Talking Tel Aviv (15): Die letzten Plätze. Oder: Was 2019 beim ESC nicht funktionierte

Foto: Andres Putting

„Nur Sieger steh’n im Licht, Verlierer sieht man nicht“, wusste schon Marianne Rosenberg in ihrer deutschen Fassung von ABBAs „The Winner Takes It All“. Deshalb widmen wir uns heute mal den Verlierern des Eurovision Song Contest 2019, so es die denn geben kann. Denn schließlich ist jeder ja irgendwie in seinem Heimatland ein Gewinner (gewesen), der nach Tel Aviv entsandt wurde. Was fehlte den Songs und Auftritten, um besser abzuschneiden? Wir schauen uns die letzten fünf Plätze in den beiden Halbfinalen an, sowie die Acts der Big 5 und Israel im Finale.

Erstes Halbfinale 

Die letzten fünf Plätze von hinten nach vorn: Darude (Finnland), D mol (Montenegro), Conan Osíris (Portugal), Oto Nemsadze (Georgien) und Eliot (Belgien). Die Juroren sahen Conan Osíris sogar noch hinter dem finnischen DJ, während die Zuschauer den Portugiesen sogar auf Platz 12 voteten – verrückte Welt in Anbetracht der vergleichsweise anspruchsvoll-künstlerischen Darbietung. Dafür werteten die Jurys Serhat mit seinem Gute-Laune-Song „Say Na Na Na“ nicht ganz unberechtigt recht weit nach hinten. Die Zuschauer hievten ihn jedoch sogar ins Finale.

Foto: Thomas Hanses

Abgesehen vom (womöglich nicht genug) polarisierenden „Telemóveis“ aus Portugal waren sich die beiden Wertungsgruppen aber einig: DJs haben beim ESC ausgedient, erst recht, wenn sie nur musikalische Hausmannskost aus den 90er-Jahren präsentieren. Eine durchaus begabte Gesangsgruppe im Ralph-Siegel-Stil kann ihr 80er-Jahre-Liedchen auch mit Ethno-Einsprengseln nicht retten. Der georgische Beitrag „Keep On Going“ zeigt, dass Zuschauer und Juroren bei allem Wohlwollen schnell die Lust an einem Beitrag verlieren, wenn man weder über den Text, noch musikalisch, noch emotional oder über die Darbietung oder den Künstler auch nur einen minimalen Zugang angeboten bekommt.

Foto: Thomas Hanses

Das Abschneiden von Eliot aus Belgien ist da vielleicht nicht ganz so einfach zu erklären. Ist der melancholische Elektropop beim ESC totgeritten? Waren Elito die Schuhe Jacke einfach zu groß? Fehlte ihm Charisma? Passten die Trommler einfach nicht zum Auftritt? Letztlich scheiterte er womöglich am selben Problem wie der Georgier: es gab keinen persönlichen oder emotionalen Zugang zum Song und dem sehr jungen Künstler.

Foto: Thomas Hanses

Zweites Halbfinale 

Auch hier die letzten Plätze von hinten nach vorn: Sarah McTernan (Irland), Pænda (Österreich), Srbuk (Armenien), Carousel (Lettland) und Roko (Kroatien). Riesige Abweichungen gab es dabei zwischen Juroren und Zuschauern nicht. Gut, aus dem Televoting bekam die Österreicherin keinen einzigen Punkt. Dafür waren die Zuschauer für den kroatischen Engelskitsch von Roko aufgeschlossener. Den größten Unterschied gab es (erwartungsgemäß) aber bei Litauen, das in der Bottom-5 gar nicht auftaucht: Die Juroren sahen Jurij Veklenko auf dem vorletzten Platz. Die votingstarke litauische Diaspora brachte ihm im Televoting jedoch auf Rang 8.

