ESC-Songcheck kompakt 2023 (10) – Israel: „Unicorn“ von Noa Kirel

Noa Kirel – Foto: Eran Levi

Oft wünschen sich ESC-Fans, dass „große Namen“ aus ihrem Heimatland beim ESC antreten. Für die israelischen Fans ist dieser Traum in diesem Jahr wahr geworden: der israelische Superstar Noa Kirel tritt für Israel beim Eurovision Song Contest 2023 in Liverpool an und wird dort die Empowerment-Hymne „Unicorn“ präsentieren.

Noa Kirel wurde, nach langem Hin und Her, schon letztes Jahr als Vertreterin Israels für den diesjährigen ESC bekannt gegeben. Bereits im Juli wurde die Sängerin als Kandidatin verkündet – offenbar jedoch ohne ihr Wissen. Der zuständige Sender KAN hatte kurz nach dem ESC 2022 eine Liste aus 78 Acts zusammengestellt, die Israel vertreten könnten. Auf Platz 1 hatte es Noa Kirel geschafft, die seit Jahren die Charts in ihrer Heimat stürmt. Wie sich kurz nach ihrer Bekanntgabe herausstellte, war die Wunschliste des Senders jedoch ohne das Wissen der jeweiligen Acts entstanden. Im August folgte dann die offizielle Bestätigung: Noa wird wirklich für Israel beim ESC 2023 antreten. Maßgeblich verantwortlich für ihr „ja“ seien ihre Fans gewesen. Sowohl in Israel als auch international sei die Idee, sie könne nächstes Jahr in Großbritannien dabei sein, auf Begeisterung gestoßen. Dieses positive Feedback hat Noa zum Anlass genommen, beim ESC 2023 anzutreten, obwohl eine Teilnahme am Song Contest riskant sei und ihre Erfolge im Heimatland keine Erfolge beim ESC garantierten.

Noa Kirel stammt aus einem Vorort von Tel Aviv. Ihr ursprünglicher Vorname ist Noya, aber nachdem bei ihr im Alter von drei Monaten eine schwere Nierenerkrankung diagnostiziert wurde, wurde ihr Name auf Vorschlag eines Rabbis in „Noa“ geändert, was sich mit hebräischen Buchstaben genauso wie „Bewegung“ schreibt. Ihre erste Single veröffentliche Noa Kirel bereits im Alter von 14 Jahren. In den letzten Jahren feierte sie unglaubliche Erfolge in ihrer Heimat und ist laut The Hollywood Insider „Israel’s biggest pop star“. Sie hat 1,3 Millionen Follower auf Instagram, erreichte viermal Platz 1 der israelischen Single-Charts und hat zwischen 2017 und 2020 vier MTV Europe Music Awards als beste israelische Künstlerin in Folge gewonnen. Im Sommer 2022 kamen 35.000 Menschen zu ihrem Stadionkonzert in Tel Aviv. Während sie zu Beginn ihrer Karriere hauptsächlich auf Hebräisch gesungen hatte, hat sie zuletzt auch mehrere englischsprachige Lieder veröffentlicht. Neben Ihrer Karriere als Sängerin ist sie u.a. auch als Schauspielerin und in der Jury von „Israel’s Got Talent“ aktiv.

Das Lied

Ähnlich wie in Noas bisher veröffentlichter Musik, werden auch in „Unicorn“ Dance-Elemente mit R’n’B und Pop gemixt. Der Song beginnt ruhig und fast schon balladenartig. Der Pre-Chorus geht musikalisch in die Dance/House-Richtung. Hier kombiniert Noa die Worte „phenomenal“ und „feminin“. Daraus ergibt sich die lyrisch durchaus interessante Formulierung „feminine, feminine – femininal“. Der Refrain ist dann purer, eingängiger Pop. Zum Ende hin kommt dann noch eine weitere Facette hinzu: in einem aufpeitschenden Rhythmus, der zum Mitschreien anregt, singt Noa immer „Unicorn“. Der Song zeigt insgesamt sehr viele musikalische Seiten. Ob das wild und wirr zusammengefügt oder vielfältig und spannend wirkt, kann jeder selbst entscheiden.

