Albanien: FiK-Favorit Mirud erntet Hass für sein Outfit und reagiert mit selbstbewusstem Statement

Bild: Instagram @mirudofficial

„When they go low, we go high“, sagte Ex-First-Lady Michelle Obama im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 in Richtung Donald Trump und damit meinte sie, dass man sich nicht auf das Niveau der Menschen herablassen sollte, die einen auf nicht unbedingt konstruktive Weise angreifen. Beherzigt hat dieses Motto jetzt auch Vorentscheidungsteilnehmer Mirud aus Albanien, der in einem emotionalen, aber stilvollen und selbstbewussten Statement per Instagram auf Kritik an seinem Outfit für das morgen beginnende Festivali i Këngës reagiert hat. Wobei Kritik hier eigentlich das falsche Wort ist, denn Mirud spricht von Hassnachrichten und sogar Morddrohungen, die er bekommen hat.

Stein des Anstoßes ist dabei das Outfit, das er am morgigen ersten Abend der albanischen ESC-Vorentscheidung tragen wird (das Outfit auf dem Aufmacherfoto wird erst in der zweiten Nacht am Dienstag zu sehen sein). Einen Eindruck davon bekommt man in dem Video, das Mirud zusammen mit seinem Statement gepostet hat (siehe unten). Der Sänger trägt darin eine Mischung aus hautengem Bodysuit und Matador-Kleidung und zeigt auch viel nackte Brust. Diese Klamotten scheinen einigen nicht „männlich“ genug zu sein, was offensichtlich zu zahlreichen Anfeindungen geführt hat. Mirud hat darauf eine sehr klare Antwort formuliert.

„Menschen, die andere degradieren, erniedrigen sich oft selbst. Es ist lustig, dass böse Kommentare, in denen ich gefragt werde, ob ich ein Mann oder eine Frau bin, wegen eines Outfits, das ich letzte Nacht bei FiK 59 getragen habe, nicht an eine Gruppe heterosexueller Männer gerichtet werden, die das schon vor mir getragen haben. Diese Kommentare stören mich nicht, weil ich all diese Scheiße schon einmal gehört habe. Ich bin ein MANN und ich bin ein KÜNSTLER und es geht mir besser als den meisten von euch, die den ganzen Tag hinter einem Computer sitzen und Hass gegen jemanden verbreiten, der tatsächlich versucht, eine positive Veränderung herbeizuführen, damit ihr das nächste Mal, wenn ihr auf die Straße geht, keine Angst haben müsst, dafür, dass ihr ihr seid. Ich habe mich in dieser Zeit dem Risiko ausgesetzt, zu reisen und diese Show für die LGBT-Community in Albanien zu machen, und es macht mich traurig, dass es in unserer Community selbst so viel Hass gibt. Ich setze mich sogar selbst einem Risiko aus, indem ich das trage, was ich trug, und ich bin stolz darauf, das zu tun. Eure Morddrohungen, dass ihr mir sagt, ich solle mich aufhängen, stören mich auch nicht wirklich. Also sagt mir, wie kann man etwas ändern, wenn wir uns schon gegenseitig hassen? Wie können wir erwarten, dass andere uns respektieren, wenn wir uns selbst nicht respektieren? Ich werde immer ich selbst sein, egal ob ihr denkt, ich sehe aus wie eine Frau oder ein Mann. Und am Ende des Tages sehe ich besser aus als all ihr kleinen Vögel.“

Gut möglich, dass sich die Personen, die Mirud angefeindet haben, diese Worte nicht zu Herzen nehmen, trotzdem hat der Sänger damit klar Position bezogen. Er hat außerdem klar gemacht, dass er seinen Weg weitergehen wird, ohne sich von dem Gerede verunsichern zu lassen. Und das ist vielleicht das Wichtigste, gerade wenn es darum geht, Vorbild für andere zu sein.

Mirud gilt mit seinem Song „Nëse vdes“ als einer der Mitfavoriten beim Festivali i Këngës 2020 und liegt auch bei den ESC-kompakt-Lesern ganz vorne (in der Umfrage führt zwar Rosela Gjylbegu, die Stimmen für sie weisen allerdings einige Unregelmäßigkeiten auf). Der albanische Musikwettbewerb startet morgen mit der ersten von drei Shows, die an drei aufeinanderfolgenden Abenden (voraufgezeichnet) ausgestrahlt werden. Für alle Shows bieten wir hier auf ESC kompakt Live-Blogs an.