Foto: Andres Putting

Sarah McTernan stolperte – für die meisten erwartungsgemäß – über ihren unauffälligen Song, der auch durch eine kunterbunte, aber dennoch langweilige Performance nicht gerettet werden konnte. Langweilig und für die Zuschauer unemotional waren auch die Acts von Pænda und Carousel. Gerade den lettischen Beitrag hat man in ähnlicher Form schon auf diversen Stadtfesten mittelgroßer Städte erlebt – und das deutlich lebendiger.

Foto: Andres Putting

Die Armenier scheinen etwas das Gespür für den ESC verloren zu haben. Da haben sie mit Srbuk eine talentierte Vollblutkünstlerin und dann lassen sie sie eine Poprocknummer singen, die niemanden berührt. Die Aktion, die Aussage des Liedes mit einer Kamerafahrt über die leere Halle zu untermalen, war wohl der größte Schuss in den Ofen und ließ im Pressezentrum wirklich alle ratlos zurück. Zu verkopft und nicht nachvollziehbar – und damit aussichtslos.

Foto: Thomas Hanses

Bleibt das Rätsel Kroatien. Zumindest ist es das für mich. Denn eigentlich hatte der Beitrag alles, um es zumindest ins Finale zu schaffen: Ein – nunja – interessanter Künstler mit einer großartigen Stimme, eine im positiven Sinne klassische Ballade und eine herrlich kitschig-überdrehte Inszenierung mit leichtverständlichen Stilmitteln. Warum schnitt das nicht besser ab? War einfach die Konkurrenz zu stark? Immerhin spielte Sergey Lazarev im selben Halbfinale in einer ähnlichen Liga und mit den nordmazedonischen und moldawischen Beiträgen gab es ebenfalls starke Konkurrenz im Lager der klassischen Ballade.

Finale

Zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk landeten wieder einmal mehrere Big-5-Länder sowie der Gastgeber auf den letzten Plätzen im Finale: Großbritannien letzter, Deutschland vorletzter, Gastgeber Israel viertletzter und Spanien fünftletzter. Der Direktqualifikation dieser Beiträge heftete auch in diesem Jahr nicht besonders viel Erfolg an. Dabei waren die Nieten für Großbritannien, Deutschland und Israel abzusehen und von den Fans und Wettbüros erwartet. Lediglich Spanien (Foto unten ) wurde nur aufgrund des letzten Platzes bei den Juroren so weit nach hinten durchgereicht.

Über den leider berechtigten vorletzten Platz Deutschlands haben wir bereits viel diskutiert. Michael Rice entging einem „I’m sorry … zero points“-Desaster bei den Zuschauern nur aufgrund von drei Punkten aus Irland. Dort dürfte er durch seine The X Factor-Teilnahme und seinen Sieg bei der BBC-Musikshow All Together Now vereinzelte Fans haben. Ansonsten war der nette, aber unauffällige Song von einem weitgehend uninspirierten Auftritt, der so auch bereits in den 1980er Jahren hätte erfolgen können, begleitet und somit chancenlos. Über Michaels fehlendes Charisma haben wir da noch gar nicht gesprochen.

Noch übler als dem Spanier Miki spielten die Juroren dem Israeli Kobi Marimi mit – allerdings nicht ganz unberechtigt. Sein Song „Home“ war schon vor dem Schreiben veraltet – und zwar seit Jahrzehnten. Da half der Freddy-Mercury-Gedächtnisauftritt auch nicht viel. Für mich persönlich schade, weil ich dem Titel durchaus etwas abgewinnen konnte. Objektiv aber völlig aus der Zeit gefallen.

Fazit 

Der kurze Blick auf die weniger erfolgreichen ESC-Beiträge dieses Jahrgangs zeigt eigentlich kaum etwas Neues, sondern bestätigt das Wissen und die Erfahrung der letzten Jahr(zehnt)e: veraltete Songs, uninspirierte oder künstlerisch verkopfte Beiträge und Acts, die keinen inhaltlichen und emotionalen oder – schlimmer noch – gar keinen Zugang zulassen, werden beim ESC nach hinten durchgereicht. Wenn es den Interpreten dann auch noch an Charisma mangelt, ist alles vorbei. Eigentlich ganz einfach. Dumm nur, dass einem das meist erst hinterher wieder einfällt.

