ESC-kompakt-Jahresrückblick 2020 (3): Das Finale des Melodifestivalen

Als alter Fußball-Fan hab ich es schon immer geliebt, wenn man mit den anderen Fans aus der Bahn gestiegen ist und zusammen zum Stadion lief, während man Schlachtgesänge zum besten gab. Ich hätte nie gedacht, dass ich dieses Gefühl auch einmal im Zusammenhang mit dem ESC erleben würde – in Stockholm wurde ich eines besseren gelehrt.

Aber zunächst, wie alles anfing: Zum Finale des großartigen Melodifestivalen, dem schwedischen Vorentscheid zum ESC, reiste ich im vergangenen März nach Stockholm. Anders als meine ESC-kompakt-Kollegen Benny und Douze Points, die ebenfalls mit von der Partie waren, war es mein erstes Mal… beim „Mello“ – ich war also gespannt wie ein spanischer Flitzebogen.

Am Freitag vor dem Finale fand zunächst im Rahmen des „Melfest-Weekends“ eine Pre-Party im Nalen-Club statt. Ich war zu dem Zeitpunkt bereits ein eingefleischter Stockholm-Touri, der das ABBA-Museum besucht und Köttbullar verspeist hatte. Im Nalen traf ich mich mit meinen ESC-kompakt-Kollegen und einigen Lesern wie zum Beispiel Reiner. Ich bin furchtbar mit Namen, bitte verzeiht es mir, wenn ich mir nicht alle gemerkt habe! Bei der Pre-Party traten ESC-Künstler wie Daði Freyr aus Island, Samanta Tina aus Lettland oder Sandro für Zypern auf. Mit letztem hatte ich ein kleines Gespräch an der Bar…  verlief etwas peinlich für mich… nun ja, weiter geht es!

Es war ein gelungener Abend und ein gutes Aufwärmen für die große Show am Samstag – über der plötzlich der Corona-Geist schwebte. Um ein Haar hätte man nämlich das Publikum in der Halle verboten und Benny, Douze Points und ich hätten uns das Ganze womöglich im Hotel im Fernsehen anschauen dürfen. Die Schweden gingen jedoch bekanntermaßen ihren eigenen Weg, um mit der Pandemie umzugehen, und somit stieg die ganze Party am Samstagabend. Davor trafen wir uns mit einigen ESC-kompakt-Lesern, mit denen wir dann gemeinsam in die Friends Arena fuhren.

Und da waren wir. Wir stiegen aus der S-Bahn aus und liefen zu hunderten in Richtung Arena. Plötzlich dröhnte „MY KINGDOM COME, AND ON, AND ON….“ aus den Lautsprechern entlang des Weges. Die Menschen sangen, ich bekam Gänsehaut – eben richtiges Stadion-Feeling. Benny und ich fantasierten kurz, wie es wohl wäre, wenn wir so ein VE-Spektakel und so eine Stimmung auch hier in Deutschland hätten.

Vor dem Stadion trennten sich unsere Wege, wir saßen leider nicht alle im selben Block. Vielleicht bekommen wir so etwas ja irgendwann einmal hin! Ich selbst saß nämlich im „spanischen Block“ hoch oben auf den Rängen. Freunde aus Spanien hatten mich erst überzeugt zum Mello zu reisen. Und da saß ich mit den ganzen „Eurofans“ die wirklich ihrem Ruf gerecht wurden. Man hatte Plakate, Flaggen und Choreografien dabei – alles um die Favoriten anzufeuern. Eine schwedische Familie hatte das Pech genau in „Little Madrid“ zu sitzen. Sie waren von den überschwänglichen Spanier etwas eingeschüchtert, amüsierten sich jedoch im Laufe des Abends dann doch noch sehr.

Die Show fing an und es war so, wie ich es mir vorgestellt habe. Riesen Stimmung, tolle Auftritte und hach…. eben Anna Bergendahl. Sie war meine große Favoritin an dem Abend. Bei ihrem Auftritt kamen auch echte Sieger-Vibes auf, das mussten sogar die Hardcore-The Mamas-Fans in den spanischen Reihen zugeben. Für einen kurzen Augenblick und trotz unterirdischer französischer Jury-Wertung, hatten wir Anna-Fans das Gefühl, dass es wirklich mit dem Sieg klappen könnte. Hätte sie gewonnen, wäre wohl Schweden ganz weit vorne in meinem 2020-Ranking gewesen.

Doch wir alle wissen, was am Ende geschah – die Mamas holten sich den Sieg und das später stornierte Ticket nach Rotterdam. Ich war zwar etwas enttäuscht über das Ergebnis, aber ich freute mich riesig über den gesamten Trip inklusive vieler Überraschungsmomente, tolle Wiedersehen und den einen oder anderen Drink zu viel. Am Ende landete ich, wie es der Zufall so wollte, mit Douze Points in einem Flieger. Ein Bild kurz bevor ich vor dem Gate ein Pfeifen hörte und Douze aus der Ferne erkannte:

Und ich war genauso müde wie ich ausgesehen habe… Hej då!

