ESC-Teilnehmerin Lucie Jones brilliert in „Les Misérables“ am Londoner West End

Dies ist Teil 2 unserer kleinen Serie zu den aktuellen Shows mit ESC-Bezug in London. Falls Ihr Teil 1 verpasst habt, findet Ihr den „Erfahrungsbericht „ABBA Voyage – The Concert“: So ist das Live-Konzerterlebnis in London“ hier.

„Les Misérables“ ist das am längsten laufende Musical am Londoner West End und obwohl ich sowohl die Musik als auch den 2012er-Film mit unter anderem Hugh Jackman, Russell Crowe, Anne Hathaway, Helena Bonham Carter, Sacha Baron Cohen, Amanda Seyfried, Eddie Redmayne und nicht zuletzt Aaron Tveit sehr mag, gab es bei meinen früheren London-Besuchen immer frischeres Theater-Material, das ich dem alten Schinken „Les Miz“ vorgezogen habe. Als ich aber erfahren habe, dass zukünftig Lucie Jones im Sondheim Theatre die Rolle der Fantine spielen wird und schon der Ankündigungsclip vielversprechend war (s. unten), war klar, dass die Zeit für meine „Les Miz“-Premiere gekommen war.

An Lucie Jones erinnern wir uns – im Gegensatz zu meinen britischen Freunden, denen ich von meinem Vorhaben erzählt habe – natürlich alle: 2017 gewann die ehemalige X-Factor-Teilnehmerin die britische Vorentscheidung „Eurovision 2017: You Decide“, bei der damals unter anderem Sophie Ellis-Bextor in der Jury saß, und durfte deshalb mit dem unter anderem von Emmelie de Forest geschriebenen Lied „Never Give Up On You“ am Eurovision Song Contest in Kiew teilnehmen. Bei den Proben konnte sie dermaßen überraschen und überzeugen, dass sich Großbritannien aus dem grauen Wettquoten-Mittelfeld bis auf Position 6 kurz vor dem Finale bei den Buchmachern vorarbeiten konnte. Am Ende landete Lucie Jones beim ESC 2017 allerdings dennoch nur und vor allem dank der Jurys auf Platz 15 – für Großbritannien trotzdem ein Erfolg.

Und was soll ich sagen: Auf der „Les Misérables“-Bühne entfacht Lucie die gleiche Magie, mit der sie die Zuschauer*innen auch schon beim ESC in den Bann gezogen hat. Sie verkörpert die Leiden Fantines nicht nur gesanglich eindrucksvoll, sondern überzeugt auch schauspielerisch – etwas, das man nicht über alle VIP-Theater-Quereinsteiger sagen kann. Kein Wunder, dass sie sich in der britischen Musicalszene mittlerweile schon als gefragte Darstellerin etabliert hat, wie ihr Lebenslauf unten – in dem sie sympathischerweise auch den ESC erwähnt – eindrucksvoll beweist.

Absolutes Highlight ist dann – natürlich – Lucies Interpretation von „I Dreamed A Dream“ (das im Jahr 2013 schon Anna Hathaway ihren ersten Oscar einbrachte).

Doch auch der Rest des Stücks (und der ist ziemlich lang, denn – Vorsicht Spoiler – Fantine ist leider nicht besonders lange auf der Bühne zu sehen) hat mich wirklich überzeugt. Ich habe zwar, wie gesagt, keine Vergleichswerte, aber die Inszenierung im Sondheim Theatre wirkte auf mich im besten Sinne zeitlos. Es gab wohl über die Jahre, in denen das Stück auch in unterschiedlichen Häusern am West End gespielt wurde, kleinere Anpassungen und Modernisierungen, die sich aber sehr natürlich in die Inszenierung und Dramaturgie einfügen. So oder so ähnlich könnte „Les Miz“ auch heute noch neu auf die Bühne gebracht werden, ohne das auffallen würde, dass das Stück schon über 40 Jahre alt ist. Ein sehr unterhaltsamer und erfüllender Theaterabend.