Wie seht Ihr die letzten Plätze in diesem Jahr? Waren sie vorhersehbar? Und was war der Grund für das schwache Abschneiden? Diskutiert gern mit!

Bereits erschienene Talking-Tel-Aviv-Folgen

(1) Duncan Laurence, der lachende Dritte
(2) Leider ein berechtigter vorletzter Platz für Deutschland
(3) Dynamisches, emotionales und farbenfrohes Opening des Finals
(4) Braucht’s wirklich vier Moderatoren?
(5) Mehr ist mehr – aber nicht beim Pausenact
(6) Nordmazedoniens erster ESC-Sieg – bei den Juroren
(7) Sind KEiiNO die wahren ESC-Sieger?
(8) Muss man den eigenen Beitrag unterstützen?
(9) Macht’s die neue Punktevergabe spannender – und gerechter?
(10) Peter Urban – die (bereits zu?) langjährige Stimme des ESC
(11) Dana International und die schwulste Kiss Cam der Welt
(12) Interne Auswahl oder Vorentscheidung – was brachte mehr Erfolg?
(13) Von wegen zeitgemäß! DJs haben beim ESC keine Chance
(14) Wieder gewinnt ein minimalistischer Auftritt – ein neuer Trend?


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31 Comments
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Kiebich
Kiebich
4 Jahre zuvor

…jeder ESC Teilnehmer ist ein Gewinner. So gut und wichtig das Du hast jetzt hier , in Deinem Bericht, ansprichst und zum Thema machst !!!

Kiebich
Kiebich
4 Jahre zuvor

…So gut und wichtig, dass Du es ansprichst und zum Thema machst !!! I

Karin
Karin
4 Jahre zuvor

Ich glaube, dass die Beiträge der Big 5 und des Gastgeberlandes auch in den Semis ganz vorgestell werden müssen, z.b. als Pausenact, damit sie beim Zuschauer genauso bekannt sind, wie die anderen Semifinalbeiträge.

Roi und Soldi waren schon mehr bekannt wegen des Hypes um die Lieder und Personen.

Feststeht aber auch, das irgendjemand letzter werden muss, das ist das Spiel.

stefanohh
stefanohh
4 Jahre zuvor
Reply to  Karin

Gute Idee, nach dem Ende des Televotes sind 12 Minuten locker möglich, Auftritt live inkl. Postkarte.

Benjamin Hertlein
Admin
4 Jahre zuvor
Reply to  stefanohh

Also ich fände das nicht fair. Man will sich dem Halbfinale nicht stellen, soll dann aber sein komplettes Lied präsentieren können?

4porcelli - Si yo quiero tu quieres
4porcelli - Si yo quiero tu quieres
4 Jahre zuvor
Reply to  stefanohh

Das Argument, dass die Big 5+Gastgeber benachteiligt werden, weil sie nicht im Semi auftreten, wird ja immer wieder gebracht. Das Problem ist doch primär, dass die Songs gerade in diesem Jahr mit Ausnahme von Italien alle Schrott waren und sicher nicht besser abgeschnitten hätten, wenn die Zuschauer sie 2 mal gesehen hätten.

porsteinn
Mitglied
porsteinn
4 Jahre zuvor
Reply to  stefanohh

@ 4porcelli

Eben. Außerdem hat Lena auch gewonnen ohne einen kompletten Halbfinalauftritt absolviert zu haben.

Thomas M. (mit Punkt)
Thomas M. (mit Punkt)
4 Jahre zuvor
Reply to  stefanohh

… und das auch noch mit einem Lied, welches für mich das war, was die Big 5+Gastgeberlieder mit Ausnahme von Italien in diesem Jahr für 4porcelli – Si yo quiero tu quieres waren.

