Der große Schlagerabschied um 20:15 Uhr in der ARD: Ein Fehler machte Jürgen Drews zum ESC-Teilnehmer

Am Samstagabend zeigt die ARD den großen Schlagerabschied von Jürgen Drews, der krankheitsbedingt seine Karriere endgültig beendet. Für die meisten ist er der Schlagersänger, Onkel Jürgen oder der König von Mallorca. Seinen Durchbruch hatte er aber noch kurz vor „Ein Bett im Kornfeld“ bei den Les Humphries Singers. Mit ihnen stand er auch beim Eurovision Song Contest am 3. April 1976 in Den Haag auf der Bühne – und das alles nur wegen eines Fehlers der ARD-Verantwortlichen. 

Jürgen Drews hatte schon kleinere musikalische Projekte hinter sich, als er Anfang der 1970er Jahre bei den Les Humphries Singers anheuerte – als einer von vielen, die die Gruppe gleichzeitig und in wechselnden Besetzunger hatte. Zeitweise bestand sie aus 16 Personen. Parallel setzte Drews ab 1973 auch auf eine Solo-Karriere. Aber hier sollte der Erfolg noch etwas auf sich warten lassen.

1976 traten die Les Humphries Singers mit dem Titel „Sing Sang Song“ bei der deutschen Vorentscheidung „Ein Lied für Den Haag“an. Es war das erste Lied, das Ralph Siegel für Deutschland beim ESC im Rennen hatte (zwei Jahre zuvor hatte er „Bye, Bye, I Love You“ für Luxemburg komponiert). Der Text wurde von Kurt Hertha geschrieben. Die Les Humphries Singers hatten in den Jahren zuvor große Erfolge. „Sing Sang Song“ stellte sich später als (weiterer) Sargnagel der Gruppe heraus.

Ein Lied für Den Haag – Der deutsche Vorentscheid für den ESC 1976

Zunächst konnte sich die Kombo mit dem Titel aber gegen über 350 andere beim verantwortlichen Hessischen Rundfunk eingegangen Lieder durchsetzen und einen Platz in der deutschen Vorentscheidung sichern. Die sah im Jahr 1976 so aus, dass am 31. Januar im Rahmen einer von Max Schautzer moderierten Sendung vorher aufgezeichnete Auftritte der Songs ausgestrahlt wurden. Anschließend stimmten die Zuschauenden per Postkarte ab. Am 18. Februar wurde dann das Ergebnis veröffentlicht: Platz 1 für Tony Marshall mit „Der Star“ (118.250 Zuschauerstimmen), Platz 2 für Les Humphries Singers mit „Sing Sang Song“ (96.705 Stimmen) und Platz 3 für Maggie Mae mit „Applaus für ein total verrücktes Haus“ (was trotz oder wegen des total verrückten Titels 71.882 Stimmen erhielt).

Tony Marshall war der offiziell gewählte Sieger der Vorentscheidung und damit der Vertreter von Deutschland beim ESC, der damals meist noch Grand Prix genannt wurde. Allerdings währte die Freude nur vier Tage: dann meldete sich die in München lebende israelische Sängerin Nizza Thobi und gab bekannt, dass sie „Der Star“ schon drei Jahre zuvor öffentlich vorgetragen habe. Da das stimmte, musste das Lied entsprechend den EBU-Statuten nachträglich disqualifiziert werden. Im Hinblick auf die diversen Fauxpas des NDR bei der ESC-Organisation in den letzten Jahren kann man also feststellen, dass auch der Hessische Rundfunk hier nicht seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen war.

Les Humphires Singers – Sing Sang Song

So wurden letztlich die Les Humphries Singers aufgrund dieses Fehlers als Zweitplatzierte nachnominiert und durften ihren Beitrag beim ESC vortragen. Sehr erfolgreich waren sie dabei nicht: mit ganzen 12 Punkten landeten sie in Den Haag auf dem 15. Platz von 18 Beiträgen. Noch im selben Jahr lösten sich die Les Humphries Singers auf; der namensgebende Kopf der Gruppe floh im Mai desselben Jahres sogar noch vor der deutschen Steuerfahndung nach England.