Im Text, der genauso wie die Melodie von Doron Medalie, May Sfadia, Yinon Yahel und Noa Kirel selbst geschrieben wurde, geht es um ein häufig beim ESC betrachtetes Themengebiet: um die Kraft der Individualität und den Mut, anders zu sein. Dies wird besonders aus weiblicher Sicht betrachtet, wie der Prechorus mit dem Wortspiel „phenomel-femininal“ verdeutlich. Die beschriebene Person im Text grenzt sich als „Einhorn“ von den anderen ab, „steht allein da“, aber hat gleichzeitig die „Kraft eines Einhorns“: Sie lässt sich nicht runterziehen und blickt immer nach vorne und wird alles meistern.

Der Check

Song: 3/5 Punkten
Stimme: 3,5/5 Punkten
Darbietung: 4/5 Punkten
Instant Appeal: 3,5/5 Punkten

Benny: Ich bin hin- und hergerissen. Sehr enttäuscht bin ich, dass Noa Kirel, die eigentlich eine klasse Künstlerin mit tollen Songs ist, hier versucht, auf einen vermeintlichen ESC-Zug aufzuspringen und der Fan-Community das zu liefern, was diese vermeintlich will. Dabei ist ein zerstückeltes Lied herausgekommen, das total wirr und gleichzeitig nach zwei Minuten auserzählt ist. Gleichzeitig gibt es – wen überrascht es, bei so viel Auswahl? – tolle Stellen, wie etwa „femininal“ und „U-ni-corn“. ESC-Chance vertan, aber auch kein super schlimmes Werk. 5 Punkte.

Berenike: Das ist diese Art von generischem Lied, mit dem ich nicht viel anfangen kann. Wirkt wie vom Reißbrett und sehr „unnatürlich“. Ich kann aber nicht beschreiten, dass sich der „phenomenal/feminal“-Part im Gehörgang festsetzt und der Ethno-Part zum Schluss sehr dafür geeignet ist, dass das Publikum ordentlich mitschreit. Von daher ist der Song durchaus ESC-geeignet, aber einfach nicht mein Cup of Tea. 3 Punkte.

Douze Points: Ich finde das Thema „Unicorn“ seit einigen Jahren etwas überstrapaziert. Aber sei’s drum. Ich liebe die Stimme von Noa und den kraftvollen ersten Chorus, der großes Erwarten lässt. Danach verliert sich der Song aber in unterschiedlichen Versatzstücken und Stilen. Die einzelnen Zutaten sind dabei nicht verkehrt – allein es sind zu viele und diese sind nicht so kombiniert, dass daraus eine runde Nummer wird. Das Ende lässt mich dann ratlos zurück. 6 Punkte.

Flo: Ganz klar hält Israel große Stücke auf Noa Kirel, was sich schon an dem aufwendig produzierten Video und auch dem Song selbst zeigt. Mich erreicht „Unicorn“ aber nicht wirklich, was auch daran liegen könnte, dass die verschiedenen Teile des Songs für mich keinen roten Faden erkennen lassen, sondern eher zusammengewürfelt wirken, sodass ich es etwas anstrengend finde, dem zu folgen. Davon abgesehen wird der Song natürlich ins Finale einziehen und dort auch seine Fans haben. 5 Punkte.

Manu: Als Nadav Guedj 2015 mit drei Liedern in einem am Song Contest in Wien teilnahm, war ich von Anfang an an Bord. Bei Noa Kirel gelingt mir das wenig. Dabei beginnt „Unicorn“ durchaus imposant und ist in den Strophen sogar vielversprechend. Zumindest bis der für mich unsägliche Refrain einsetzt. Auch die zweite Strophe überzeugt, wird für den nächsten Refrain aber unsanft unterbrochen. Anschließend ergötzt sich „Unicorn“ in verhaltenen Ethniksounds, einem lang angekündigten Dancebreak und repetetivem Frauenchor-Gerufe. Klar landet das in Liverpool weit vorn, aber mir fehlt irgendwie der rote Faden und der Refrain haut mich raus. So kann ich leider bisher nur 5 Punkte geben.

Max: Die Erwartungen waren bei vielen wohl stratosphärisch hoch was den Song betrifft. Da konnte „Unicorn“ bei vielen einfach nur enttäuschen, genauso wie auch mich zunächst. Nach mehrmaligem Hören habe ich mich jedoch mit der Nummer angefreundet und bin mir auch sehr sicher, dass der Auftritt ein echtes Feuerwerk werden wird. Noa ist DER Megastar in Israel, da wird ihr Team sichergehen, dass die Performance einschlagen wird. Und wer weiß, vielleicht ist Israel spätestens bei den Proben der „Grower“ in diesem Jahr. Ich würde die Nummer nicht abschreiben, auch wenn sie stellenweise etwas chaotisch rüberkommt und sich nicht entscheiden mag, was für ein Genre sie bedienen soll. 8 Punkte!