Frédéric
Frédéric
4 Jahre zuvor

Ein Vergleich zwischen Telemóveis und Proud hebelt das Argument „veraltet“ komplett aus. Es lässt sich wie so oft keine einfache Erklärung finden (was mich betrifft, auch bei Sister nicht).

Sehr spannend finde ich das stetig schlechte Abschneiden der „Privilegierten“ (Big5 + Gastgeber), die ja überwiegend durch großes Publikum und Juries zum ESC gewählt wurden. Warum ragt Italien dabei so heraus? Hängt es mit der jeweiligen nationalen Popularität des Vorentscheids zusammen? Auch hier ist es wahrscheinlich komplizierter, aber ich bin gespannt, ob bzw. wann ein Big5 Land mal im Semifinale antritt (und ob die EBU das überhaupt zulassen würde).

Ist denn schon entschieden, ob es für die Niederlande eine Vorentscheidung geben wird? Ich kann mich nicht entsinnen, wann es das letzte mal einen intern nominierten Gastgeber-Beitrag gab.

Branko
Branko
4 Jahre zuvor
Reply to  Frédéric

Bei Italien liegt es vielleicht auch am Italienischen. Viele Menschen haben eine Schwäche dafür. Es klingt einfach toll und die Songs, die sie schicken sind fast immer spitze.

floppy1992
Mitglied
4 Jahre zuvor
Reply to  Frédéric

Zuletzt komplett intern gewählte Gastgeber waren Eden mit „Happy Birthday“ 1999. Ich denke aber, dass die Niederlande ihren Modus fortsetzen werden, schließlich ist man durch die internen Wahlen insgesamt gesehen so erfolgreich wie seit den frühen ’70ern nicht mehr und es hatte schließlich gute Gründe, den VE abzuschaffen. Außerdem wird sich die Art Künstler, die man beim Sender so im Auge hat, wahrscheinlich keinem Vorentscheid stellen wollen.

Tamara
Mitglied
Tamara
4 Jahre zuvor

Bei Eliot kann ich mir das Scheitern ganz einfach erklären: Er hat seinen Auftritt amtlich versemmelt. Dazu kam die letzte Startnummer, bevor im Semi 1 der Wahnsinn losging. Die beiden Sachen zusammen haben sein Schicksal wohl besiegelt. Er war wohl einfach zu unerfahren. Lasst ihn in fünf Jahren nochmal antreten, dann wird das besser.

ESCFan2009
ESCFan2009
4 Jahre zuvor

Um es in porsteinn’scher Manier zu sagen: Ich hatte mein Trauma um Eliot und Roko gerade verdrängt… 🙁 😂
Und Paenda auch noch! 3 tolle Künstler mit wirklich guten bis sehr guten Songs („Limits“ ist ein Masterpiece und mein dritter Platz 2019!)…
Was die Big 5 angeht: ausgerechnet mein Lieblingsbeitrag aus Italien platzierte sich am schlechtesten (hatte aber auch Live-Performance-Gründe): Emma Marrone 2014 ❤

porsteinn
Mitglied
porsteinn
4 Jahre zuvor
Reply to  ESCFan2009

Paenda war tatsächlich sträflich unterbewertet. Bei Eliot und Roko kann ich es mir zumindest noch erklären.

Peter Philipp
Peter Philipp
4 Jahre zuvor

Guten Tag @ ???

DEIN SCHREIBEN ist bei mir angekommen.
Jeder Mensch ist verantwortlich für sein handeln, Du auch.

Mit Freundlichen Grüßen aus der H . . . . . . Str. 6

4porcelli - Si yo quiero tu quieres
4porcelli - Si yo quiero tu quieres
4 Jahre zuvor

Zu Portugal und Kroatien: Beide waren als Zirkusnummern in Karnevalskostümen inszeniert, so dass der erste Eindruck nicht gerade positiv war. Und Conans 12. Platz bei den Zuschauern würde ich nicht als besonders positiv hervorheben; schließlich gab’s 2×12 von Nachbarn und Diaspora in Spanien und Frankreich. Auch hier fiel es den meisten Zuschauern offensichtlich schwer, auf irgendeiner Ebene einen Zugang zu finden.

shoutie
Editor
4 Jahre zuvor

Meiner Meinung nach sind die meisten hinteren Plätze ganz gut zu erklären (so wie es Douze Points ja auch schon recht treffend gemacht hat).