Jürgen Drews dürfte den Misserfolg schnell verdaut haben. Denn am 3. Mai 1976 übernahmen die Bellamy Brothers mit dem Titel „Let Your Love Flow“ die Spitze der deutschen Charts. Einen guten Monat später erreichte Jürgen Drews dieselbe Position mit seiner deutschsprachigen Fassung des Songs, die seitdem ein Schlagerklassiker ist: „Ein Bett im Kornfeld“.

Jürgen Drews – Alpenglühn

Einen zweiten Anlauf unternahm Jürgen Drews dann noch einmal 1990 in Sachsen Eurovision Song Contest. Mit dem Lied „Alpenglühn“ von Hanne Haller und Bernd Meinunger trat in München bei der Vorentscheidung „Ein Lied für Zagreb“ an. Hier reichte es nur für den neunten und damit vorletzten Platz. Sieger wurden Chris Kempers & Daniel Kovac mit „Frei zu leben“, das beim ESC immerhin den neunten Platz erreichte.

Mit dem großen Schlagerabschied von Jürgen Drews in der ARD geht wahrlich eine schillernde Karriere zu Ende, die also auch enge Verbindungen zum ESC hatte. Bei der Show treten noch weitere Acts auf, die es ebenfalls bei deutschen ESC-Vorentscheidungen versucht haben: Maite Kelly (Vorentscheidung 2002), Roland Kaiser (Vorentscheidung 1980) und Thomas Anders (Vorentscheidung 2006). Viel Spaß bei der Show und für Jürgen Drews natürlich nur die besten Wünsche.


Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

16 Comments
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
LW
LW
1 Jahr zuvor

Zu dieser Zeit waren die deutschen Beiträge auch nicht sehr erfolgreich. Bin gespannt ob am Schlagerabschied auch Songs von Les Humphries gespielt werden.

Gaby
Gaby
1 Jahr zuvor
Reply to  LW

Ja, die Erfolgswelle begann erst 1977 und hielt (mit Ausnahme von 1984) zehn Jahre.
Außer 1984 erreichte jeder Song die TOP 10. Ach, ja… (Klugsch…-Modus aus.😀)

Timo1986
Timo1986
1 Jahr zuvor

Ein großer Ehemann, der seine Frau skandalfrei über alles liebt, ein stolzer Vater, wie man auf seine Tochter nicht stolzer sein kann und ein großer Sänger, der seine Spuren in der deutschen Musikgeschichte hinterlassen hat verabschiedet sich. Jürgen, sieh zu dass du deine Krankheit weiter in Griff behältst so wie du deine Fans (m/w/d) begeistert hast und von Herzen alles Gute ! 👍 😀

Gaby
Gaby
1 Jahr zuvor

„Sing, sang, song“ finde ich schrecklich, „Der Star“ hat mir viel besser gefallen.
„Alpenglühen“ fand ich wiederum gar nicht so schlecht, auf jeden Fall besser als „Frei zu leben“, vor allem die „Gesangskunst“ des Daniel Kovacs war ja echt unterirdisch, ist mir selbst als Laie aufgefallen.

Alles Gute, Herr Drews.🙂

Tobiz
Mitglied
1 Jahr zuvor

„Sing sang song“ klingt nach etwas, das auf der CD eines Englisch-Lernbuchs drauf wäre, um den Schülern die Vergangenheitsformen „unterhaltsam“ beizubringen, wobei allerdigs ein Wort falsch ist und die Schüler das erkennen und richtig ersetzen müssen.

Zurecht ist das Machwerk nach hinten durchgereicht worden.

zwo.2
zwo.2
1 Jahr zuvor
Reply to  Tobiz

„Sing sang song“ ist wohl das schlimmste und peinlichste Lied was Deutschland je beim ESC hatte. Ich würde es sogar erweitern, es gehört generell zu den katastrophalsten Beiträgen in der gesamten ESC-Geschichte.

Gaby
Gaby
1 Jahr zuvor
Reply to  zwo.2

Da stimme ich Dir zu…

AlexESC
AlexESC
1 Jahr zuvor

Ich konnte Jürgen Drews vor rund 12 Jahren, genauer gesagt im Spätsommer 2010, bei einer kleineren Veranstaltung live erleben und dort war er total nahbar und hat überhaupt keine Starallüren gehabt. Ein sehr sympathischer Typ und deswegen kann ich es voll und ganz nachvollziehen, wenn er seinen Kollegen und dem Publikum fehlen wird.

