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Talking Tel Aviv (11): Dana International und die schwulste Kiss Cam der Welt

Der ESC in Tel Aviv war der vermutlich queerste, den es jemals gab. Und wahrscheinlich war der Ehemann von Moderator Assi Azar die Person, auf die sich am häufigsten in der Sendung bezogen wurde. Dabei ist es dem israelischen Fernsehen positiv anzurechnen, dass sie die Gay-Karte so offensiv gespielt haben. Schließlich muss die gesamte Show in allen Ländern komplett ausgestrahlt werden. Und je selbstverständlicher nicht-heteronormative Personen und Beziehungen dort stattfinden, desto besser für die entsprechenden Minderheiten in weniger liberalen Staaten.

Fast ein bisschen zu gay und auch etwas tragisch wurde es im ersten Halbfinale. Als Pausenact war Dana International engagiert. Der Song, den sie zum besten gab, hatte zwar keinerlei ESC-Bezug: „Just The Way You Are“ von Bruno Mars. Aber der Text war eindeutig pro Vielfalt und Toleranz. Bei der Zeile: „Cause you’re amazing just the way you are“ ging sie dann los, die vermutlich schwulste Kiss Cam der Welt.

Die Idee: die Kamera fängt mit einem grafischen Herzen umrandet zwei Personen ein und diese müssen sich dann küssen. Das ist ein beliebter Zeitvertreib bei Sportevents in Amerika. In Tel Aviv begann aber recht fix das Dilemma. Natürlich sollte es auch ein oder mehrere schwule Paare geben, die sich küssen. Es machte jedoch schnell den Eindruck, dass nur schwule Paare in der Halle sein würden. Erst nach und nach fing die Kamera dann auch heterosexuelle Paare ein, die mitspielten und sich küssten. Am Ende stand der Saldo bei vier homo- zu vier heterosexuellen Küssen. Ob es das schon einmal in der Kiss-Cam-Geschichte gab?

Das führte dann auch zu dem Paradoxon, dass ausgerechnet das eigentlich „normalste“ Paar den größten Applaus erhielt: ein grauhaariger Mann und seine Frau. So kann’s gehen, wenn eine Veranstaltung fest in queerer Hand ist. Da sind plötzlich die etwas Älteren die umjubelten, weil akzeptiert und integrierte Minderheit.

Dana International ließ es aber nicht bei dem Lied und der Kiss Cam bewenden. Mit großen Buchstaben wies sie darauf hin, dass die Liebe keine Grenze, keine Religionen und keine Rasse habe. Liebe sei einfach Liebe. Noch mehr Holzhammer geht nicht – und doch war es bewegend, diese Botschaften so eindeutig kommuniziert zu sehen.

Was abgesehen von der schweren Suche nach kusswilligen Heteropaaren nicht wirklich klappte, was der geplante Gruppenkuss am Ende des Liedes. Da ging eigentlich niemand mit. Sei’s drum.

Wie hast Du die queren Elemente beim ESC aus Israel wahrgenommen? War die Kiss Cam lustig, bewegend oder einfach nur peinlich? Und wie „schwul“ darf bzw. soll der ESC sein? Kommentiere gern unter diesem Artikel.

Bereits erschienene Talking-Tel-Aviv-Folgen

(1) Duncan Laurence, der lachende Dritte
(2) Leider ein berechtigter vorletzter Platz für Deutschland
(3) Dynamisches, emotionales und farbenfrohes Opening des Finals
(4) Braucht’s wirklich vier Moderatoren?
(5) Mehr ist mehr – aber nicht beim Pausenact
(6) Nordmazedoniens erster ESC-Sieg – bei den Juroren
(7) Sind KEiiNO die wahren ESC-Sieger?
(8) Muss man den eigenen Beitrag unterstützen?
(9) Macht’s die neue Punktevergabe spannender – und gerechter?
(10) Peter Urban – die (bereits zu?) langjährige Stimme des ESC


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