Kroatien: Interview mit DORA-Teilnehmer ToMa (2021 und 2022)

Am kommenden Samstag steht die diesjährige DORA 2022 in Kroatien auf dem Terminkalender und diesmal möchte ToMa nun auch endlich das Ticket zum Eurovision Song Contest lösen. Schon im letzten Jahr versuchte es ToMa mit dem locker-flockigen Popsong „Ocean of Love“ und erreichte einen guten sechsten Platz – noch vor Mitfavoritin Bernarda.

In diesem Jahr begibt sich der sympathische Sänger buchstäblich in die Dunkelheit – sein atmosphärischer Beitrag „In the Darkness“ weiß dabei durchaus zu überraschen. ToMa erzählt in unserem von ESC-kompakt-Leserin Anke Jonschker schriftlich geführten Interview, wie es dazu kam, dass er auch in diesem Jahr erneut am kroatischen Vorentscheidung teilnimmt und gibt Einblicke in seine bisherige musikalische Laufbahn und seinen Erfahrungen im letzten Jahr.

ESC kompakt: Hallo ToMa, vielen Dank, dass du dir für ESC kompakt Zeit nimmst! Ich erinnere mich, dass wir letztes Jahr, als wir in Opatija Deinen Videogruß für ESC kompakt aufgenommen haben, ein wenig Deutsch gesprochen haben. Wann und wo hast du Deutsch gelernt oder hast du einfach ein paar Worte aufgeschnappt? 

ToMa: Tatsächlich habe ich Deutsch in der kroatischen Highschool gelernt, aber ich fühle mich sehr viel wohler auf Englisch. Ich kenne zwar einige Worte auf Deutsch, aber der Akzent und die Aussprache flößen mir Respekt ein. Einige Teile meiner Familie leben in Deutschland, also macht es schon Sinn, wenn ich etwas Deutsch beherrsche. Ich komme auf jeden Fall auf Deutsch zurecht.

Lass uns über Deinen Beitrag “Ocean Of Love” vom letzten Jahr sprechen. Einer der bemerkenswertesten Momente war, als ich vor der Halle stand und Deine Probe nach draußen auf einen großen Screen übertragen wurde. Jeder dort schaute plötzlich auf Deinen Auftritt, der wohl einer der überraschendsten und internationalsten von allen war. Hast Du viel internationales Feedback und neue Follower dazu bekommen?

Ohne überheblich klingen zu wollen, ich bin schon sehr stolz darauf, was wir da auf die Bühne gebracht haben. Es war mein Durchbruch, denn eigentlich war ich in Kroatien kaum bekannt. Sehr viel Druck lastete auf meinen Schultern wegen dieser Performance. Ich habe mir auch selbst die Hürde sehr hoch gelegt, um das Publikum, jeden Zuschauer zu erreichen, denn ich wollte mich bestmöglich präsentieren. Und ich glaube, das habe ich geschafft. Ich bin sehr glücklich mit dem Auftritt, dem Staging, der vocal performance. Und auch wenn ich mich sehr freue, dass mir viele Kroaten geschrieben haben, wie toll sie es fanden, macht es mich sehr glücklich, dass auch viele Leute aus Europa, sogar aus der ganzen Welt, geschrieben haben, mir ihren Support zu geben haben und positiv überrascht waren. Für mich war es der richtige Moment, mich zu präsentieren, mich zu zeigen. Und dieses Jahr ist es alles ein klein wenig anders.

„Ocean Of Love“ war auch dein erster Song, der in die Top 40 einstieg. Normalerweise singen Kroaten ihre Songs auf Kroatisch. Wie schwierig ist es, Englisch in Kroatien zu „verkaufen“? 

Ich war wirklich selbst schockiert, denn wie du schon sagst, ist es für kroatische Künstler sehr schwierig, englische Songs in die lokalen Charts zu bringen. Das war also eine große Überraschung, meinen Namen dort zu sehen mit einem englischen Song. Es zeigt, dass die Radios das schon annehmen können, die Reaktionen positiv sind und wir einen guten Job gemacht haben. Und ich hoffe, es war auch nicht das letzte Mal! 

