Replay Rotterdam (7): Wie geht’s weiter in und mit Österreich?

EBU / THOMAS HANSES

Eigentlich sah es so aus, als würde die Formkurve von Österreich beim ESC noch oben zeigen. Nach vielen Halbfinal-Aus und Nicht-Teilnahmen zwischen 2005 und 2013 (mit Ausnahme von Nadine Beiler in Düsseldorf), brachte der Sieg von Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest 2014 die Wende. Beim Heim-ESC im Jahr danach lief es für die Makemakes zwar nicht so gut, aber dann folgten zwei Mittelfeldplatzierungen von Zoë und Nathan Trent sowie der überraschende 3. Platz von Cesár Sampson beim ESC 2018.

Wie gesagt, eigentlich sah es so aus, als würde die Formkurve von Österreich beim ESC noch oben zeigen. Doch jetzt ist Österreich gleich zweimal in Folge bereits im ESC-Halbfinale ausgeschieden, 2019 mit „Limits“ von Paenda und 2021 mit „Amen“ von Vincent Bueno. Auch beim abgesagten ESC 2020 standen die Zeichen auf Halbfinal-Aus und eine Qualifikation wäre sehr überraschend gewesen, aber das werden wir natürlich nie genau wissen.

Woran hakt es im österreichischen Auswahlprozess? Vor allem an der Songauswahl. Sowohl Paenda als auch Vincent Bueno waren und sind gestandene Acts, die ihre Beiträge bestmöglich auf die Bühne gebracht haben. Gleiches gilt auch für die jeweiligen Inszenierungen, die die Lieder optisch gut unterstützt haben. Nur: Das Songmaterial war nicht ESC-geeignet und zu unauffällig.

Das hat seinen Ursprung auch darin, dass sich der ORF in den letzten Jahren – und nicht nur im Corona-Jahr – frühzeitig auf einen Künstler oder eine Künstlerin festgelegt hat, ohne dass das entsprechende Songmaterial vorhanden war. Paenda selbst hat das 2019 im Interview mit uns geschildert. Darüber hinaus werden die Lieder teilweise bereits ausgewählt, wenn die Endversion noch gar nicht vorliegt. Wohin die Reise in der Nachproduktion dann geht – ungewiss.

Dabei liegt das Problem auch darin, dass in Österreich – als krassem Gegensatz zum deutschen System, wo alles sehr standardisiert ist – fast schon deliberativ über das Lied beratschlagt wird. Immer wieder wird von einer In-Group Feedback zum aktuellen Stand des Songs eingeholt, so dass es teilweise auch zu größeren musikalischen Änderungen kommt. Das hat sicherlich den Vorteil, dass am Ende eine große Geschlossenheit in der erweiterten österreichischen ESC-Bubble herrscht und (weitgehend) alle von dem Ergebnis überzeugt sind. Auf der anderen Seite kann das aber auch zu einer gewissen Betriebsblindheit führen.

In diesem Jahr hat sich dann zusätzlich gezeigt, dass es auch schief gehen kann, ausschließlich auf eine Voting-Instanz zu setzen. Nicht nur implizit sind viele Österreicher davon ausgegangen, dass „Amen“ doch zumindest bei den Jurys reüssieren würde, vielleicht sogar nahe an das Cesár-Sampson-Ergebnis herankommen könnte. Solche Kalkulationen (und auch versuche, alte Erfolge zu wiederholen) gehen meistens schief und dass weder die Televoter noch die Jurys gänzlich zu durchschauen sind, erleben wir Jahr für Jahr. Wenn man von vorneherein nur auf eine Hälfte der Punkte schielt, müssen die dann auch zwingend kommen und wenn sie das nicht oder nur begrenzt tun, geht die ganze Unternehmung schief.

Hoffen wir, dass der ORF in den kommenden Jahren weiterhin starke Künstler mit Potenzial findet und gleichzeitig auch einen Weg, diese Künstler mit zu ihnen passenden und gleichzeitig aussichtsreichen Liedern beim ESC antreten zu lassen.

Abschließend sei an dieser Stelle noch die Werbetrommel für Paenda und ihr aktuelles Minialbum „My Issues“ gerührt – sehr zu empfehlen!

