Katerstimmung beim NDR: Eskimo Callboy sind überall

Bild: Instagram @eskimocallboy

Oops, mit dieser Protest-Wucht auf die Nichtnominierung von Eskimo Callboy für das deutsche Finale„Germany 12 Points“ haben definitiv nicht alle gerechnet – auch nicht in der ARD und beim federführend verantwortlichen NDR. Und das, obwohl man es im Vorfeld hätte ahnen können. Der ESC aber auch die Metallszene haben ihre eigenen Gesetze.

Es ist nicht nur EIN „Shitstorm“, um dieses Unwort einmal zu verwenden, denn eigentlich sind es gleich drei Richtungen, aus denen der Unmut an den NDR und an die Öffentlichkeit herangetragen wird.

Erstens sind logischerweise die Eskimo Callboy Fans aufgebracht. Diese Verärgerung ist nicht auf den deutschsprachigen Raum beschränkt, sondern überall dort greifbar, wo Eskimo Callboy populär sind. Also in sehr vielen (ESC-)Ländern Europas, wo Metallcore populär ist. In der Blind-Channel-Heimat Finnland ist die Fan-Aufregung genauso groß wie in Frankreich, Polen, Russland und vor allem auch in Großbritanien. In Threats zu „Germany 12 Points“ in internationalen Ultrafanblogs artikuliert sich die Wut zuweilen deutlich ungebremster als hierzulande.

In halb Europa gehen Eskimo Callboy auf Tour, inzwischen sind so gut wie alle Termine ausverkauft.

Zweitens sind größere Teile der ESC-Bubble erzürnt. Hier entzündet sich der Protest nicht einmal ausschließlich und zuerst an der Ablehnung von Eskimo Callboy durch die ARD-Radiojury, sondern daran, dass uns die für die Auswahl der Bewerbungen verantwortlichen Radioleute „Six-Shades-Of-Easy-Listening“ präsentieren und Vielfalt ignorieren. Als exemplarischer Leuchtturm für diese fehlende Vielfalt fungieren nun „Eskimo Callboy“, aber es fehlen ja auch Schlager, Rock, HipHop, es gibt nicht einmal eine Ballade. Selbst bei uns im Bloggerkreis, wo es durchaus unterschiedliche Blicke auf die EC-Bewerbung gab, sorgt die Verärgerung über die Monokultur der Radiojury dafür, dass sich die meisten hinter der Metal-Crew versammeln, die schon Wacken gerockt hat.

Drittens artikulieren sich jetzt auch stimmstarke Hipster-Influencer des Feuilletons kritisch über die „Mutlosigkeit, mal was Neues auszuprobieren“, wie Lutz van der Horst von der heute-show es formuliert. Auch Micky Beisenherz hat das Thema in seinem reichweitenstarken Podcast „Apokalypse & Filterkaffee“ angesprochen…

Exemplarisch und sehr zutreffend für die Gefühlswelt der Bubble hat sich PlietSchnack auf YouTube geäußert. Mit dem Worten „Es reicht!“ lässt er sehr Rezo-Style und sehr ESC-fundiert die desaströse jüngere deutsche ESC-Performance Revue passieren und schließt mit dem Appell, Eskimo Callboy mit einer Wildcard nachzunomieren, eine geübte NDR-Praxis („S!isters“).

Harter Tobak von PlietSchnack: „Die einzige Konstante seit vielen Jahren ist die arrogante Haltung des NDR.“

Binnen eines Tages hat PlietSchack bereits 50.000 Aufrufe auf YouTube, 7.000 Likes  und 700 Kommentare erreicht. Auch auf den ESC-kompakt-Social-Media-Kanälen melden sich weiterhin ebenso viele Menschen zu Wort wie hier in den Blog-Kommentaren und unter unserem jüngsten ESC-kompakt-LIVE-Video.

