Nachruf auf Frankreichs verhinderte ESC-1974-Teilnehmerin Dani

Ein Gastartikel von ESC-kompakt-Leser Mayo Velvo.

Vor knapp einem Monat verstarb die Schauspielerin und Sängerin Dani (geboren 1944 als Danièle Graule).

Als Fotomodell und Interpretin poppiger Chansons (u.a. „Scopitone“, „‚H‘ comme Hippies“, aber vor allem „Papa vient d’épouser la bonne“) erlangte sie zum Ende der „YéYé & Salut Les Copains“-Zeit ab 1966 erste Aufmerksamkeit und kleinere Filmrollen (u.a. bei Roger Vadim und François Truffaut).

1974 sollte Dani Frankreich mit „La vie à 25 ans“ beim Eurovision Song Contest vertreten, was durch den Tod von französischen Staatspräsident Pompidou vereitelt wurde, denn das Land zog seine Teilnahme aus Pietätsgründen zurück.

Ein Jahr drauf versuchte sie es erneut mit einem Song des bereits Eurovision-erfahrenen Serge Gainsbourg, „Comme un boomerang“. Doch die interne Eurovisions-Jury lehnte diesen – wegen angeblich zu gewagter Textpassagen – ab.

Ab Mitte der 1970er machte sie als Besitzern des legendären Nachtclub „L’Aventure“ von sich reden, vor allem auch wegen ausschweifenden Drogenkonsums, was 1981 zur Schließung desselben und ihrer späteren Autobiografie, „Drogue, la galère’ (Drogen, welch Mühsal’)“ führte. In den Jahren danach lebte Dani eher zurückgezogen und führte diverse Blumenläden.

Erst 2001, auf Drängen von Étienne Daho, nahm Dani mit diesem eine Duett-Version des geschmähten „Comme un boomerang“ auf. Diese wurde zu einem der Hits des Jahres wund Danis musikalische Karriere kam wieder etwas in Schwung.

Bis 2020 veröffentlichte sie noch vier Alben, wobei ihr stimmlich nur noch freskenhafter Gesang zum Markenzeichen wurde. Ihr bereits angekündigtes neues Album „Attention Départ“ wird nun posthum erscheinen. Ruhe in Frieden.


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16 Comments
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chris
1 Jahr zuvor

Oh hab das gar nicht mitbekommen. Ruhe in Frieden, schon wieder ein 74-Teilnehmer.

Thilo mit Bobby
Mitglied
Thilo mit Bobby
1 Jahr zuvor

Danke für den interessanten Artikel. Ruhe in Frieden

Gaby
Gaby
1 Jahr zuvor

Danke für die Erinnerung, hatte ich gar nicht mehr auf dem Schirm, dass Frankreich 1974 dem ESC fernblieb.

Ruhe in Frieden, Dani.

Meikel
Meikel
1 Jahr zuvor

Wahrscheinlich einer der traurigsten Geschichten des ESC, diese verhinderte Teilnahme. Schlimm fand ich auch das sie dann am Abend im Publikum saß und ihre Konkurrenten an sich verbeiziehen sah. Dabei war das ein wirklich sehr schönes Chanson, von dem es auch eine putzige deutsche Version gibt. („Komm, wir sind nur einmal 25“)
Bon Voyage, Dani.

murzel2003
Mitglied
1 Jahr zuvor

und ich dachte schon, ihr hättet sie ganz vergessen. Danke für die schönen Worte über eine wunderbare Künstlerin, die – zumindest mir – unvergessen bleiben wird. Und an alle 25jährigen – genießt die Zeit.

Timo1986
Timo1986
1 Jahr zuvor

Mit dem Lesen dieses Beitrages und dem Anhören ihres schönen Chansons werden wir alle zu ein klein bisschen Frankreich.

Obwohl George Pompidou mit seiner Amtszeit als Staatspräsident – im Gegensatz zu Charles de Gaulle, Valery Giscard d’Estaing oder Francois Mitterand – weder in Frankreich selbst noch im Rahmen der Europäischen Union (damals Europäische Gemeinschaft) seine historische Spuren hinterlassen hat, welche für die ganz großen Kapitelüberschriften in den Geschichtsbüchern reichen, finde ich es eine stilvolle Geste von Frankreich beim Ableben des Staatspräsidenten (m/w/d) auf eine ESC-Teilnahme zu verzichten.

Wenn es den lieben Gott tatsächlich gibt – und daran glaube ich persönlich – dann scheint er gerade dabei zu sein sich im Himmel eine superschöne ESC-Oper mit vielen ehemaligen ESC-Künstlern (m/w/d) zusammen zu stellen.

Lieber Gott, bitte lass die ESC-Community sich noch ein bisschen an den ESC-Legenden (m/w/d) erfreuen.

R.I.P. Danièle Graule (Dani) !!!

zwo.2
zwo.2
1 Jahr zuvor
Reply to  Timo1986

Würden die Briten ihre Teilnahme absagen, wenn Queen Elizabeth II. verstirbt?

Timo1986
Timo1986
1 Jahr zuvor
Reply to  zwo.2

@zwo.2:

Das kann ich nicht abschätzen, ob die Briten (m/w/d) wenn die Queen irgendwann Mal nicht mehr am Leben ist und ihr Todestag ungefähr im Zeitraum des ESCs liegt, an diesem Jahr nicht am ESC teilnehmen.