 

Meine persönlichen ESC-Highlights 2020

Lieblings-ESC-Song 2020: Richtig gefeiert habe ich „Think About Things„. Das Lied, das Island gut möglich zu einer Top-Platzierung verholfen hätte. Der kleine Hype um den Beitrag ließ auch bei mir nach einiger Zeit nach. Wie oben erwähnt, wäre „Kingdom Come“ von Anna Bergendahl bei einem Mello-Sieg mein Lieblings-ESC-Song 2020 geworden.

Schönste ESC-News 2020: Dass das Melodifestivalen-Finale mit Publikum stattfinden konnte. Der Stockholm-Trip wäre sicherlich auch ohne Live-Finale toll gewesen, aber so eine Live-Show setzt dem Ganzen natürlich die Krone auf.

Größte ESC-Überraschung 2020: Die größte Überraschung war vielleicht der deutsche Song. Wir senden nur selten Ohrwürmer zum ESC. „Violent Thing“ war nach langer Zeit mal wieder einer.

Größter ESC-Aufreger 2020: Ich habe es für mich behalten, aber ich kann mit den Mamas und „Move“ wirklich sehr wenig anfangen. Das war dann doch eine Enttäuschung und ich habe mich wirklich aufgeregt, weil ich die Schweden da nicht verstanden habe. Zudem habe ich mich tierisch über die Hotelpreise in Rotterdam aufgeregt, nun gut, ich tue es noch immer…

Größte ESC-Vorfreude auf 2021: Trotz hoher Preise hoffe ich natürlich, dass ich zum ESC nach Rotterdam reisen und dort wie in Tel Aviv arbeiten kann. Die Hoffnung stirbt zuletzt… Cool wäre es auch, noch mehr ESC-kompakt-Leser kennenzulernen!

Bisher erschienene Folgen unseres ESC-kompakt-Jahresrückblicks 2020:


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28 Comments
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togravus ceterum
Mitglied
togravus ceterum
3 Jahre zuvor

Und wieder ein schöner persönlicher Bericht, nur leider kann ich mit dem Melodifestivalen seit 2011 überhaupt nichts mehr anfangen. Bis einschließlich 2010 war es allerdings mein Lieblingsvorentscheid, auch wenn meine Lieblingstitel nie gewonnen haben.

Gaby
Gaby
3 Jahre zuvor

Grundsätzlich finde ich schon, dass in dem Mello mitunter schöne Titel zu finden sind, nur leider kann ich mit dem Sieger oft wenig anfinden. Wobei ich dieses und letztes Jahr zufrieden war. 🙂

togravus ceterum
Mitglied
togravus ceterum
3 Jahre zuvor
Reply to  Gaby

Der letzte schwedische ESC-Titel, den ich mochte, wurde von Frans vorgetragen.

Gaby
Gaby
3 Jahre zuvor
Reply to  Gaby

„If I were sorry“ finde ich noch ganz okay, aber der Typ wirkte auf mich irgendwie unsympathisch.

togravus ceterum
Mitglied
togravus ceterum
3 Jahre zuvor
Reply to  Gaby

Ach, der benahm sich halt wie meine 16-jährigen Neffen. Das bin ich gewöhnt. 😉 🙂
Und allemal sympathischer als Benjamin Ingrosso!

Gaby
Gaby
3 Jahre zuvor
Reply to  Gaby

ceterum
Da hast Du auch wieder Recht.😉

Karin
Karin
3 Jahre zuvor

Schöner Bericht und die Enttäuschung über den Sieg der Mamas teile ich voll, auch überhaupt nicht mein Ding

Trakol
Mitglied
Trakol
3 Jahre zuvor

Hätte ich kein Ticket für den ESC ergattert, wäre ich auch in Schweden dabei gewesen. Nunja, mittlerweile wär mir das Mello lieber gewesen, als gar keine ESC Veranstaltung.

4porcelli - Penguins will rule the world
4porcelli - Penguins will rule the world
3 Jahre zuvor

Wieder ein sehr gut geschriebener persönlicher Bericht – diese Serie ist ein versöhnlicher Ausklang des EK-Jahres! Danke für alles, das das Team geschrieben und an Spielen, Bildergallerien, etc. auf die Beine gestellt hat!

Porsteinn
Mitglied
Porsteinn
3 Jahre zuvor

„Mit letztem hatte ich ein kleines Gespräch an der Bar… verlief etwas peinlich für mich…“

Immer dieses teasen. Jetzt schlägt die Fantasie Purzelbäume, was wohl passiert sein könnte.^^

usain1
usain1
3 Jahre zuvor
Reply to  Porsteinn

Das geht mir genauso… Details bitte! Immerhin handelt es sich dabei um sexy Sandro!