Eliot aus BELGIEN hat seinen Auftritt einfach stimmlich extremst vergeigt. Hinzu kommt der irgendwie schwierige Song (super Strophen, enttäuschender Refrain) und das Staging, bei dem irgendwie nichts zusammenpasste und der auch nicht zum Lied passte.

Roko aus KROATIEN konnte zwar singen und der Auftritt war zweifelsfrei „auffallend“ – aber beides so weit drüber, dass es eher zur Lachnummer wurde als ernstgenommen zu werden. Und vielleicht ist das eine neue Lehre des ESCs: Nur noch trashig funktioniert nicht (mehr) – zumindest nicht mehr, wenn genug andere wählbares entsenden.

Für PORTUGAL finde ich es persönlich schade, aber auch erklärbar. Natürlich war das ein Beitrag der eher verstörte, als sich an gewohntes Hörverhalten anbiederte. Und gerade deshalb erstaunt es mich, dass die Zuschauer dafür mehr übrig hatten als die Jurys. Schlussendlich geht das schlechte Abschneiden aber in Ordnung – denn beim Auftritt passte einfach nichts mehr zusammen (extrem schlechte Kostümierung, viel zu dunkler Auftritt, durch den „schwarzen Bart“ wirkte Conan sehr unsympathisch, Verletzung des Tänzers, usw…) – was gerade für einen solch ungewöhnliche Act einem Todesurteil gleich kommt.

Und dann SPANIEN. Ehrlich gesagt war ich entsetzt, was die spanische Delegation aus diesem Beitrag gemacht hat. „La Venda“ ist wahrlich kein Meisterwerk, überzeugte beim Vorentscheid aber durch eine „echte Inszenierung“ und Lebensfreude. Schon der Revamp deutete an, dass die „echte Instrumentalisierung“ in den Hintergrund gedrängt wird. Die Inszenierung auf der Bühne hat dann aber den Vogel abgeschossen: Aus der eigentlichen Lebensfreude wurde ein schlecht geschauspielerter und tot-choreographierter Auftritt, bei dem sogar das Winken durchgetaktet wurde.

Wenn man es nicht schafft das Gute in seinen Beiträgen sichtbar zu machen, dann darf man sich eben auch nicht wundern, wenn es dafür keine oder wenig Punkte gibt.

Gaby
Gaby
4 Jahre zuvor
Reply to  shoutie

Anfangs gehörte Spanien zu meinen Favoriten, vom Auftritt war ich aber doch sehr enttäuscht. Der Song hätte aber eine wesentlich bessere Platzierung verdient gehabt, meiner Meinung nach.
Da wurde inszenierungstechnich einiges versemmelt. Schade drum.

Thomas M. (mit Punkt)
Thomas M. (mit Punkt)
4 Jahre zuvor

„Nur Sieger steh’n im Licht, Verlierer sieht man nicht“. Grundsätzlich ist es ja sympathisch, die „Verlierer“ ins Licht zu rücken, wenn man dann allerdings nur die schwächeren Aspekte der Auftritte beleuchtet und das, was positiv war, außer acht lässt, sodass die hintere Platzierung als „gerecht“ (Ihr habt ja u.a. auch die Formulierung „zu Recht“ benutzt) zementiert wird und „wissenschaftlich“ objektiviert erscheint, dann würde ich als Verlierer die Sieger gerne allein im Licht lassen (wobei „Sieger“ auch wieder relativ ist; man könnte ja auch fragen „Warum hat’s für „Soldi“ nicht auf die 1 gereicht?“ „Warum hat ‚Arcade‘ weder die Jury- noch die Televoting-Wertung gewonnen?“ und ähnlichen Unsinn).

