Interview berichtigte Lena Frank Elstner einige Male, wurde dafür anschließend stark angegriffen und als arrogant und zickig beschimpft. Ob nun Frank Elstner auf das Interview einfach schlecht vorbereitet war oder Lena in dieser anstrengenden Zeit überreagierte, da kann sich natürlich jeder selbst ein Urteil bilden. Aber es zeigte sich, dass Lena mittlerweile die Nation spaltete. Mittlerweile haben sich Frank Elstner und Lena übrigens ausgesprochen und die Sängerin war in diesem Jahr in der Netflix-Show „Wetten, dass war’s…?“ des Showmasters zu Gast.

Ihrem Auftritt im Finale war das Hintergrundrauschen aber nicht anzumerken. Ein fantastisches Opening, in dem Lena selbst als Überraschung auftrat sowie ein toller und in der Halle umjubelter Auftritt reichten in einem selten engen Voting dafür aus, ihr großes Ziel zu erreichen, noch einmal unter den besten Zehn zu landen. Überhaupt zeigten die Verantwortlichen eine durchweg tolle Show mit einer großartigen Moderation durch Anke Engelke, Stefan Raab und Judith Rakers. Einzig der Intervalact mit dem Hamburger Jan Delay ließ ein paar Fragen offen. Aber nach „Glow“, dem fantastischen Intervalact von Madcon in Oslo, konnte man im Vergleich natürlich auch nur den Kürzeren ziehen.

Sichtlich gelöst zeigte sich Lena auch im kurzen Interview nach der Show, in dem man ihr anmerken konnte, was für eine Last sie vorher mit sich herumschleppte, die nun von ihr abfiel.

Was für ein toller Auftritt mit einem der ungewöhnlichsten und mutigsten deutschen Beiträge beim Contest überhaupt – und damit mehr als zurecht von Euch für ein Türchen in unserem Kalender ausgewählt. Und weil es so unglaublich schön war – hier nochmal der Eurovision Song Contest 2011 in voller Länge:

 

Die bisherigen Adventstürchen findet Ihr hier:
Platz 24: Timebelle „Apollo“ + Cesár Sampson „Nobody But You“
Platz 23: Ben Dolic „Violent Thing“
Platz 22: Mary Roos „Nur die Liebe lässt uns leben“
Platz 21: Max Mutzke „Can’t Wait Until Tonight“
Platz 20: Katja Ebstein „Diese Welt“
Platz 19: Roman Lob „Standing Still“
Platz 18: DAWA „Feel Alive“
Platz 17: Peter, Sue & Marc „Io senza te“


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25 Comments
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StevenM
StevenM
3 Jahre zuvor

Mich würd mal interessieren wie viele Punkte lena im televoting von Österreich, der Schweiz, Dänemark Norwegen, Schweden etc bekommen hat. Von den Ländern wo sie vor einem Jahr so populär war. Weiß das jemand? Oder gibt es Spekulationen?

Trakol
Mitglied
Trakol
3 Jahre zuvor
Reply to  StevenM

Ich glaube das wurde so detailliert damals nie kommuniziert.

Bonello
Bonello
3 Jahre zuvor
Reply to  StevenM

So eine detaillierte Aufteilung wie heutzutage gab es tatsächlich nicht. Aber man kann vermuten, dass sie aus den Ländern hohe Televotingpunkte (6-10 Punkte) erhalten hat. Von der weißrussischen Jury gab es vermutlich 12 Punkte, anders sind die sehr überraschten 8 Punkte schwer zu erklären 🤔

Rainer 1
Rainer 1
3 Jahre zuvor

Ja, düsseldorf war ein highlight. Eine woche s,d and r&r. Von den ganzen songs hab ich gar nicht mal soviel mitbekommen, ich muss aber im nachhinein sagen, dass es von den songs her der schlechteste esc war, den ich gesehen habe. Aserbaidschan als kompromissieger passte da perfekt ins bild und dat lenchen war so……geht so.

4porcelli - 2020 year of the zombie minks
4porcelli - 2020 year of the zombie minks
3 Jahre zuvor

Zweifellos einer der kreativsten und best-inszenierten deutschen Beiträge überhaupt! Waren damals im 1. Semi live dabei und wussten sofort „Das wird’s“! Bemerkenswert auch, dass Lena immer noch gut im Geschäft ist – freut mich für Sie!

Branko
Branko
3 Jahre zuvor

Jan Delay hatte den Auftritt doch nur bekommen, wegen seiner guten Connections zum Herrn Raab. Wen verwundert also sein Auftritt im Finale denn dann noch bitte? Die gute Freundschaft ist seit TV Total doch jedem bekannt gewesen.

esc.Club.EL
esc.Club.EL
3 Jahre zuvor
Reply to  Branko

Ich weiß noch wie die internationale Presse diesen Unkönner Delay als Neutrum abstempelten…recht haben sie gehabt.
Sein Intervall Act war mit das Stimmste was in der ESC-Geschichte über die Bühne ging.

Trakol
Mitglied
Trakol
3 Jahre zuvor
Reply to  esc.Club.EL

Hab nie verstanden, warum da Jan Delay auftrat. Haben doch viel interessantere Künstler als ihn.

