One week in Turin: Die ESC-Woche live vor Ort als Fan erleben (Torniamo a Torino 11)

Turin von oben

Alle Wege führen nach… Turin! Insbesondere anhand meiner Stuttgarter Eurovision-Gruppe, mit der ich (in unterschiedliche Autos aufgeteilt) zum ESC-Austragungsort 2022 gefahren bin, habe ich das bemerkt. Während mein Navi uns über Bern und die französische Schweiz geleitet hat, ist der Rest über die italienische Schweiz nach Turin gereist. Am Ende sind wir jedenfalls alle sicher angekommen und waren am Sonntag vor der ESC-Woche alle versammelt in Turin.

Vor Ort hätte es sich natürlich angeboten, direkt den „Turquise Carpet“ zu besuchen, auf dem der 2022-Jahrgang für Interviews und Fotos zur Verfügung stand. Während meine Blogger-Kollegen Berenike und Benny dank Presseakkreditierung für Euch vor Ort berichten konnten, hatten wir als Fans es deutlich schwerer, Zugang zum Reggia di Venaria zu bekommen. Auch wenn das vorher nicht bekannt war, hieß es nach langem Hin und Her nämlich: Nur Gäste mit Ticket kommen rein.

Nicht nur wir, auch hunderte andere Fans sind letzten Endes weggeschickt worden und mussten die Hoffnung aufgeben, die ESC-Stars an diesem Tag zu treffen. Davon haben wir uns die Laune aber natürlich nicht vermiesen lassen und uns in der Altstadt Turins erstmal Kaffee und kleine Snacks gegönnt. Nach 7-stündiger Fahrt hatten sowieso nur die wenigsten der Gruppe noch Energie für ein aufwendiges Programm.

Mahmood-Grafiken zierten die Turiner Innenstadt

Wir haben dann die Zimmer in unserer Airbnb-Villa bezogen und sind in Ruhe angekommen. Was jedoch sowohl bei unserer Vermieterin als auch bei Restaurant-Mitarbeiter:innen oder auch im Öffentlichen Nahverkehr von Anfang an spürbar war: besonders geübt sind die Turiner im Englisch sprechen nicht. Diesen Eindruck haben übrigens auch diverse andere Freunde gehabt, die ich vor Ort getroffen haben. Allerdings muss ich sagen, dass alle Turiner:innen, die wir getroffen haben, wirklich freundlich und auch glücklich über den internationalen Besuch zum ESC waren.

Das diesjährige „Eurovision Village“ war im Parco del Valentino aufgebaut, dem ersten öffentlichen Garten Italiens. Anders als beispielsweise in Lissabon 2018 oder Tel Aviv 2019 wirkte hier das Angebot allerdings etwas überschaubarer. Die meisten Firmen hatten die Veranstaltung als Promotion-Möglichkeit gesehen und viel Eurovision-Bezug gab es, aus unserer Sicht, dort leider nicht. Genau darum soll es im Village aber ja eigentlich gehen. Die Liebe zum Detail hat einfach gefehlt.

Der Park an sich ist aber sehr schön gelegen, Snacks und Getränke gab es genug und auch am, durch Turin fließenden, Fluss Po konnte man gut vom ganzen Trubel abschalten. Auf dem Rückweg haben wir noch einen Merchandise-Shop mit ESC-Artikeln entdeckt. Besonders positiv hervorzuheben ist das Public-Viewing-Angebot im Eurovision Village.

EuroVillage-Hauptbühne 2022

Auch wenn hier erneut vieles im Vorfeld völlig unklar war und auch das Personal absolut nicht Bescheid wusste: am Ende wurden alle ESC-Shows auf vier Bildschirmen live übertragen. Neben der riesengroßen Rasenfläche an der Haupt-Bühne gab es noch eine weitere Fläche nebenan, auf der man alles verfolgen konnte. Zudem traten die ganze Woche immer wieder ESC-Acts im Eurovision Village auf.