Selbst wenn bei allen Beiträgen alles „funktioniert“ hätte, hätte es vordere und hintere Plätze gegeben. Jeder hat seine eigenen Gründe, warum ihm/ihr dieser Titel besser gefällt als jener. Meist ist es der persönliche Musikgeschmack. Die Idee, dass es an irgendwelchem Versagen liegt, dass es für einen Titel nicht so viele Punkte gab, missfällt mir zutiefst (ich denke, diese Casting-Shows mit ihren entsetzlichen Jurys haben über viele Jahre zu solch einem „Leistungssport“-Denken beigetragen), ebenso der Gedanke, dass man ein Erfolgsrezept für eine vordere Platzierung erstellen könnte.

Ich habe mich (bis auf Platz 10) über fast alle Final-Beiträge in diesem Jahr gefreut; und vielleicht ging es einigen anderen auch so. Man kann halt nicht für alle Titel anrufen, und da entscheidet dann eben der persönliche Geschmack, und über den lässt sich nicht streiten. Meine Hauptfavoriten waren übers ganze Feld verteilt: 2, 9, 12 und 25 (das ist im Vergleich zu anderen Jahrgängen eher überdurchschnittlich), wobei mir von den Auftritten der Höchstplatzierte dieser Vier am wenigsten gefallen hat.

Ich geb‘ zu, dass mein großer Favorit vor dem ESC, Kroatien, durch den Auftritt ein paar Sympathien bei mir verloren hat, also könnte ich sagen, das hat aus meiner Sicht „nicht funktioniert“; allerdings gab es hier im Forum auch gegenteilige Stimmen, die meinten, dass durch die Inszenierung noch das Beste aus diesem „altmodischen“ Lied herausgeholt worden sei.

Gaby
Gaby
4 Jahre zuvor

Stimme Dir vollkommen zu. Dem gibt es nichts mehr hinzuzufügen.

Thomas M. (mit Punkt)
Thomas M. (mit Punkt)
4 Jahre zuvor

Danke, Gaby! Ich war allerdings an zwei Stellen etwas schludrig:

Die im Blogeintrag verwendete Formulierung war nicht „zu Recht“, stattdessen gab’s ein „nicht ganz unberechtigt“ und ein „leider berechtigt“ (ist ja ungefähr das Gleiche, aber wenn ich schon zitiere, sollte ich’s auch korrekt machen).

Es wurde auch nicht ALLES Positive außer acht gelassen: Immerhin kam ein „Verlierer“ recht gut weg, danke für die netten Worte zum kroatischen Beitrag! Und außerdem sind „80er Jahre“, „Ralph-Siegel-Stil“ (sehe ich bei D-Mol übrigens nicht) und „völlig aus der Zeit gefallen“ m.E. keine negativen Attribute, auch wenn sie wohl als solche gedacht waren.

escfan05
escfan05
4 Jahre zuvor

Bei Deutschland hat das Televoting nicht funktioniert. Das sollte man dann optimieren.Und nein, ich bin dagegen das Deutschland durchs Halbfinale muss, erst recht, wenn der Mitgliedsbeitrag von Deutschland nicht gesenkt wird. Kann ja nicht sein, das Deutschland mit am meisten zahlt und man dann noch durchs Halbfinale muss.

cars10
cars10
4 Jahre zuvor

Lieder müssen immer im gesamten Kontext gesehen werden und die Papierform hilft da wenig weiter. Nach dem ersten Durchhören aller Lieder (wenn sie denn alle feststehen), ist relativ sicher und klar, wer die Erfolgreicheren und wer die Langweiler sind, Abweichungen einkalkuliert (zB Österreich, Portugal).
Fazit: Shit in, shit out. So einfach.