Alle drei „Fraktionen“ versammeln sich hinter einer Petition, die Ilka und Daniel aus der Lena Stadt Hannover bei Change.org gestartet hat. Die beiden sind große ESC UND Eskimo Callboyfans (ja, das gibt es gar nicht selten). Es ist eine unbeeinflusste spontane Faninitiative von leidenschaftlichen ESC Enthusiasten, die ihr Geld „im wahren Leben“ als Rettungssanitäter verdienen. Hinter der Forderung an die ARD „Bringt Eskimo Callboy zum Eurovision Song Contest“ versammeln sich zum Zeitpunkt dieses Beitrags über 60.000 Menschen, wenn Ihr dies lest, sind es wahrscheinlich schon wieder tausende mehr.

„Unser Ziel ist es, dass beim diesjährigen Vorentscheidung nicht nur die Wahl zwischen ein und demselben Genre in verschiedenen Verpackungen gestellt wird – wir wollen die von der Jury viel angesprochene Diversität und somit eine echte Chance, mit der Wahl in der Vorentscheidung etwas für den Erfolg beim ESC zu bewirken.“ wird die Petition auf Change.org begründet.

In einem Schreiben an den NDR, welches ESC kompakt vorliegt, heißt es weiter:

„Wie können Sie von einer Entscheidung des Hörers bzw. Zuschauers reden, wenn eine Fachjury aus 944 verschiedensten Songs sechs monotone, gleichklingende Lieder aus dem selben Genre ausgewählt hat und somit den Zuhörern nur die Wahl zwischen derselben Sache unter anderer Aufmachung lässt?“

Sehr vorausschauend fügen die Initiatoren hinzu: „Die Angelegenheit wird nicht einfach im Sande verlaufen. Das Thema wird die gesamte ESC Saison immer wieder aufkochen.“ Das ist in der Tat durchaus möglich, für die Hartnäckigkeit bei emotionalen Themen ist die Bubble bekannt und nicht vergleichbar mit anderen Fan-Milieus.

„Pump It“ ist einer von zwei Titeln, mit denen sich Eskimo Callboy, bei der Radiojury beworben haben. Der andere Hit ist „We Got The Moves“.

Fragt sich, wie der NDR mit dieser Grassrouts-Bewegung umgeht, die sich auch überall da abspielt, wo man in den ARD Kanälen zum ESC kommentieren kann, so dass die verantwortlichen Social-Media-Moderatoren im ARD Kosmos jeweils Nachschichten einlegen müssen.

Wird das Airplay der beteiligten Popwellen für die sechs Jurysongs so nachhaltig und wirkungsvoll sein, dass die „Eskimo Callboy Bewegung“ langsam weniger dominant wirken wird?

Dringen die Stimmen in der föderalen ARD mit neun Landesrundfunkanstalten, die sich für eine Wildcard stark machen, am Ende auch bei den öffentlich-rechtlichen Entscheidern durch?

Es wäre ja nicht das erste Mal, dass der NDR kurz vor dem Vorentscheid noch eine Wildcard aus dem Hut zaubert, wobei das 2019 auch nicht unproblematisch war, fragt mal „Lily among clouds“ und ihre Fans.

Und vor allem: Wie würden Eskimo Callboy, die sich auf Insta sehr gelassen über die Klatsche der Popwellen-Jury äußern (s.o., unter Applaus von Blind Channel btw) , mit einem Wildcard-Angebot umgehen?

Ihre Europa-Tour (s.o.) findet auch in den ESC-Wochen statt und ist inzwischen komplett ausverkauft – was ein weiteres kraftvolles Argument dafür ist, welches starke VE-Angebot eine Handvoll Radio-Entscheider da draußen vor der Tür haben stehen lassen.

Andererseits könnten Eskimo Callboy trotz ausverkaufter Tour zum Wildcard-Angebot nicht Nein sagen. Wie will man das den zehntausenden von Petitions-Unterzeichnern erklären, zumal EC die Petition von Ilka und Daniel in einer Insta-Story persönlich gehighlightet haben.

Es bleibt spannend, stay tuned. ESC kompakt bleibt dran.


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