Ich persönlich sehe darin jetzt nicht unbedingt eine moralische Pflicht es tun zu müssen. Aber wenn ein Land in einem solchen Fall seine ESC-Teilnahme zurückzieht und den Tod seines Staatsoberhauptes als Grund dafür angibt, spricht nach meiner Ansicht auch nichts dagegen dies als stilvolle Geste zu bezeichnen.

ledivo
1 Jahr zuvor
Reply to  zwo.2

Nun, ich befürchte, stürbe die Queen unmittelbar vor dem ESC 2023, würden sicherlich die Briten nicht nur ihre TEILNAHME absagen, sondern das GANZE Spektakel.
Long may the Queen live!

Karin
Karin
1 Jahr zuvor
Reply to  zwo.2

@ledivo, Omg da sagst du was, wir brauchen einen anderen Austragungsort🤗

Thilo mit Bobby
Mitglied
Thilo mit Bobby
1 Jahr zuvor
Reply to  zwo.2

Das wäre für mich noch ein Grund das der ESC in Glagow stattfinden sollte. Im Hohen Norden von Uk wäre der Tod der Queen nicht unbedingt so schlimm das der ESC ganz abgesagt werden muss. Das soll aber nicht heißen das die Schotten die Queen nicht mögen. Auch dort wird sie hoch angesehen sein. Anders als Elisabeth I

zwo.2
zwo.2
1 Jahr zuvor

Madame Dani (= Danièle Graule) war nicht gerade eine vorherstechende Sängerin, eher Interpretin. Ihre Schauspielkunst war eher durchschnittlich.
Nur weil ein/e Künstler/in verstorben ist, muss man nicht im Nachhinein ’scheinheilig‘ hochloben, dass wurde zu Lebzeiten auch nicht gemacht.
Dennoch hat die Französin bewiesen, dass man sich durchs Leben kämpfen kann ohne aufzugeben. Respekt! Chapeau!

Timo1986
Timo1986
1 Jahr zuvor
Reply to  zwo.2

@zwo.2:

„……….nicht im Nachhinein ’scheinheilig‘ hochloben,………. .“

Es gehört zum Leben dazu, dass Handlungen eines Menschen während des Lebens bewertet werden und in Erfolge, durchschnittliche Ergebnisse und auch einem Scheitern eingeteilt werden.

Aber mit dem Tod eines Menschen sollte mit dem Grundgedanken des Leistungsprinzips oder der Einteilung in erfolgreiche Menschen und weniger erfolgreiche Menschen dann Schluss sein. Als ich vor einigen Tagen des Tod von Danièle Graule bzw. Dani zur Kenntnis nahm bin ich zugegebenermaßen jetzt auch nicht tieftraurig durch den restlichen Tag gelaufen.

Aber das Bewusstsein, dass man eben doch schneller älter wird als man so denkt und jedes Leben irgendwann einmal zu Ende ist, war für einen Moment Mal wieder präsent. Wenn daher in einem Nachruf für eine verstorbene Person auf eine Kategorisierung in erfolgreich, durchschnittlich und weniger erfolgreich verzichtet wird und einfach nur ein ehrliches Bedauern über den Tod jener Person zum Ausdruck kommt, dann ist das glaube ich keine Scheinheiligkeit

PS: Ich habe mich in deinem Statement jetzt NICHT angegriffen gefühlt, sondern wollte dir einfach nur einen Denkanstoß in die – wie ich finde – richtige Richtung geben. 😀

ledivo
1 Jahr zuvor
Reply to  zwo.2

Nun, zwo.2, ich denke doch, dass ich eher einen ’sachlichen‘ Rückblick in Sachen Dani skizziert habe. Das Mm Graule nicht unbedingt zu den Makellosesten ihrer Zunft gehörte (das tut Madonna übrigens auch nicht immer 😉 ), ließ ich ja durchaus mit dem Satz „… wobei ihr stimmlich nur noch freskenhafter Gesang zum Markenzeichen wurde.“ durchblicken. Und die Duettaufnahme mit Étienne Daho war damals tatsächlich „un grand carton“ im Héxagone, also ebenso keine Lobhudelei, und scheinheilig gleich gar nicht. Néanmoins, pas de quoi…

Frank D.
Frank D.
1 Jahr zuvor

Ich hab schon wieder den nächsten Todesfall zu vermelden : am 10. August starb der finnische Sänger und Schauspieler Vesa-Matti Loiri mit 77 Jahren an einem Krebsleiden. Beim ESC 1980 trat er in Den Haag für sein Land mit Queerflöte an und dem jazzigen „Huilumies“ an. Er wurde Letzter. Da half auch nicht der weiße Anzug wie Knödelkönig Johnny Logan.

Frédéric
Frédéric
1 Jahr zuvor

Ein schöner Nachruf. Zwischenrufe, die die kulturgeschichtliche Relevanz der einen oder anderen verstorbenen Person relativieren, mögen unnötig und pietätlos erscheinen, aber gehören wohl irgendwie dazu …

Zu schade auch, dass Boomerang zehn Jahre nach Gainsbourgs großem Wurf Poupée de cire, poupée de son abgelehnt wurde – gegen den Harmlosen Popsong von Teach-In wäre womöglich was drin gewesen (natürlich abhängig von der Sprachkompetenz der Juroren;). Allerdings war der Komponist nach Jahren voller Skandälchen und Provokationen auch in Frankreich nicht unumstritten. Immerhin gab es 1990 – quasi auf den letzten Drücker – mit dem bittersüßen White & Black Blues ein versöhnliches Ende.