Bild: Instagram @to.ma.official

Kommen wir zu diesem Jahr. Dein Song “In The Darkness” wurde von fast demselben Team, inklusive Dir, geschrieben wie im letzten Jahr. Kannst Du uns einen kleinen Blick durchs Schlüsselloch geben, was wir erwarten können?

Zunächst einmal sehe ich die DORA nicht als Möglichkeit, neue Musik zu promoten. Sondern als den Wettbewerb, um Kroatien beim Eurovision Song Contest zu vertreten. Deswegen haben wir im letzten Jahr einen Song gemacht, der genau das aufnimmt. Wir haben „Ocean Of Love“ sehr eurovisionär ausschließlich für die DORA konzipiert. Dieses Jahr war das etwas anders. Wir haben „In The Darkness“ eigentlich als neue Single geschrieben und als wir fertig waren, dachte ich „oh krass, wir müssen auch dieses Jahr zur DORA“, denn das Lied hat das Potenzial. Es ist ein ganz anderes Lied, es ist eine Ballade, aber nicht so typisch ESC mit großem Piano. Sondern es hat eher was vom Geiste Sam Smiths. Es hat eine unglaubliche Emotion, sehr schön, schwierig und dunkel. Aber ich glaube, dass die Leute es mögen werden, denn es ist ehrlich und ursprünglich nicht für den ESC konstruiert. Ich denke, es geht direkt in die Herzen der Menschen. 

Bild: Instagram @to.ma.official

Jetzt würden wir Dich gerne ein wenig besser kennenlernen. Vor ein paar Jahren hast du bei “The Voice of Croatia” teilgenommen. Wie weit bist Du gekommen und würdest Du es empfehlen, bei einer Castingshow mitzumachen?

Ja, das war 2019 als ich dort mitgemacht habe. Und auch wenn ich die erste Runde bei den Blind Auditions nicht überstanden habe, sehe ich das als sehr gute Plattform, die mir ein paar Türen geöffnet hat. Danach habe ich mich entschieden, von Split nach Zagreb umzuziehen. Das war ein großer Schritt für mich, denn ich habe mein bisheriges Leben aufgegeben, um Musik zu machen, meine Träume und Ziele zu verfolgen. Ich habe viel darüber nachgedacht und „The Voice“ gab den Anstoß, alles umzuwerfen und neu anzufangen und „ich“ zu werden. Das hört sich sehr kitschig an, aber ich meine es so. Es hat eine bessere Version von mir selbst aus mir gemacht. Ich bin dankbar für das Erlebnis und auch dankbar, dass ich nicht weiterkam, denn mein Leben wäre wahrscheinlich völlig anders verlaufen. Keine Ahnung, ob besser oder schlechter, aber ich liebe die aktuelle Phase meines Lebens und daher bin ich dankbar. 

Bild: Instagram @to.ma.official

Neben der Musik moderierst Du auch im Radio und Fernsehen. Was für Sendungen sind das?

Vor ca. zwei Jahren habe ich bei einem lokalen Fernsehsender in Zagreb angefangen und moderierte dort das Frühstücksfernsehen. Wir hatten dort viele Musiker und ich habe sie interviewt. Das hat großen Spaß gemacht. Nachmittags war ich für die Nachrichten zuständig, was etwas schwieriger war, denn Politik gehörte dazu, aber ich bin kein sehr politischer Mensch. Ich musste mich dort erst hineinfinden, aber das ist mir gelungen und ich bin froh darüber. Jetzt bin ich zum Radio gewechselt, mache dort Redaktion und auch die Nachrichten. Das ist eine ganz andere Erfahrung, denn hier hast du nur deine Stimme. Du kannst die Nachrichten nicht mit Bildern zeigen, du musst sie mit deiner Stimme erzählen. Und auch wenn ich Geschichtenerzähler bin und das liebe, ist es ungleich schwieriger. Auch weil natürlich wieder Politik dabei ist. Aber die Musik steht für mich über allem.