Wer kein Problem damit hat, sich online eigenständig über Fahrpläne zu informieren, kam mit dem öffentlichen Nahverkehr in Turin wahrscheinlich relativ gut klar. Ich muss hier allerdings erwähnen, dass unsere Unterkunft wirklich ungünstig lag. Wir mussten ganze 1,5 Stunden mit Bus und Bahn ins Turiner Zentrum fahren. Dadurch kam es dann logischer Weise eher zu organisatorischen Verwirrungen; beispielsweise darüber, bis wohin welche Zone gilt. Die Sprachbarriere und fehlende Infos sind wohl die Hauptprobleme dabei gewesen, weshalb wir uns nachts meistens eine Taxi-Fahrt gegönnt haben, auch wenn diese meist turbulent, rasant und fast schon surreal war, da man rote Ampeln und Geschwindigkeitsbegrenzungen in Turin scheinbar gerne vollkommen ignoriert.

Turiner Bus in der ESC-Woche

Preislich kann man an Turin nichts aussetzen. Sowohl das tägliche Abendessen in Pizzerien und anderen Restaurants war, im Vergleich zu deutschen Verhältnissen, unfassbar preiswert, und auch für den Supermarkt-Einkauf musste man nicht sonderlich tief in die Tasche greifen. Insbesondere die Spritpreise waren im direkten Vergleich ein Traum. Fragt sich nur, warum. Das ist aber ein ganz anderes Thema…

Im Allgemeinen kann man sagen, dass, wie es auch von Laura Pausini in der Show als „typisch italienisch“ beschrieben wurde, vieles so wirkte, als sei es nicht richtig durchgeplant. Das Verrückte dabei: Am Ende hat trotzdem immer alles funktioniert. Uns hatte vor allem die – wohlbemerkt um 20:30 Uhr immer noch – riesige Schlange vor dem PalaOlimpico zur Juryshow des ersten Halbfinals verwundert. Das Personal vor Ort war dann aber so gut organisiert, dass pünktlich zur Show alle Gäste in der Halle waren.

Auch das „EuroClub“-Dilemma war am Ende gar nicht so furchtbar, wie vermutet. Wie wir im Vorfeld bereits berichteten, sind dieses Mal 10 Locations in Turin als offizielle EuroClub-Locations ausgesucht worden. Nur zwei davon gehen allerdings tatsächlich als Clubs durch, in denen jedoch nur wenig Eurovision-Bezug herrschte, nach Meinung vieler Fans.

Kurz vor knapp ist daher ein anderer, wirklich für Fans ausgerichteter, „EuroFANSclub“ organisiert worden. Im Hiroshima Mon Amour, das glücklicherweise relativ leicht von der PalaOlimpico-Halle aus erreichbar war, kam echte ESC-Partystimmung auf. Hier sind jeden Tag unterschiedliche Mottos umgesetzt worden und Acts, auch aus dem 2022er-Jahrgang, sind aufgetreten. Einzig die Warteschlangen an den Bars waren teilweise unzumutbar.

Ronela Hajati aus Albanien wurde trotz ihres Halbfinal-Aus im EuroFANSclub gefeiert wie eine Siegerin

Am Ende noch eine kurze persönliche Story: Auch ein Sanitäter-Einsatz am PalaOlimpico ist Teil unserer ESC-Woche in Turin gewesen. Da ich Kreislauf-Probleme hatte und unglaubliche Kopfschmerzen im Juryfinale bekam, haben wir die einsatzbereiten Helferinnen um Hilfe gebeten. Diese waren wirklich freundlich, hilfsbereit und konnten sich, glücklicher Weise in gutem Englisch, direkt um mich kümmern. An dieser Stelle nochmal ein riesen Dank an die Mädels!