Peter: Drei Songs in einem – und alle drei gut. Mein einziger Kritikpunkt: Etwas sehr übertrieben mit dem Fishing-4-ESC-Compliments. Watch me. Dagegen stehen viele gute musikalische und optische Ideen und Reize in knapp drei Minuten (reicht für zwei Songs), ein megacatchy Refrain, ein cool-augenzwinkernder Style von Noa, ein witziges kreatives Video und eine großartige Hook im Phenomenal-Feminin-Femininal-Part. Das zusammengenommen reicht für 12 Punkte.

Rick: „Unicorn“ wirkt an einigen Stellen so, als hätte man zu viele Ideen gehabt, die nicht richtig miteinander verbunden wurden. Sozusagen so, als seien fünf Songs in drei Minuten gequetscht worden. Bei genauem Hinhören lässt sich zwar ein roter Faden erkennen, aber ich glaube, dass erst eine cleane, stylishe und professionelle Performance „Unicorn“ auf das Level befördert, das wirklich erfolgversprechend ist. Die einzelnen Parts (vor allem der Pre-Chorus und der Dance“break“ am Schluss) gefallen mir aber super. Einen Pluspunkt gibt’s für die hebräischen Zeilen – insgesamt 8 Punkte.

Gesamtpunktzahl: 52/96 Punkten.

Beim ESC-kompakt-Index landet „Unicorn“ auf Platz 18 von 37.

Wie schneidet der israelische Beitrag "Unicorn" von Noa Kirel ab?

  • Platz 11-15 (30%, 171 Votes)
  • Platz 6-10 (29%, 164 Votes)
  • Platz 16-20 (20%, 113 Votes)
  • Bleibt im Halbfinale hängen (10%, 55 Votes)
  • Top 5 (6%, 37 Votes)
  • Platz 21-26 (6%, 34 Votes)

Total Voters: 574

Wird geladen ... Wird geladen ...

Bisher erschienene Songchecks:

Erstes Halbfinale

(1) Irland: „We Are One“ von Wild Youth
(2) Kroatien: „Mama ŠČ!“ von Let 3
(3) Lettland: „Aijā“ von Sudden Light
(4) Malta: „Dance (Our Own Party)“ von The Busker
(5) Norwegen: „Queen Of Kings“ von Alessandra
(6) Portugal: „Ai Coração“ von Mimicat
(7) Serbien: „Samo Mi Se Spava“ von Luke Black
(8) Aserbaidschan: „Tell Me More“ von TuralTuranX
(9) Finnland: „Cha Cha Cha“ von Käärijä


Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

83 Comments
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
chris
chris
1 Jahr zuvor

In meiner ESC-Gruppe ist der Song ordentlich verrissen worden, u. a. wegen der Zeilen „Do you wanna check my DNA?“ oder auch „You wanna see me dance?“.

Gerade an dieser Zeile merkt man, dass der Titel ganz bewusst für den ESC geschrieben wurde. Das sieht man schon daran, wenn man mal auf den Namen des Komponisten schaut. Ich finde ihn jetzt nicht schlecht, aber wie gesagt, schon ein wenig kalkuliert.

Nils
Nils
1 Jahr zuvor
Reply to  chris

2015: „Do you like my dancing?“
2023: „You wanna see me dance?“

zwo.2
zwo.2
1 Jahr zuvor

Ein überschätzter Titel. Sehr durchschnittlich. Ein typischer ESC-ausgerichteter Song. Könnte in jedem Kaufhaus abgespielt werden.

Micha
Micha
1 Jahr zuvor

Unfassbar langweilig!

Fabian
Fabian
1 Jahr zuvor
Reply to  Micha

Ja,sehr langweilig.4,5 punkte

ag9
ag9
1 Jahr zuvor

Ach ja, Israel: man bleibt dran kleben, obwohl man das eigentlich gar nicht will. Ist immerhin geschmackvolles Plastik aus verschiedenen Pet-Materialien zusammengeschweißt (gaanz schwer zu recyclen).

Da es doch einiges deutlich schlechteres gibt, isses bei mir ca. auf Platz 25.