Rainer 1
4 Jahre zuvor

Eine jahr fast komplett ohne überraschungen. Die ersten fünf waren von anfang an gesetzt, fast gleich wie die letzten fünf. Das österreich, georgien, israel, irland und deutschland ganz hinten landen, waren sich doch die allermeisten einig. Und, endlich darf ichs sagen, mein mit abstand letzter platz war österreich. Unmelodiöser song, schlimme fiepse-stimme und schwarze kleider auf schwarzen hintergrund geht gar nicht.

togravus ceterum
Mitglied
4 Jahre zuvor

Ich bin ja ein großer Fan von allem was verkopft daherkommt und habe Portugal nach wie vor in meinen TOP 3. Allerdings müssen verkopfte Beiträge beim ESC so dargeboten werden, dass die Juroren und Zuschauer einen Zugang finden. Ich sage nur: Anouks Lächeln und ihre niedlichen Grübchen. Conans Varankostümierung und furchteinflößender Plastikbart haben eine Barriere aufgebaut. Deshalb ist das schiefgegangen.

Ganz schlimm finde ich Beiträge wie Weißrussland, Israel und UK dieses Jahr. Norwegen und die Schweiz waren musikalisch keinen Deut besser, wurden aber durch eine ansprechende Präsentation gerettet. Bleibt trotzdem alles musikalischer Schrott. 😉

Frédéric
Frédéric
4 Jahre zuvor

@ 4porcelli
Nun, welche Titel „Schrott“ sind und welche nicht, darüber könnte man sich endlos streiten. Fest steht schon mal, dass Roi signifikant besser weg kam, als La Venda, Sister, Bigger Than Us und Home. Und dennoch fällt auf, dass ausser Italien die meisten Big5 + Gastgeber Beiträge eher enttäuschend abschneiden. Ein „Italienisch klingt einfach toll“ reicht mir als Erklärung nicht aus (zumal Französich oder Spanisch dann auch wesentlich besser wegkommen müssten).
Im Gegensatz zum Rest hat Italien allerdings einen mehrtägigen und (mit Abstrichen) angesehenen Traditionswettbewerb, der auch international interessiert – etwas wovon zumindest UK und unsereiner nur träumen kann. Zumindest Frankreich scheint da auch auf einem guten Weg zu sein.


Ich mag mich täuschen, aber mein Eindruck ist, dass es bei Siegerländern eine gewisse Neigung gibt, den auszutragenden Wettbewerb mittels öffentlichen Vorentscheid noch etwas mehr zu zelebrieren. Ein Zusammenhang zwischen interner Selektion und Erfolg beim ESC ist meines Wissens immer noch nicht nachgewiesen – auch für die Niederlande nur bedingt (von 2007-2011 wurden zumindest die Künstler intern ausgewählt).

floppy1992
Mitglied
4 Jahre zuvor
Reply to  Frédéric

Die meisten Gastgeber haben einfach Business as usual gemacht und das Konzept, das ihnen im Vorjahr den Sieg gebracht hat, fortgeführt oder hatten sowieso ein sehr etabliertes Vorentscheid-Konzept. Die Ausnahmen in den letzten 20 Jahren waren die Türkei 2004 (interne Auswahl -> Song-Only-VE), die Ukraine 2005 (interne Auswahl -> sehr ausgedehnter klassischer VE), Deutschland 2011 (Castingshow -> Song-Only-VE) und Österreich 2015 (interne Auswahl -> ausgedehnter klassischer VE); von einem verstärkten Zelebrieren kann man eigentlich nur in den letzten drei Fällen sprechen (für Deutschland war das Format immerhin etwas ganz anderes); in der Ukraine gab es seinerzeit sogar 15 Semis mit je fünf Teilnehmern!
Eine Kausalität zwischen interner Nominierung und Erfolg gibt es tatsächlich nicht, das ist richtig. Für die Niederlande läuft es aber seit Begin der kompletten internen Nominierung deutlich besser als zuvor. Das liegt aber meiner Meinug nach nicht am Modus an sich, sondern daran, dass bei den Verantwortlichen ein musikalischer Paradigmenwechsel stattgefunden hat und man nicht mehr auf eher seichten Radiopop mit mehr oder weniger Schlager-Einschlag setzt, sondern zunächst auf etablierte Künstler, die für „mutigere“ Musik stehen, gekommen ist. Da die sich aber seit 2015 auch für eher rückwärtsgewandtes Material entschieden haben und der Erfolg entsprechend nachließ (wenn man auch über dem Niveau von vor 2013 geblieben ist), hat man das Konzept für dieses Jahr modifiziert, um wieder mehr Einfluss auf den Song zu haben und lag damit genau richtig.
Selbstverständlich würde ich mich auch darüber freuen, wenn man den Hype nutzt und mal wieder ein klassisches „Nationaal Sonfestival“ veranstaltet, als Fan sind VEs ja immer spannender als Anfang März vor den Latz geknallte Videos, aber beim jetzigen Team, das durchaus den Ehrgeiz haben dürfte, nicht wie die letzten Gastgeber abzustürzen, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass man so weiter macht wie bisher.

