Hilferuf oder politisches Statement? Kalush Orchestra aus der Ukraine beendet Auftritt im ESC-Finale 2022 mit Ansprache

Alle Zuschauerinnen und Zuschauer des großen Finales des Eurovision Song Contest 2022 konnten es sehen und hören: Rapper Oleh, Frontmann der ukrainischen Vertreter Kalush Orchestra, wandte sich nach dem Auftritt der Band mit „Stefania“ auf Startplatz 12 direkt an das europäische Publikum. Dabei wählte er deutliche Wort zur aktuellen Lage in der Ukraine. Wir greifen hier auf die Übersetzung des Deutschlandfunk zurück:

„Ich bitte Euch alle: Helft der Ukraine, Mariupol und den Menschen im Asow-Stahlwerk.“

Die Szene kann in diesem Video ab 3:11 angesehen werden.

Bei der EBU-Pressekonferenz am vergangenen Mittwoch wurde bereits danach gefragt, wie die Verantwortlichen reagieren würden, wenn es rund um den ukrainischen Auftritt ein politisches Statement geben würde, was qua ESC-Regelwerk verboten ist. Die Antwort damals: Sehr vage. ESC-Supervisor Martin Österdahl wollte sich nicht aus dem Fenster lehnen und sagte nur, man gehe davon aus, dass sich alle an die Regeln halten würde und wenn etwas passiere, müsse man sich das anschauen.

Wie das heutige Statement eingeschätzt werden wird, ist aktuell sehr unklar und es ist wohl davon auszugehen, dass eine Entscheidung darüber erst zu einem späteren Zeitpunkt getroffen wird. Ein vielleicht vergleichbarer Fall ereignete sich 2019, als die isländische Band Hatari während der Punktevergabepalästinensische Flaggen in die Kameras hielt. Damals fiel die Entscheidung erst im September (!) und die Rundfunkanstalt RÚV wurde zu 15.000 Euro Geldstrafe verdonnert.

Gleichwohl: Inwiefern die Ansprache von Oleh überhaupt ein politisches Statement war oder nicht viel mehr ein „Hilferuf“, wie es in unserer Blogger-WhatsApp-Gruppe genannt wurde – das liegt wohl im Auge des Betrachters. Im Hinblick auf den schrecklichen Krieg in der Ukraine kommt das jedenfalls sicherlich nicht unerwartet und ist wahrscheinlich auch verständlich, dass die Ukraine diese Bühne nutzt. Gut möglich, dass die EBU zwar reagiert, um ähnlichen Aktionen in der Zukunft nicht Tür und Tor zu öffnen, aber es bei einer doch eher symbolischen Strafe belässt. Von einer Disqualifikation, wie es verschiedentlich schon in den sozialen Medien vermutet wurde, gehen wir jedenfalls aktuell nicht aus. Wir halten Euch hier auf ESC kompakt natürlich auf dem Laufenden.


10 Kommentare

  1. „Hilferuf oder politisches Statement?“

    kalkulierter hilferuf und politisches statement,würde ich eher sagen.
    wenn der herr melnyk alles darf dann die erst recht.
    oder etwa nicht?

  2. Sollen die Systur aus Island dann etwa auch bestraft werden? Europa hat heute Herz gezeigt – nur Hardcore Fan-atiker machen da was skandalöses draus. Ist ein humanitärer Hilferuf etwa wirklich ein politisches Statement???

  3. Alleine die Frage danach ist menschenverachtend und unempathisch. Wer daraus was strickt, soll mal nach Mariupol oder Butscha reisen. Sollte die EBU es wagen, der Ukraine deswegen ein Strick zu drehen, sollte der nächste ESC von den anderen Ländern boykottiert werden.

  4. Das kann man doch nicht wirklich mit der isländischen Band 2019 vergleichen: Damals war das einfach nur eine Ungezogenheit, von einer Band, die sich in den Mittelpunkt stellen wollte.
    Gestern das war ein Hilferuf, völlig legitim und verständlich, sie sind ja auch selbst betroffen. Da sollte man echt fünf Grade sein lassen, sie haben genug Probleme.

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