Bereits in der Serie „Replay Rotterdam“ erschienen:

Unser Rückblick auf den ESC 2021
(1) Das waren die Fan Favourite Fails und Dark Horses des ESC 2021
(2) Måneskin aus Italien waren mit „Zitti e buoni“ auch die Televoting-Sieger
(3) Live-Blogs, Live-Blogs, Live-Blogs
(4) Der Corona-ESC
(5) Das Moderatoren-Team unter die Lupe genommen
(6) Wie der WWF mit dem ESC die Welt retten will


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16 Comments
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Gaby
Gaby
2 Jahre zuvor

Ich bin immer noch traurig, dass Vincent Bueno ausgeschieden ist. Er hätte das Finale verdient gehabt finde ich.😢

Nilsilaus
Nilsilaus
2 Jahre zuvor

Wenn man sich die österreichische ESC-Historie anschaut, ist deutlich abzulesen wie es im Artikel steht: mal obenauf, mal hintere Plätze, mal keine Teilnahmen…
Gerade bei den österreichischen Beiträgen fällt das besonders stark auf. Erst unternehmen die Österreicher alle Anstrengungen und das wird mit guten Platzierungen belohnt, dann auch wieder geben sie sich Null Mühe, dass wird abgestraft.
Oft fiel auf, dass die Begründungen der Nichtteilnahmen „an den Haaren herbeigezogen“ waren oder man könnte auch Zickigkeit sagen 😉

Andi
Andi
2 Jahre zuvor

Für mich ist es sehr undurchsichtig, wie der ORF seine Acts auswählt. Da ist Deutschland sogar transparent, obwohl der NDR auch immer ein großes Geheimnis macht. Jedenfalls hat Ö3 Mann Forcher offensichtlich viel Macht. Wer aber nun die Interpreten und Lieder auswählt, weiß wohl sogar in Österreich niemand.
Bueno hat eine tolle Performance hingelegt. Aber seine typische ESC- Hymne war vielen zu langweilig. Die anderen (Schweiz, Portugal und Schweiz) waren einfach besser und interessanter.
Paenda war ein Risikobeitrag. Das fand ich sehr gut und nach dem 3.Platz darf man auch mal was ausprobieren.

Matty
Matty
2 Jahre zuvor

Vincent Bueno hat einmal in einem Interview mit dem Portal meinbezirk.at geäußert, daß er sich erst einmal keinem Wettbewerb mehr stellt; eine Rückkehr zum ESC ist also erst einmal ausgeschlossen.

Gaby
Gaby
2 Jahre zuvor
Reply to  Matty

Na ja, das wundert ja erst mal nicht. Die Enttäuschung sitzt sicher noch tief.

Geno
Geno
2 Jahre zuvor

Vincent hätte das Finale verdient. Schade.

SanomiKedvesem
SanomiKedvesem
2 Jahre zuvor

Eigentlich fing es schon nach Zoe Straub (die Letzte, die durch VE gewählt wurde) zu kriseln an. Nathan erhielt nämlich viele Punkte von den Jurys, aber keinen einzigen von den Zuschauern. Und Cesar Sampson war zwar Juryfavorit, bekam aus dem Televoting aber auch nicht allzu viele Punkte. Auch wenn es am Ende zu Platz 3 gereicht hat.

Ehrlich gesagt, habe ich auch schon geahnt, dass Vincent das Halbfinale nicht überstehen würde. Aber schade finde ich es trotzdem für ihn, da stimme ich euch zu. Mal schauen, was wir von ihm und vom ORF noch hören werden…

Nick
Nick
2 Jahre zuvor

Als österreichischer ESC Fan seit 2011 sehe ich die Sache so: Es ist natürlich traurig das Österreich zweimal ausgeschieden ist, das Ende der Welt ist es aber nicht. Als Österreicher sind wir (mit Ausnahme vom Wintersport) sowieso bei nix wirklich erfolgsverwöhnt. Mein Wunsch: nicht aufgeben. Mit harter Arbeit klappts auch nächstes wieder mit der Final Qualifikation.

Ich sehe das Problem aktuell auch beim Auswahlverfahren: Österreich ist etwas müde vom Esc geworden. Man hatte ja erst „fünf erfolgreiche Jahre“ (2014-2018). Dabei liegt der Erfolg mit Conchita schon wieder 7 Jahre zurück. 2016 wurde zum letzten Mal eine Publikumsentscheidung abgehalten. Seit 2017 wurden die Teilnehmer von Eberhard Forcher ausgewählt. Die interne Auswahl sollte qualitativere Beiträge hervorbringen. Das hat man mit Nathan Trent, Cesar Sampson, Paenda und Vincent Bueno sicherlich geschafft, leider konnten alle nicht wirklich mit der internationalen Konkurrenz mithalten. Nathan und Paenda haben beide sogar einen 0er im Televoting kassiert. Bei Österreich wird da nicht weiter darüber geredet, bei Deutschland hätte das schon wieder einen riesen Wirbel in den Medien gegeben. Einzig allein Cesar Sampson konnte eine Mega Erfolg erzielen, das lag aber weniger am ORF, sondern mehr an dem guten Team hinter dem Beitrag.