Fazit: Ein Besuch bei „Les Misérables“ in London lohnt sich auf jeden Fall – und für ESC-Fans gleich doppelt, solange Lucie Jones in dem Stück zu sehen ist. Alle Informationen und Tickets gibt es hier.

PS: Bei den Recherchen zu diesem Artikel bin ich übrigens in einem Rabbit Hole gelandet, dass mich von den unterschiedlichen Produktionen von „Les Miz“ über Patti LuPone zu Andrew Lloyd Webber und „Jesus Christ Superstar“ geführt hat und damit zu dem ESC-Bezug, dass nicht nur Elton John mit „I Can’t Go On Living Without You“ ein Lied zur britischen Vorentscheidung „A Song For Europe 1969“ beigesteuert hat, sondern auch Andrew Lloyd Webber mit „Try It And See“. Der Beitrag schaffte es nicht einmal in die Liveshow, wurde aber von der italienischen Sängerin Rita Pavone veröffentlicht und als „King Herod’s Song“ in „Jesus Christ Superstar“ weltbekannt. Lulu gewann den ESC 1969 mit dem für sie ausgewählten „Boom Bang-A-Bang“ bekanntlich trotzdem, also Ende gut, alles gut.

Welche Erinnerungen habt Ihr an die ESC-Teilnahme von Lucie Jones in 2017? Habt Ihr „Les Misérables“ schon gesehen oder plant einen Besuch? Schreibt uns Eure Berichte gerne in die Kommentare.


24 Kommentare

  1. Les Mix ist eine super Show, die fast allen gefallen sollte, hatte das u.a. auch im Sondheim gesehen, kann ich auch nur empfehlen. Film-Adaption ist auch top.

      • Ich habe eine Zeitlang in London gelebt und habe sehr viele Musicals dort gesehen. Les Miserable ist aber das Musical, was mir am wenigsten gefallen hat, es ist so düster und so schwer.

      • Isz nicht das, was Leute typischerweise mit Musicals assoziieren. Wenn das 100 Jahre früher geschrieben worden wäre, würden alle das als Oper klassifizieren, was ja super toll sein soll, obwohl da viele Stücke sich hinschleppende Liebesgeschichten sind.

      • @4porcelli

        Ich kenne nur die Verfilmung von 2012 mit u.a. Hugh Jackman, Anne Hathaway, Russell Crowe und Amanda Seyfried. Mir persönlich war es selbst für ein Musical zu viel Gesinge, das waren ja größtenteils keine wirklichen Songs sondern nur gesungene Dialoge, ging mir irgendwann ziemlich auf die Nerven.

      • So verschieden sind die Geschmäcker. Von den enueren Musicals gefällt mir Lez Miz neben Sunset Boulevard und Mamma Mia klar am besten.

  2. „Never Give Up On You“ höre ich immer noch gerne und gehörte 2017 auch zu meinen erweiterten Favoriten. Leider ist der Song einer der most underrated Songs in den letzten paar Jahren und deshalb auch zu Unrecht in Vergessenheit geraten. Die Inszenierung auf der Bühne hat – wie im Artikel schon erwähnt – auch einen Anteil an meiner Begeisterung für das Lied.

  3. Sie ist damals auf Platz 15 gelandet und nicht auf Platz 18 wie hier steht. 😉

    Ihren Song gehört zwar zu den „besseren“ die UK in diesem Jahrtausend geschickt hat, aber wirklich der Knaller war er auch nicht, und durch ihre schlimme Gesichtskirmes hat sie ein besseres Ergebnis erfolgreich verhindert. Ohne Witz, habe selten jemand so komische Grimassen beim Singen ziehen sehen.

  4. Les Mis ist einer meiner Lieblingsmusicals. Übrigens keine geringere als Jane Comerford sang in Wien bei der deutschen Uraufführung die Eponine. Davor war sie 2 Jahre bei uns in Bielefeld engagiert und hob die deutschsprachige Uraufführung von „The Rink“ mit aus der Taufe. Und auch dar war sie ganz großartig. Ich denke Lucia Jones wird eine ganz wunderbare Fantine sein.