Bild: Instagram @to.ma.official

Bei Wikipedia gibt es für das Jahr 2015 noch einen sehr interessanten Eintrag über Dich. Du hast für rund 70.000 Leute gesungen, während des Besuchs von Papst Franziskus in Sarajevo. Hattest Du eine Chance ihn zu treffen? Und wie ist es, für so viele Menschen zu singen?

Ich war damals im 3. oder 4. Jahr der Highschool. Wir sind mit einem kleinen Teil unseres Kirchenchors nach Sarajevo gefahren, fünf oder sechs Leute etwa. Ich durfte solo ein Stück kroatischer Gospelmusik singen und es ist so eine Sache, die man im ganzen Leben nie vergisst. Zum einen ist es für mich als Christ überwältigend, für den Papst zu singen. Ich fühle mich gesegnet, das erlebt zu haben. Druck habe ich nicht gefühlt, auch wenn es 70.000 Menschen waren. Denn sie waren nicht dort, um mich zu beurteilen, sondern für den Papst, seine Predigt, für Messe und für Gott. Ich war der glücklichste Mensch auf dieser Bühne, weil ich dort singen konnte. Leider habe ich ihn nicht persönlich kennenlernen dürfen, dafür war ich nicht „auserwählt“ genug. Ich war aber auch schon in Rom und im Vatikan und habe dort an einer Audienz teilgenommen. Aus 50 Metern Entfernung wirkt er wie ein guter Mensch. Das persönliche Treffen klappt ja vielleicht nochmal irgendwann. 

Bild: Instagram @to.ma.official

Angenommen, Du gewinnst die Dora und fährst nach Turin, da sind es dann rund 200 Millionen Menschen, die Dich sehen werden. Macht Dir diese Zahl Angst oder bist Du bereit dafür?

Erst einmal hoffe ich, zu gewinnen. Ich habe das Lied eingereicht, um zu gewinnen und nicht um mich zu präsentieren, so wie letztes Jahr. Ich will den Wettbewerb gewinnen, auch wenn manche sagen, dass das verrückt ist. Ich kann Erster oder Letzter werden, wer weiß. Sollte ich fahren, dann wird mir diese Zahl natürlich auch ein wenig Angst machen, aber auch Spannung erzeugen. Die Menschen kommen zum ESC um die Musik zu genießen und für einen Künstler ist es auch ein wenig Angstbewältigung, ob z.B. jede Note sitzt. Sollte ich also ausgewählt werden, würde ich mein Bestes geben, um mich zu zeigen und mein Land zu vertreten. Das Wichtigste ist aber, die Musik zu repräsentieren und auch die Vielfältigkeit in ihr. Wer auch immer dieses Jahr für Kroatien zum ESC fährt, wird es rocken! Da bin ich mir sicher. 

Bist Du überhaupt ESC Fan? Welche Songs magst Du besonders? 

Das bin ich absolut. Von klein auf habe ich den ESC zusammen mit meiner Familie geschaut. Deswegen ist mein Wunsch dorthin zu fahren auch so groß und ich möchte das in meinem Lebenslauf stehen haben. Das ist einer meiner größten Träume. Meine Lieblingssongs auszuwählen ist wirklich schwierig. Aber allen voran gehört auf jeden Fall „Kuula“ von Ott Lepland. Es hat so wie „In The Darkness“ diese rauen Emotionen, die nicht gefaked sind. Er stand da, sang und eigentlich hat niemand ein Wort verstanden. Aber jeder hat hingesehen. Später habe ich gegoogelt und gelesen, dass es „Hör zu“ bedeutet. Oder „L’Essenziale“ von Marco Mengoni aus denselben Gründen. Es war ernsthaft, einfach, dabei schön und auch modern. Die Performance unterstrich das und sorgte für das tolle Ergebnis. 

Bild: Instagram @to.ma.official

Was machst Du, wenn du einen Tag frei hast? Wo können Fans Dich dann finden? Und könntest Du Leuten, die nach Zagreb kommen, etwas empfehlen was sie tun könnten? 