Gaby
Gaby
3 Jahre zuvor
Reply to  Porsteinn

Das habe ich mich aufgefragt. Jetzt bin ich aber neugierig…🙂

Porsteinn
Mitglied
Porsteinn
3 Jahre zuvor
Reply to  Max

Süß. Natürlich wird da keine Rücksicht genommen, als ESC kompakt Blogger ist man international und fertig. 😀

Gaby
Gaby
3 Jahre zuvor
Reply to  Gaby

@Max
Klar, verstehe ich. Aber dass Du mit Sandro Englisch gesprochen hast, ist doch nicht peinlich… Ist ja ein internationales Publikum, kann passieren.😉

Gaby
Gaby
3 Jahre zuvor

Danke für diesen schönen Bericht. Es ist fast so, als wäre man selbst dabeigewesen.😊

Rainer 1
Rainer 1
3 Jahre zuvor

Scheen wars😀. Mir wird stockhol20 vor allem darum in erinnerung bleiben, weils der letzte event vor der pandemie war und wir in ein komplett menschenleeres basel zurückgekehrt sind. Mein höhepunkt in stockholm….das kurze treffen mit dadi und ( taraaa), robin bengtsson mit „take a chance“

Gaby
Gaby
3 Jahre zuvor
Reply to  Rainer 1

Ich kann mir schon vorstellen, dass es ein komisches Gefühl war, als ihr heimgekommen seid. Wirkte bestimmt ein bisschen irreal – fast wie im Science-Fiktion-Roman, könnte ich mir vorstellen…😉

Rainer 1
Rainer 1
3 Jahre zuvor

übrigens war auch unser „meet&greet“mit sandro etwas eigenartig. Er ist wirklich freundlich und nett, vielleicht etwas zu.

Trakol
Mitglied
Trakol
3 Jahre zuvor
Reply to  Rainer 1

Das wird immer besser, jetzt will ich auch alle Details wissen 😀

Branko
Branko
3 Jahre zuvor
Reply to  Rainer 1

Details, bitte!

MarkusK
Mitglied
MarkusK
3 Jahre zuvor
Reply to  Rainer 1

Das Gefühl hatte ich auch leider. Er war nett, aber schon irgendwie distanzierter als z.B. Wiktoria oder Ulrikke. Letztere ist mir ja wortwörtlich um den Hals gefallen zur Begrüßung. Das kann man sich irgendwie jetzt auch nicht vorstellen.

Matty
Matty
3 Jahre zuvor

Das Finale des Melodifestivalen war für mich vor allem eins: ein Votingkrimi à la Alfred Hitchcock! Vor allem die 12-Punkte-Wertungen waren fast salomonisch verteilt, denn die Hälfte der Wettbewerbstitel und deren Interpreten entfielen darauf (The Mamas, Dotter, Anna Bergendahl, Anis Don Demina, Felix Sandman und meine wahre Siegerin von 2015, Mariette). Am Ende gab das Zuschauervoting mit einem Punkt Differenz den Ausschlag zugunsten der stimmgewaltigen und sympathischen Mamas.

Das Feld der Finalisten konnte sich auf jeden Fall sehen lassen, mit Victor Crone, Anna Bergendahl und dem süßen Robin Bengtsson waren immerhin drei ehemalige ESC-Teilnehmer dabei. Einzig Drängarna hätten das Finale mehr bereichert als der Samir-&-Viktor-Verschnitt Méndez feat. Álvaro Estrella (letzterer war erstmals im Finale, 2014 schied er schon in der Vorrunde mit seinem Schlafzimmerlied aus).

ESCFan2009
ESCFan2009
3 Jahre zuvor

Ich hab Bilder im Kopf… Katzenbabys, schnell 😅

Toller Artikel! Mein erster Live-VE in Malmö dieses Jahr war auch ein großes Jahreshighlight, gerade nach all dem, was kurze Zeit später auf uns alle zukam…

MarkusK
Mitglied
MarkusK
3 Jahre zuvor

@Max: Ich kann mit den Mamas genau so wenig anfangen, aber ich glaube für Dich hätte es noch schlimmer kommen können, wenn Anis Don Demira gewonnen hätte, oder? 😀

Das Event war wirklich erstklassig und toll organisiert vom schwedischen Fanclub. Ich hoffe, dass es dann spätestens in 2022 wieder so stattfinden kann. Und man kann sich das gar nicht mehr vorstellen. Leute, die fremden um den Hals fallen, volle Clubs, volle Halle und U-Bahnen beim Vorentscheid. Ich war schon einige Tage früher in Schweden und habe andere musikalische Highlights besucht und so richtig klar geworden, wo wir reingeraten sind, ist mir das auch erst als ich wieder in Heimat war.

David Hercc
David Hercc
3 Jahre zuvor

Vielen Dank für den schönen Bericht!

Auch für mich war das Mello in diesem Jahr mein ESC-Highlight. 😀
Ich war zum ersten Mal vor Ort dabei, nachdem ich es schon seit Jahren geguckt habe. Das Blogger-&Leser-Treffen war toll, ich habe mich mega gefreut euch kennenzulernen. Mit den Mamas war ich aber ganz zufrieden. Bei dem Treffen vorher war ich der einzige, der Sie getippt hatte. ^^
Das Voting war wirklich ein Krimi, aber ich bin sehr froh, dass die Zuschauerstimmen und nicht die Jury den Ausschlag gaben!