Auch wenn viele Dinge besser geordnet hätten ablaufen können, ist Turin und die Reise dorthin jeden Stress wert gewesen. Der ESC ist live vor Ort eben immer ein unvergessliches Erlebnis. Selbst die „kaputte“ Bühne hat uns dann vor Ort kaum noch gestört. Dennoch waren wir uns einig: viele Punkte können besser ablaufen, als das, was in Italien dieses Jahr letzten Endes präsentiert wurde, daher freuen wir uns im kommenden Jahr auf eine (hoffentlich) bessere Organisation vor Ort.

Bisher in der Serie „Torniamo a Torino“ erschienen:


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14 Comments
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Thilo mit Bobby
Mitglied
Thilo mit Bobby
1 Jahr zuvor

Da bekommt man einen Schreck im Nachhinein wenn man liest das du Sanitäter brauchtest. Aber es ist alles gut gegangen. Und trotz dem ganzen Stress hast du ein tolles Erlebnis gehabt, so soll das sein. Toller Bericht. 😊👍
P.S. du musst mir noch das Geheimnis erklären wie du es geschafft hast dich in mehreren Autos aufzuteilen 😉😅

Pablo
Pablo
1 Jahr zuvor

Danke Rick, schöner Einblick und da kriegt man ja wieder Lust, Jahr für Jahr wieder dabei zu sein. Ich zerre immernoch von Lissabon 2018 🙂

Timo1986
Timo1986
1 Jahr zuvor

„Allerdings muss ich sagen, dass alle Turiner:innen, die wir getroffen haben, wirklich freundlich und auch glücklich über den internationalen Besuch zum ESC waren.“

Und darauf kommt es eben auch an, um von einen guten ESC sprechen zu können. Ich habe einen guten Kumpel, der 2013 beim ESC in Malmö war. Da es sich bei ihm um einen großen Schweden-Liebhaber handelt ging er davon aus, dass die Leute in Malmö den ESC enthusiastisch abfeiern würden. Vor Ort war er von deren „Mir-doch-egal-Einstellung“ hinsichtlich des ESC – zumindest müssen nach seiner Aussage viele angereisten ESC-Fans in Malmö dies so empfunden haben – wirklich sehr enttäuscht.

Insgesamt deckt sich der Artikel von Rick zum ESC in Turin mit der Meinung von Peter Urban. Jedes Jahr am Ende des ESC, wenn der Sieger (m/w/d) vom Green-Room zur Bühne läuft, um den Pokal in Empfang zu nehmen, kommentiert Peter Urban die Organisation des ESC und die Menschen in der Stadt an und für sich in zwei, drei kurzen Sätzen. Peter Urban bewertete den ESC in Turin bezugnehmend auf seine Organisation als im großen und ganzen gut, wenn man „mal vom Platzmangel absehen würde“. Aber so PU weiter „meckern möchte ich deswegen trotzdem nicht“.

Wenn ich so die alljährlichen Kommentierungen zum ESC von PU nochmals Revue passieren lasse, dann waren die ESCs, was die Organisation und die Freundlichkeit der Menschen betrifft, wohl am besten 2007 in Helsinki und 2015 in Wien und am schlechtesten – so interpretiere ich die Aussagen von PU wohl 2008 in Belgrad.

Als emotionaler Italiener fand ich aus der Ferne betrachtet den ESC in Turin – trotz seiner vorhandenen Mängel – sicherlich nicht schlecht organisiert und hinsichtlich des Wohlfühlfaktors sogar sehr gut.

Gaby
Gaby
1 Jahr zuvor

Vielen Dank für den interessanten Bericht.🙂

Um ehrlich zu sein, finde ich es ja eigentlich ganz sympathisch, wenn nicht alles total perfektionistisch durchorganisiert ist. Hat was Menschliches. Gott sei Dank hat man Dir schnell helfen können. Denke, das ist ja die Hauptsache.