ToMa und freie Zeit? (lacht) ToMa HAT keine freie Zeit 😊 – er ist Radiomoderator am Morgen und spielt Gigs am Abend. Aber sollte es doch einmal dazu kommen, dann schaue ich sehr gerne Netflix. Nicht weil ich faul bin, sondern weil ich dabei gut abschalten kann und ruhige Momente habe. Ich muss mit niemandem sprechen, ich muss an nichts denken, ich kann mich einfach auf den Film oder die Serie konzentrieren. Aber ich trinke auch sehr gerne Kaffee, da kommen einige Tassen zusammen. Man kann mich also in einer Kaffeebar finden. Jeden Tag. Meine Familie lebt hier in Zagreb, ich verbringe viel Zeit mit ihnen. Und generell ist es eine turbulente Stadt. Ich empfehle jedem der Natur liebt, den Berg hoch nach Sljeme zu fahren. Zagreb hat aber auch viele Museen wie z.B. das Museum der Schokolade, das Museum der zerbrochenen Beziehungen, Natur-, Kunst und Geschichts-Museen… es gibt so viel zu sehen! Für Leute, die nach Zagreb kommen: dies ist keine Partystadt. Dafür müsst ihr nach Split oder auf die Insel Hvar. In Zagreb lernt ihr etwas über die Kultur, über die Kunst und die Tradition. Kommt einfach her!  

Vielen Dank für das Interview und „želimo ti puno sreće“ für die Dora 2022!

ToMa startet am Samstag auf Startplatz 10 beim kroatischem Vorentscheid DORA 2022 in Opatija. Wie findet Ihr seine düstere Ballade und was glaubt Ihr, wie ToMas Chancen stehen?


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8 Comments
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Matty
Matty
2 Jahre zuvor

Schade, daß er seinen Beitrag nicht auf Kroatisch singt, dann wäre er noch viel besser.

Nilsilaus
Nilsilaus
2 Jahre zuvor
Reply to  Matty

Du mit deinen Landessprachen. Sprich du erstmal anständiges, höfliches Deutsch. Da hättest du viel zu lernen, wenn du es überhaupt kannst!

Matty
2 Jahre zuvor
Reply to  Nilsilaus

Kümmere Dich bitte um Deine Angelegenheiten! Das mit dem höflichen und anständigen Deutsch empfehle ich Dir wärmstens!

ankezg
2 Jahre zuvor
Reply to  Matty

Ich finde deine Abneigung gegen Englisch sehr schade. Denn ich bin überzeugt davon, dass die Welt ganz anders aussehen würde, wenn es diese Weltsprache nicht gäbe. Wie viele unnütze Konflikte, sogar Kriege würde es geben… wir könnten mit fast niemandem sprechen, uns austauschen, gemeinsam lachen usw.

Matty
2 Jahre zuvor
Reply to  ankezg

Ich habe nichts gegen Englisch, aber gerade Kroatien sollte mal mit einem Song in Landessprache vein ESC antreten. Letztes Jahr hätte das Land mit Nina das Finale erreichen können, doch leider gewann ein englischsprachiger Titel und das Land schied dadurch im Halbfinale aus.

Serbien macht es richtig, setzt auf Landessprache und qualifizierte sich damit letztes Jahr beim ESC für das Finale!

Thilo mit Bobby
Mitglied
Thilo mit Bobby
2 Jahre zuvor
Reply to  ankezg

@Matty Landessprache bedeutet aber nicht sofort Finaleinzug. Wie oft ist Portugal mit Landessprache im Semi hängen geblieben? Ich bin auch immer gerne für Landessprache aber muss man deswegen denn ständig bei jedem Song auf englisch sagen „aber in Landessprache wäre der besser“ ich finde das eher etwas albern

Thilo mit Bobby
Mitglied
Thilo mit Bobby
2 Jahre zuvor

Tolles Interview vielen Dank @ Anke. Ein sympathischer Mensch und der Song ist wunderschön. Mein Platz 2 hinter Brividi. Hoffentlich gewinnt er die Dora.

ankezg
2 Jahre zuvor

Sehr gern 🙂 ich kann es nur bestätigen, dass er sehr sympathisch ist.