Karin
Karin
4 Jahre zuvor

@Benjamin Antwort leider etwas spät, finde es eher unfair, dass die Big5 und Gastgeber nur einmal ihr Lied komplett vorstellen können, wir kennen ja den Effekt des Schön hörens.

Das die Big5 und Gastgeber für das Finale gesetzt sind, ist ja nun eine ganz andere Geschichte, dann müsste man ja sagen, es ist nicht okay sich den Eintritt ins Finale zu erkaufen, wobei sich dann aber wiederum die Frage stellt, wer soll den ESC denn finanzieren, wenn nicht die Big5. Würde er überhaupt ohne das Geld der Big5 stattfinden ?

Vielleicht könntet ihr mal einen Artikel über den ganzen Finanzierungshintergrund bringen und wie doof es ist nicht mitmachen zu dürfen, obwohl man zum grössten Geldgeber der Veranstaltung gehört, siehe ESC 1996 Leon mit Planet of blue

Übrigens fand ich UK total gut, eine echte Hymne im alten Stil

Frédéric
Frédéric
4 Jahre zuvor
Reply to  Karin

Natürlich kann es in einzelnen Fällen von Vorteil sein, den Song schon im Halbfinale performen zu können, aber zum einen bleibt das Gegenbeispiel Italien und auf der anderen Seite fühlt es sich auch einfach unsportlich an, nur wegen dem Geld ins Finale zu kommen. Man stelle sich mal vor, Katar würde 2022 die Gruppenphase der WM überspringen – Geld genug wäre wohl da …

Gute Erfolgs-Aussichten bekommt man eher mit einem Händchen für die richtigen Acts (siehe floppys Ausführung zur Entwicklung der Niederlande), aber vielleicht auch mit der richtigen Stimmung im Lande in Bezug auf den ESC. Da fürchte ich, dass der NDR die Situation nicht so recht in Griff bekommt. Klar gab es in den letzten 10 Jahren immer wieder mal okaye Acts im dt. VE, aber von einem Vorentscheid, an dem auch etalblierte Acts gerne teilnehmen, und zwar unabhängig von der Frage, ob sie gewinnen, sind wir noch weit entfernt (man könnte meinen Lichtjahre …).

Jorge
Jorge
4 Jahre zuvor
Reply to  Frédéric

Katar muss sich nicht für das ENDturnier qualifizieren. Soviel zum Thema Fussballvergleiche.

Matty
Matty
4 Jahre zuvor

Nachdem der diesjährige Gastgeber Israel seine ESC-Teilnahme für das kommende Jahr bestätigte, gibt es nun erste Details. Die Castingshow „HaKokhav HaBa L’Eurovizion“ wird erneut als Vorentscheid für die Suche nach dem Künstler fungieren. In einer zweiten Show soll der passende Wettbewerbsbeitrag dafür gefunden werden:

https://escxtra.com/2019/07/15/israel-2-selection-shows-confirmed-for-2020-participation/

Das Verfahren sollte dieses Jahr schon angewendet werden, doch KAN entschied sich dann doch für eine interne Auswahl.