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22 Comments
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4porcelli - Penguins will rule the world
4porcelli - Penguins will rule the world
3 Jahre zuvor

Gay, out and proud in Albanien – love him!

Gaby
Gaby
3 Jahre zuvor

„Nëse vdes“ gefällt mir sehr gut, und nach diesem souveränen Post ist mir Mirud auch äußerst sympathisch. Sehr gut reagiert.🙂

Matty
Matty
3 Jahre zuvor

Das Outfit ist in der Tat gewöhnungsbedürftig, aber als Favorit sehe ich ihn definitiv nicht. Meistens gewinnt das FiK eine Frau und ich denke, es wird dieses Jahr nicht anders sein.

Inge Periotte
Inge Periotte
3 Jahre zuvor

Uiuiui, über was man sich so alles aufregen kann. Da hätte man ja in Spanien sämtliche Toreros steinigen müssen wegen ihrer Klamotten. Aber wahrscheinlich geht’s um das Hochzeitskleid mit Schlitz drin. Ja, es gäbe jetzt in beiden Fällen tatsächlich bestimmt vorteilhaftere Outfits – aber dann haben wir immerhin schon einen Anwärter auf den Barbara Dex Award. Und allein für dieses couragierte Statement liebe ich Mirud jetzt schon! Chapeau et bonne chance – ich freu mich auf diese Nummer 🙂

roxy
roxy
3 Jahre zuvor

Albanien ist halt leider immer noch ein extrem konservatives Land. Kein Wunder, dass viele Junge das Land verlassen.

sam
sam
3 Jahre zuvor

Ich finde das richtig mutig und stark von Mirud. Dafür alleine hat er schon meine Sympathiepunkte. Ich finde es beschämend das es immer noch Leute gibt die andere wegen des Aussehens, Outfits etc. beleidigen oder Morddrohungen geben. Unterstes Niveau.

Nilsilaus
Nilsilaus
3 Jahre zuvor

Das Stichwort: Aufmerksamkeit!
Egal wie, Hauptsache man spricht darüber. Hier geht es nicht um persönliches Ausleben von Befindlichkeiten, sondern um die reine PR-Masche. Die einen tragen Bart, die anderen singen wie eine Fette Henne, die nächsten tragen Zopf und können keinen Ton singen usw usw usw…

manu
Editor
3 Jahre zuvor
Reply to  Nilsilaus

Ich glaube, das deine Worte diesmal etwas wenig emphatisch sind.

Sicher wird Mirud seine Outfits so gewählt haben, damit er Aufmerksamkeit erhält. Allein von PR-Masche zu sprechen greift aber wohl zu kurz, da es ihm augenscheinlich um mehr geht und sich wohl niemand ernsthaften Morddrohungen aussetzt, nur um musikalisch erfolgreich zu sein.

So wenig schmeichelhaft ich seine beiden Outfits finde (und ich persönlich das Thema nicht jedes Jahr beim Song Contest „brauche“), so kämpft er in Albanien aber damit einen Kampf, der bei uns zum Glück schon Jahrzehnte entfernt scheint und hoffentlich nie wieder nötig sein wird. Vielleicht vergessen wir ab und an, dass es noch genügend Länder auf der Welt gibt, die nicht so liberal leben wie wir und solche Todesdrohungen dort keine leeren Worte sind.

elkracho
Mitglied
elkracho
3 Jahre zuvor
Reply to  manu

Absolute Zustimmung….

bisschenfrieden
bisschenfrieden
3 Jahre zuvor
Reply to  manu

Jedes Deiner Worte ist ein Volltreffer.

JoBi
JoBi
3 Jahre zuvor

Ich habe keine große Meinung dazu. Jeder Mensch kann tragen was er will.