Gaby
Gaby
3 Jahre zuvor

„Taken by a stranger“ gefällt mir noch besser als „Satellite“. Tolle Nummer, vor allem auch die Inszenierung.😊
Ach ja, wie gern wäre ich in Düsseldorf dabei gewesen… Meine alte Heimat, na ja, war ich im Gedanken.😉

Michi
Michi
3 Jahre zuvor

Ach, 2011. Das war der erste ESC, den ich im ganzen gesehen habe (ich war damals noch Grundschüler🙈). Ich kann mich nur noch dran erinnern, dass er mir im ganzen sehr gut gefallen hat. Lenas Auftritt war einfach mega! Beim Voting kann ich mich nur dran erinnern, dass meine Oma geschimpft hat, als wir von Österreich „nur“ 10 Punkte bekommen haben…😂
Der ESC 2011 war echt ein Erlebnis und er hat meine Liebe für Eurovision entzündet.
Aber Wahnsinn, wie die Zeit vergeht: 2011 ist schon fast wieder 10 Jahre her…

Nilsilaus
Nilsilaus
3 Jahre zuvor
Reply to  Michi

Ui Michi…dann muss du ja jetzt Volljährig sein. Hast du in der Zwischenzeit mal die Events vor 2011 bis zum Anfang 1956 erforscht?

togravus ceterum
Mitglied
togravus ceterum
3 Jahre zuvor

Heute springt meine deutsche Nummer 1 aus dem Türchen. Danke, Lena!

Jorge
Jorge
3 Jahre zuvor

Unterschreibe ich, aber bin gleichzeitig enttäuscht darüber, dass es jetzt schon aufpoppt.

togravus ceterum
Mitglied
togravus ceterum
3 Jahre zuvor
Reply to  Jorge

Ja, und später kommen dann noch Nicole, Céline und Conchita … *stöhn*

Gaby
Gaby
3 Jahre zuvor
Reply to  Jorge

ceterum

Ist anzunehmen, wobei ich die Siegertitel bewußt nicht gewählt habe.
Habe mir gedacht, sie brauchen meine Unterstützung nicht und ich wollte den Songs mal meine Aufmerksamkeit schenken, die man nicht so auf dem Schirm hat.😉

Frau Nachbar
Frau Nachbar
3 Jahre zuvor
Reply to  Jorge

War nicht in meinen Top 10, obwohl ich’s schon sehr mag. Aber meine Liste würde ich eher als fröhliche Nostalgieliste bezeichnen. Darin befindet sich tatsächlich Celine, von deren Ballonrock ich als Neunjährige schlichtweg begeistert war. Nur mein erster Platz ist wirklich ohne jegliche Sentimentalität gereiht, ja fast ein kleiner Schmerz für mein (erinnerungs-)hungriges Herz. 😉

Jorge
Jorge
3 Jahre zuvor
Reply to  Frau Nachbar

Geht mir bei Hungriges Herz auch deshalb so, weil damals viele ähnliche elektrolastige Sachen auf meinem Radar waren.

eric999
eric999
3 Jahre zuvor

Hab es damals live sehen dürfen. Ein atemberaubender Auftritt!

Karin
Karin
3 Jahre zuvor
Reply to  eric999

War damals beim Juryfinale Freitags in Düsseldorf dabei, mein erster und einziger Live-ESC.
.
Muss aber sagen, ich liebe es mit Chipsen, Töchtern und Punktelisten vorm Fernseher. Auch gerne mit Deutschlandfähnchen und jedem Kram.😏

Gaby
Gaby
3 Jahre zuvor
Reply to  Karin

Ist ja auch gemütlicher.😉

Jens
3 Jahre zuvor

Lenas Auftritt war neben der grandiosen Eröffnung für mich das Highlight des ESC 2011.
Zuvor hatte ich Push Forward live in der 2. Vorentscheidungsshow erlebt. Das war Gänsehaut pur und einfach schön. Auch dieser Song hätte beim ESC antreten können.
Frank Elstner hatte es Lena schon 2011 nicht krumm genommen, Er wusste doch unter welcher Spannung Sie stand. Zudem war ihm auch klar, dass er nicht so besonders vorbereitet war. Er hat sich besseren Wissens breitschlagen lassen die Sendung zu moderieren.

Gaby
Gaby
3 Jahre zuvor
Reply to  Jens

Oh ja, „Push Forward“ war auch eine wunderschöne Nummer.😍

Thilo mit Bobby
Mitglied
Thilo mit Bobby
3 Jahre zuvor

Aaaaw lovely Lena♥️ Ich bin da ganz bei 4Porcelli, der Auftritt mit Taken by a Stranger war einer der am besten Inszenierten Auftritte Deutschlands. Jedoch der Song war nicht so ganz meins. Meins war das schöne Push Forward. Wenn das genausogut inszeniert wäre hätte man auch damit viel erreicht.

ESCFan2009
ESCFan2009
3 Jahre zuvor

Mein Fave 2011 war ja „A Million And One“ 😀

https://youtu.be/1JuRdgBMsM0

Großartig! Der Text, die Struktur… hätte aber bestimmt schlechter abgeschnitten xD