Festivalknüller
Festivalknüller
1 Jahr zuvor

Die Liste der Verfehlungen beim ESC in Turin wird im Laufe der Blogger-Reihe immer länger. Da gibt es eigentlich nicht viel schön zu reden.
Dass es keine ausreichenden Informationen zu einem so wichtigen Event wie dem Carpet-Empfang gab und die Fans am Ende draußen bleiben mussten, ist schon ein Unding !
Das Kommunikationsproblem zog sich ja wie ein roter Faden durch die Veranstaltungstage. Angefangen von der dürftigen Berichterstattung am Beginn der Probentage bis hin zu den ungeklärt fortfallenden Juryvotes während des Finales. Zusätzlich ein massives Bühnenbilddesaster und folgt man den Berichten der Vorortgewesenen und lässt deren Reisebegeisterung außer Acht offensichtlich unterdurchschnittliche Besucherbetreuung.
Ich habe keinen guten Eindruck von der diesjährigen Veranstaltung und es gibt sicherlich noch einiges mehr zu bemängeln. Die EBU hat da fürs nächste Mal noch so manches auf zu arbeiten.

cars10
cars10
1 Jahr zuvor

So kann man es auch machen: Gendern bis der Arzt kommt, und wenn denn Sanitäter benötigt werden, diese dann als „Mädels“ zu bezeichnen. Despektierlicher geht‘s kaum.
Wenn das die Sprachpolizei mitbekommt, nein, nein, nein.

Ironie aus.

tomudu
tomudu
1 Jahr zuvor
Reply to  cars10

Sicher, dass du auf ESC kompakt richtig bist und nicht langsam mal zum Blog des Vereins Deutsche Sprache wechseln solltest?

Thilo mit Bobby
Mitglied
Thilo mit Bobby
1 Jahr zuvor
Reply to  tomudu

Ich glaube er wollte auf ironische Weise aufzeigen das es etwas absurd wirkt wenn man auf der einen Seite eine Personengruppe versucht zu respektieren indem man gendert und im gleichen Text eine andere Personengruppe eher respektlos als „Mädels“ bezeichnet ohne Rick jetzt was unterstellen zu wollen

Thomas O.
Thomas O.
1 Jahr zuvor

Ein schöner Bericht aus der Fan-Perspektive, Danke!
Man konnte scheinbar vor Ort doch ordentlich Spaß haben.

Im TV sahen für mich die 3 Live-Shows perfekt wie immer aus, ohne das Insiderwissen aus ESC kompakt hätte ich nicht gewusst das irgendwas auf der Bühne nicht funktioniert wie geplant.

Und eigentlich war ich froh dass die LED Seite nicht zum Einsatz kam, denn das hat uns vor ganz vielen schlechten Grafiken bewahrt!

Dafür war die Lightshow um so besser, und darauf stehe ich viel mehr

Gaby
Gaby
1 Jahr zuvor
Reply to  Thomas O.

Deinen letzten beiden Sätzen kann ich nur zustimmen. Geht mir ganz genauso.

Werner
Werner
1 Jahr zuvor
Reply to  Thomas O.

Ging mir genau andersrum.
Die Live- Shows sahen ganz und gar nicht gut aus.
Vor allem weil man in der Halle hinter die Sonnenfinsternis blicken konnte und die geplanten LED- Einblendungen sah.
Mag sein, dass machen Grafiken nicht überragend waren, aber die improvisierten Anpassungen und das immer gleich langweilige Bühnenbild nur mit Scheinwerfer waren auch nicht gerade beeindruckend.
Ein Glück, dass die Delegationen viele unterschiedliche Farben wählten, das brachte zumindest etwas Abwechslung.
Man stelle sich vor, dieser Fauxpas wäre 2021 passiert. Da wüssten nur noch eingefleischte ESC- Fans , welche Dame sich gerade vor rosa blinkendem Licht räkelt.

togravus ceterum
Mitglied
togravus ceterum
1 Jahr zuvor

Schöner Bericht. Danke dafür! 🙂