Wird natürlich ins Finale kommen und da einen Mittelfeldplatz ergattern, sie ist ja eine Professionelle (ups!).

Kimipo
Kimipo
1 Jahr zuvor

Ich liebe den Song! Meine Nummer 2!

Jofan
Jofan
1 Jahr zuvor

Boah, hat mich die Kommentarsektion hier aufgekratzt 😅.
Also erst einmal wird Israel nicht im Semi scheitern und es wird eine Hammer Bühnenperformance geben.
Aber jetzt: WO BITTE SCHÖN HÖRT IHR ALLE DIESEN ANGEBLICHEN VIELEN SONGTEILE RAUS???? WO? Ich entdecke dort genau zwei, mit der Trennung ab dem Dancebreak. Bei Finnland gibt es auch zwei ganz unterschiedliche Teile und es wird bis ins Unermessliche gehypt und Israel? Ja, weil es halt Israel ist, nicht.
Israel gehört für mich zu den besten Ländern beim ESC, wenn sogar nicht das allerbeste. 2020,2021,2022 waren absolute mega Nummern, die ich fast täglich höre und dann gab es ja noch 2018, der für mich beste Song, den die Welt je gesehen hat. Ich habe in meinem Leben noch nie so eine talentierte und passionierte Musikerin gesehen. Nettas X-Factor-Reise gucke ich mir wahrscheinlich jede Woche min. einmal an, weil alle ihre Auftritte dort so genial sind. Meine 3 Favoriten sind „What Is Love“ und „Rude Boy“ „Hey Mamma“ (Links: https://youtu.be/9SNT1Oz_lbc, https://youtu.be/_aqkEcHPFp8, https://youtu.be/YOeBeUynsFk).

Jetzt aber zu Noa Kirel, die ich schon lange verfolge. Sie ist ein Superstar und auch ich bin großer Fan von ihr. Deswegen bei aller Liebe und Respekt für dich Berenike, shame on you für 3,5/5 bei der Stimme 😘, mindestens eine 5 wäre angebracht.
Unicorn gefällt mir sehr gut, auch wenn er anders klingt als viele ihrer Nummern zuvor. Von mir gibt’s 8-10 Punkte, Platz 5 (mit Potenzial nach oben), wird in Liverpool ganz rechts oben landen.

Tamara
Mitglied
Tamara
1 Jahr zuvor

Der israelische Superstar gibt uns hier the Power of the Unicorn. Könnten wir erstmal klären, was eigentlich ein Unicorn ist und was nicht? Weißes graziles Pferd mit Horn obendrauf: Unicorn. Weißes Pferdeunterteil mit Frau in weißem bauchfreien Oberteil, die mit den Fingern ein Horn andeutet: Kein Unicorn, sondern bestenfalls eine Zentaurenfrau. Hat denen eigentlich mal irgendjemand gesagt, dass Zentauren in der Mythologie überhaupt nicht gut wegkommen? Gibt es überhaupt weibliche Zentauren? Und wie wird das auf die Bühne gebracht? Arbeite nie mit Kindern oder mit Tieren, aber von Mischwesen hat ja keiner gesprochen. Ansonsten finden wir das Ganze teilweise interessant, aber nur teilweise. Vor allem aber ist es fürchterlich aufgesetzt und viel zu überladen. Immerhin kann die Dame sehr gut tanzen, und da es EuroVISION heißt, muss das Visuelle ja auch pläsieren. Das, was ins Ohr geht, ist eher so na ja. Braucht von uns keiner im Wettbewerb, kommt aber ins Finale.

Chancen aufs Finale? Ja, wird vermutlich reichen
Tel Aviv 2024? Ah geh. Das haben doch schon andere Superstars nicht geschafft!
3/10 (Kinder 2 und 5 (weil interessant))

T
T
10 Monate zuvor

Nachdem ich die Playlist jetzt schon seit Wochen höre, muss ich sagen, Unicorn ist der beste Song dieses Jahr. Keine Ahnung, wieso der hier so zerrissen wird. Sowohl von der Live-Performance als auch von der production quality her, da wurden hier einige deutlich schlechtere und generischere Songs besser besprochen…

lasse braun 🏴‍☠️
lasse braun 🏴‍☠️
10 Monate zuvor
Reply to  T

generisch ist in diesem zusammenhang ein interessanter aspekt.🤡