Ich wünsche Jürgen für die Zukunft alles gute, viel Zeit mit der Familie und dass seine Krankheit ihm nicht zu sehr daran hindern wird noch viele schöne private Momente erleben zu dürfen!

Trotz alledem werde ich die Show heute Abend nicht anschauen, weil ich einfach kein Fan von dem aktuellen Konzept der Silbereisen-Shows bin, wo im Grunde zu gefühlt 85% immer die gleichen Künstler dabei sind. Viele davon übrigens beim Plattenlabel „Telamo“ unter Vertrag! Das Vorentscheidteilnehmer mit Maite Kelly, Roland Kaiser und Thomas Anders -letzterer ja auch noch ehemaliger Moderator vom ESC-Countdown bzw. „Grand Prix Party“) auf der Bühne stehen ist purer Zufall, denn auch diese drei Personen sind fast in jeder Silbereisen-Show dabei!

Organic banana
Organic banana
1 Jahr zuvor

An das Lied von Maggie Mae kann ich mich sogar noch erinnern, damals gab es ja nur zwei Stunden gute Musik im Radio, ansonsten musste man sowas hören. Habe gerade mal nachgelesen, die Gute ist letzte Jahr an Corona gestorben.

Thomas Frank
Thomas Frank
1 Jahr zuvor

Demletzt zufällig entdeckt. Eine griechische Version von „Sing Sang Song“, gesungen von den griechischen Teilnehmer von 1977 („Mathema Solfege“):

zwo.2
zwo.2
1 Jahr zuvor

„…Die Les Humphries Singers hatten in den Jahren zuvor große Erfolge. „Sing Sang Song“ stellte sich später als (weiterer) Sargnagel der Gruppe heraus…“ Bedingt ist der Satz richtig. In einer TV-Doku über die Gruppe haben die Mitglieder erzählt, dass die Erfolge schon Ende 1974/Anfang 1975 immer mehr ausblieben und auch die Konzerthallen kleiner wurden. Ebenso sanken Zuschauerzahlen rapide ab. Das Management hat nichts mehr an PR/Werbung unternommen. Das Angebot von Ralph Siegel an der deutschen VE 1976 teilzunehmen kam gerade recht. Als sie schließlich zum ESC-Finale fahren sollten, kam heftiger Streit unter den Mitgliedern auf, da ja nur 6 von 14 auf die Bühne durften. Les Humphries entschied allein wer nach Den Haag fahren sollte. Der Auftritt war eine Katastrophe, der Gesang furchtbar, das schlagerhafte Lied nicht der Stil der Gruppe errang von drittletzten Platz und floppte auf ganzer Linie. Letztlich könnte man das als „Todesstoß“ der Singers bezeichnen.

Haraldur
Haraldur
1 Jahr zuvor
Reply to  zwo.2

Der Höhepunkt der LHS war das Jahr 1972, die Tour Sound 73 hat den Markt endgültig gesättigt, Anfang 1974 konnte noch das Album Kansas City in die Top 10 einsteigen, danach floppten alle Alben und es gab nur noch ein paar Singles, die auf hinteren Rängen in die Charts kamen. Der ESC war nicht mehr als ein Abgesang, ein letzter verzweifelter Versuch, es doch noch mal zu schaffen. Aber sowas kennen wir ja auch von anderen Künstlern.

Haraldur
Haraldur
1 Jahr zuvor

Ich habe die Doku zu den LHS auf DVD. Besonders lustig ist der originale ARD-Kommentar zum Abschneiden der LHS (unverständlich und unverdient). Man meint, Urban zu hören.

chris
chris
1 Jahr zuvor
Neuroman
1 Jahr zuvor

Das hier fand ich gestern echt anrührend:

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=ws46sajazDI&w=560&h=315%5D

Tjure
Tjure
1 Jahr zuvor

Ich habe mir den hier verlinkten YouTube-Link zur deutschen Vorausscheidung 1976 tatsächlich in voller Länge angetan und bin immer wieder erstaunt, wie man es geschafft hat, in nur knapp 50 Minuten insgesamt 12 Lieder unterzubringen. Im Gegensatz zu heute, wo alles aufgebauscht wird. So wie Max Schautzer gleich zu Beginn sagte, alles ohne Super-Schnick-Schnack, herrlich.