Amion
Amion
3 Jahre zuvor

Irgendjemand muss ja den Barbara Dex Award bekommen (smile)

Alki Lagerfeld
3 Jahre zuvor

Ich glaube, so ein Dress hat niemals ein heterosexueller Mann getragen, allerdings auch nie ein schwuhler Mann und das ist ziemlich gut so 😉

Max G.
Max G.
3 Jahre zuvor

Eigentlich spiegelt das die Gesellschaft doch sehr gut wieder. Es wird mehr über die Kleidung einer Person Diskutiert und wie es an ihr wirkt und Aussieht als alles andere…Es ist ein Generelles Problem und so lange sich eine Person in dem was sie Anzieht Wohlfühlt ist doch alles super. Viel schlimmer ist das man Aufgrund dessen die Männlichkeit oder auch in anderen Fällen die Weiblichkeit einer Person in Frage stellt und meint Hass verbreiten zu müssen bis hin zu Morddrohungen… Sowas geht einfach nicht klar PUNKT.

togravus ceterum
Mitglied
togravus ceterum
3 Jahre zuvor

Es ist so traurig, dass manche Menschen ihre Sprache nicht im Griff haben, wenn sie online kommentieren.

escforeternity
escforeternity
3 Jahre zuvor

Es macht mich jedesmal traurig, wenn ich solche Geschichten höre. Ist es denn so schwer, den anderen anzunehmen wir er ist? Mal über Äußerlichkeiten hinweg zu sehen, auch wenn sie nicht dem eigenen, selbstgebastelten Ideal entsprechen? Ich finde es sehr mutig von Mirud, dieser Engstirnigkeit entgegenzutreten und seinen Weg zu gehen – Hut ab. Ich drücke ihm auf jeden Fall so was von die Daumen, sein Song läuft bei mir schon in Dauerschleife😉

Gaby
Gaby
3 Jahre zuvor
Reply to  escforeternity

Vielen Dank für den sehr schönen Kommentar. 100% Zustimmung.

AgnethaFrida
AgnethaFrida
3 Jahre zuvor

„Ich habe mich in dieser Zeit dem Risiko ausgesetzt, zu reisen und diese Show für die LGBT-Community in Albanien zu machen, und es macht mich traurig, dass es in unserer Community selbst so viel Hass gibt. Ich setze mich sogar selbst einem Risiko aus, indem ich das trage, was ich trug, und ich bin stolz darauf, das zu tun. Eure Morddrohungen, dass ihr mir sagt, ich solle mich aufhängen, stören mich auch nicht wirklich. Also sagt mir, wie kann man etwas ändern, wenn wir uns schon gegenseitig hassen?“

Es scheint mir gar nicht um die nicht offene Gesellschaft in Albanien zu gehen, sondern um die LGBT-Community dort. Und wenn das so ist, dann bin fassungslos. Aber es zeigt einmal wieder, wie viel Hass in den asozialen Medien herrscht, weltweit übrigens. Und da ist es egal, ob L, G, B, T oder nichts von dem. Ich bin sehr traurig.

ESCFan2009
ESCFan2009
3 Jahre zuvor

Grundsätzlich sind Geschlechterrollen natürlich historisch gewachsen und bestimmte Dinge wie Kleidung werden daher mit „männlich“ oder „weiblich“ verbunden. Geschichte heißt aber immer auch Entwicklung und wenn ich mir vorstelle, dass viele Menschen noch immer an diesen mittelalterlichen Vorstellungen festhalten, könnte ich auch weglaufen. Lasst den Mann tragen, was er will. Ist doch auch abwechslungsreich.
Und dass tatsächlich die eigene Szene in vielen Dingen auch relativ intolerant ist, ist das Beschämendste überhaupt. Es ist noch viel zu tun…

Frédéric
Frédéric
3 Jahre zuvor

Erinnert mich etwas an Bilal ’19. Schon merkwürdig, dass solche Stilelemente über 40 Jahre nach Freddie Mercurys Ballerina-Outfits noch so einen Wirbel verursachen. Und auch wenn Nilsilaus‘ Worte wenig empathisch wirken, halte auch ich es für möglich, dass es nur ein Sturm im Wasserglas und geschickte PR-Arbeit ist.
Am Ende sollte das Lied entscheiden. Dieses erinnert mich spontan ein bisschen an das letztjährige „Me Tana“ … also finally justice for Elvana?

Dominik
3 Jahre zuvor

Dazu fällt mir nur dieses Video ein:

bisschenfrieden
bisschenfrieden
3 Jahre zuvor

Meine Hochachtung vor diesem Mann. Ich bin hetero und falle gerne durch Kleidung auf. Und wie oft habe ich schon die „Frage“ gehört, ob ich schwul sei. Und wisst ihr was? Das macht mich stolz. Das Problem haben die Kleingeister, aber nicht wir.