Es wär an der Zeit den Auswahlprozess zu überarbeiten. Eberhard Forcher hat ne gute Arbeit geleistet, aber ich finde es gehört jemand neues an die Spitze. Wär auch gut wenn man mal wieder eine Publikumsentscheidung abhält. Durch die interne Auswahl ist natürlich auch das Interesse des Publikums etwas geringer.
Der ORF hat dieses Jahr auch wieder seine erfolgreiche Castingshow Starmania neu aufgezogen, die in den 00er Jahren sehr erfolgreich war. Esc Stars wie Nadine Beiler, Tom Neuwirth (alias Conchita) und Eric Papilaya haben hier beispielsweise den Start ihrer Karriere gehabt. Unter den diesjährigen Teilnehmern gab es auch einige vielversprechende Teilnehmer, die ich mir durchaus beim Esc vorstellen könnte.

Also lieber ORF: Bitte einfach weiter probieren. Das schlimmste wär sich jetzt aus dem Wettbewerb zurückzuziehen, wie es in den 00er häufig der Fall war, als Österreich nahezu chancenlos im Wettbewerb war. Aber das sind wir nicht mehr und deshalb hoffe ich wirklich das der ORF dran bleibt und dann klappts nächstes Jahr auch wieder mit dem Finale 🙂

uliiknulli
uliiknulli
2 Jahre zuvor

Stimmlich war das dieses Jahr schon sehr gut dargeboten von Vincent.
Mir persönlich war das irgendwie nur zu sehr aufgesetzt.

Ich hätte dann aber auch lieber Österreich als Moldau oder Serbien im Finale gesehen, aber so ist das Voting nun mal. Hoffentlich bringen sie nächstes Jahr wieder n Kracher wie 2011 oder 2016…

escfan05
escfan05
2 Jahre zuvor

Gesanglich war das ja gut, und den Song fand ich recht hübsch. Das Problem für mich war, das das alles bei Bueno so aufgesetzt wirkte. Ich nahm ihm seine Emotionen nicht ab. Das war z. Bsp. bei der Pravi ganz anders. Hoffe das der ORF dran bleibt.

Mariposa
Mariposa
2 Jahre zuvor
Reply to  escfan05

Hey, ich empfinde es genauso ! Zudem war „Amen“ leider zu sehr ESC-Standard made in Sweden. Mir gefiel es aber dennoch besser als Portugal.

Goynen 1967
Mitglied
Goynen 1967
2 Jahre zuvor

Ich war sehr überrascht über das Ausscheiden von Vincent. Mir hat der Auftritt sehr gut gefallen. Tatsächlich sind die Emotionen nicht so übergesprungen und der Song hätte noch etwas dynamischer sein können. Aber für mich hätten die Österreicher das Finale verdient gehabt.

Matty
Matty
2 Jahre zuvor

Die Ukraine hat heute offiziell ihre Teilnahme am ESC 2022 bestätigt:

https://eurovoix.com/2021/06/18/ukraine-eurovision-2022-participation/

Ob der Künstler intern oder per Vorentscheid Widbir ermittelt wird, ist offen.

Matty
Matty
2 Jahre zuvor

Schlechte Neuigkeiten kommen dagegen aus der Slowakei. Das Land wird im kommenden Jahr dem ESC erneut fernbleiben:

https://eurovoix.com/2021/06/18/slovakia-eurovision-2022-participation/

Zuletzt nahm das Land vor neun Jahren teil und hat auch eine Teilnahme am JESC ausgeschlossen.

Das Finale des niederländischen Vorentscheides Junior Songfestival findet am 25. September 2021 statt:

https://eurovoix.com/2021/06/18/junior-songfestival-2021-snippets/

Außerdem wurden auch schon die ersten Ausschnitte der vier Wettbewerbstitel veröffentlicht und ich bin gespannt, wie sich die in ganzer Länge anhören.

Matty
Matty
2 Jahre zuvor

Auch Schweden und Australien, das zum ersten Mal im Halbfinale ausschied, haben offiziell ihre Teilnahme am ESC 2022 bestätigt:

https://escxtra.com/2021/06/18/sweden-confirms-eurovision-2022-participation/

https://escxtra.com/2021/06/18/australia-confirms-eurovision-2022-participation/

Erfreulich auch, daß Australien wieder zum nationalen Vorentscheid zurückkehrt und wir damit nächstes Jahr wieder Material für das Lesergame SCC haben werden.

Chupacabra
Chupacabra
2 Jahre zuvor

Heuer wollte man kein Klagelied. Tut mir leid für Vincent Bueno, der in seinem Genre stark ist. Wir wollten Befreiung vom Covid-Biederen oder wirklich echt „Klassisches mit Klasse“ (Frankreich, Schweiz). Nicht umsonst sind Ukraine, Italien, Finnland, Island,… sehr stark gewesen. Paenda hätte mir gefallen, aber beim Auftritt in Tel Aviv berührte sie mich nicht. Für mich nachvollziehbar, warum NQ. Der Beitrag der Ukraine ist der einzige, den ich mir noch reinziehe. Team Shum.