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Kalush Orchestra aus Ukraine im Interview: „Tut alles, damit dieser Krieg so schnell wie möglich endet“

Ukraine steht beim diesjährigen Eurovision Song Contest ganz besonders im Fokus.  Auch, weil der ESC-Beitrag „Stefania“ in den Wettquoten aktuell auf Platz 1 liegt, aber vor allem, weil in dem Land seit mittlerweile schon mehr als zwei Monaten Krieg herrscht. Trotzdem kann das Kalush Orchestra glücklicherweise am ESC in Turin teilnehmen.

Beim Pressenachmittag von Eurovision in Concert war der Andrang auf die Gruppe bzw. vor allem auch auf Rapper Oleh, der die meisten Interview alleine übernommen hat, aus den oben genannten Gründen sehr groß (Aufmacherfoto mit William Lee Adams von wiwibloggs) und so haben wir uns dazu entschlossen, unsere Fragen nachträglich schriftlich einzureichen. Danke an die Head of Press Olga, die das möglich gemacht hat, und danke natürlich auch an die Band, die sich die Zeit für die schriftliche Beantwortung genommen hat.

ESC kompakt: Wir können uns kaum vorstellen, wie das für Euch sein muss, bei den Eurovision-Events zu sein, während in der Ukraine Krieg herrscht. Wie fühlt sich das für Euch an?

Kalush Orchestra: Natürlich macht sich jeder von uns Sorgen um unser Land, unsere Familien und Freunde, die jetzt in der Ukraine sind. Was wir alle jetzt am meisten wollen, ist, dass dieser Krieg endet. Außerdem fühlen wir uns von den Fans großartig unterstützt. Es ist wegen des Krieges in der Ukraine sehr schwierig für uns. In Amsterdam sind wir mit einem Aufruf zur Unterstützung und zur Spende für den humanitären Fonds der Ukraine aufgetreten. Es gab eine Menge Leute, die auf uns zugekommen sind und ihre Unterstützung, Worte des Glaubens und der Ermutigung mit uns geteilt haben.

Was hat Euch dazu bewogen, trotz der schrecklichen Situation in Eurem Land sowohl an den Prepartys als auch am ESC selbst teilzunehmen?

Ich sehe, dass ich durch meine Aktivitäten und durch meine Musik meinem Land nützlich sein kann. Ich fühle mich wie eine Person, die dem Land nützt, weil die Ukraine jetzt Unterstützung braucht. Wir haben die Erlaubnis, diese Pressetour zu machen, auch für den ESC. Außerdem hatten wir nicht nur die Gelegenheit, zum ersten Mal in der langen Kriegszeit mit der ganzen Band auf der Bühne zu stehen, sondern wir geben auch viele Interviews, in denen wir die Wahrheit über den Krieg in der Ukraine erzählen. Wir haben bei dieser Reise außerdem Spenden gesammelt, um unser Land zu unterstützen.

Es gibt viel Solidarität in Deutschland, in Europa, in vielen, vielen anderen Ländern. Hilft das in irgendeiner Art?

Wir sind allen für diese herzliche Unterstützung dankbar, wir wissen das zu schätzen. Das braucht unser Land jetzt mehr denn je.

Gibt es eine Botschaft, die Ihr mit Deutschland und der Welt teilen möchtet?

Ich möchte, dass die Menschen in Europa auf die ukrainische Musik achten, wie sie ist – authentisch, einzigartig, mit ihrer eigenen Handschrift. Diese Musik sollte auf der Weltbühne sein.

Wenn wir über unser Land sprechen, was uns alle schmerzt, dann möchte ich, dass alle Menschen das nicht als einen Kriegsfilm sehen, der sie nichts angeht, so als würde ihnen das niemals passieren. Denn wenn man von den Explosionen aufwacht, erkennt man, dass der Krieg bereits da ist und die Ukraine in der Mitte Europas ist. Deshalb bitten wir alle, über die aktuelle Situation zu sprechen, in den sozialen Netzwerken zu schreiben und Menschen zu markieren, die Entscheidungen treffen. Wenn es Kundgebungen zur Unterstützung der Ukraine gibt – geht hin. Tut alles, damit dieser Krieg in unserem Land so schnell wie möglich endet und nicht bei Euch beginnt.

Wie ist in diesem Zusammenhang Euer Beitrag „Stefania“ zu verstehen?

„Stefania“ ist ein Lied, das lange vor dem Krieg für Olahs Mutter geschrieben wurde. Er hat ihr nie einen Song gewidmet, obwohl er das schon lange wollte. Sie lebt in Kalush, ihrer Heimatstadt im Westen der Ukraine. Das ist das Beste, was er je für sie getan hat.

Der Song besteht aus einer Mischung aus Rap-Strophen, einem Folk-Refrain und fesselnden Hip-Hop-Beats. Das Lied enthält ein altes ukrainisches ethnisches Instrument – die „Telynka“, eine Flöte.

Nach dem Einmarsch der Russen haben viele Menschen begonnen, nach einer zusätzlichen Bedeutung in dem Lied zu suchen. Zum Beispiel diejenigen, die traurig sind, dass sie ihre Mutter gerade nicht sehen können. Deshalb ist das Lied jetzt in den Herzen und Ohren der Ukrainer.

Was erwartet Ihr von Eurer Zeit in Turin und dem ESC selbst?

Erstens ist die Teilnahme am ESC eine Gelegenheit, unsere Kultur auf internationaler Ebene zu präsentieren und die Stärke des ukrainischen Geistes und Mutes auch in der Musikarena zu zeigen. Die Ukraine in dieser Zeit zu vertreten, ist sehr verantwortungsvoll.

Für uns würde der Sieg eine hohe Wertschätzung der ukrainischen Musik, ihrer Einzigartigkeit und Schönheit bedeuten. Wir wissen die Unterstützung zu schätzen, die wir bereits während der Promo-Tour in ganz Europa bekommen haben.

Wir erwarten in Turin eine sehr herzliche und einladende Stimmung der Menschen und eine super schöne Energie. Wir bereiten uns gerade auf den Auftritt in Turin vor, der dann bald von allen gesehen werden kann.

Wenn Ihr die medizinische und humanitäre Hilfe für die Ukraine unterstützen wollt, für die auch das Kalush Orchestra auf seiner Europa-Tour gesammelt hat, dann könnt Ihr das hier tun. Spenden sind außerdem weiter über das Aktionsbündnis „Deutschland hilft“ möglich, für das im Rahmen von „Solidarität mit der Ukraine“ vor der deutschen Vorentscheidung „Germany 12 Points“ gesammelt wurde.

Bereits erschienene Interviews:


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