  5. Als Bücherwurm und Musical-Allergiker halte ich mich bei diesem Sujet lieber an den Roman von Victor Hugo. Ist aber schön, dass Grimassen-Lucie sich über eine erfolgreiche Karriere freuen darf.

  6. Na ja, soweit ich mich erinnern kann, waren sehr viele Leute sehr begeistert von Lucie Jordan. Ich gehörte nicht dazu. Klar, besser als Levinas „Grau in Grau“ war der Auftritt auf jeden Fall. Aber das zu unterbieten, war ja nun wirklich auch nicht schwer. Hat nur der Spanier geschafft, aber da fand ich wenigstens noch den tanzenden VW-Bus am Anfang ganz unterhaltsam.😉
    Aber ich fand Lucie und ihren Auftritt so künstlich… keine Ahnung, hat mich völlig kalt gelassen.
    Ganz ehrlich, da mochte ich UK 2006 und 2015 wesentlich lieber, obwohl beides weder große Kunst waren, im Gegenteil, eher ziemlich trashig daherkamen. Höre übrigens beide Songs noch recht gerne, machen mir irgendwie gute Laune… So, jetzt ist’s raus.😀

    • @Gaby

      Sie heißt Jones mit Nachnamen, aber sont sind wir uns was UK 2017 angeht mal wieder völlig einig. 🙂

      • @ESC1994 Tye eyes of Lucie Jordan war ein Hit von Marianne Faithful, wesentlich besser als der 2017er UK Song.

      • „The Ballad of Lucie Jordan“, wunderschöner Song aus dem Jahr 1979.😍

  7. Lucie Jones hat 2017 bei mir schon Gänsehaut erzeugt. Ich bin davon überzeugt,dass sie die Rolle in Les Miserables phantastisch besetzt. Eine Musical Liebhaberin bin ich auch. Les Miserables habe ich allerdings nie gesehen.
    Dafür Joseph, Elisabeth und Tanz der Vampire.

  8. Anhand des Beispiels von Lucie Jones kann man sehr gut erkennen, das Jurys manchmal gar nicht so schlecht sind. Das Publikum hätte Lucie einfach untergehen lassen. Die Jurys achteten hingegen mehr auf Qualität und weniger auf HalliGalli. Die Performance und der hervorragende Live-Gesang hätten eigentlich noch eine viel höhere Platzierung verdient.

  9. Lucie Jones bei You decide. Gänsehaut. Inszenierung im Finale hat leider Lucies Kraft gestört, ihrem Auftritt die Kraft geraubt. Großaufnahmen bringen es nicht, haben Cesar Sampsons und Tulias Auftritt auch eher Punkte gekostet.

  10. Juhuu, endlich weiss ich noch mehr als die anderen Nerds hier. Denn bei der Aufzählung der Darsteller des Filmes fehlen zwei weitere Namen, die ebenfalls einen grossen Grand Prix-Bezug haben. Da wären zum einen Colm T. Wilkinson. Er war der erste Jean Valjean im West End und spielte diese Rolle auch am Broadway. Im Film spielte er den Bischof von Digne. Er vertrat Irland 1978 beim ESC.
    Die zweite Darstellerin ist Frances Ruffelle, die im Film eine der „lovely Ladies“ spielt. Im West End spielte sie die Eponine und beim ESC ging sie mit „Lonely Symphony“ an den Start.
    ……..und nicht zu vergessen: den „Ur“- Marius Michael Ball (1992 für UK am Start)

  11. Leider erst jetzt gelesen: @Gaby, „The Ballad Of Lucy Jordan “ ist von 1974. Hat damals Dr. Hook & The Medicine Show aufgenommen. Das von 1979, ich vermute mit Marianne Faithful, ist leider nur ein Cover.

    • Ah, okay, danke für die Info.🙂
      Ich meinte die Version von Marianne Faithfull, das Original von Dr. Hook & The Medicine Show kenne ich nicht.

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