Aserbaidschan und Griechenland machen’s vor: Neue ESC-Regeln = Neue nationale Auswahlverfahren?

Als es Nadir Rustamli in Turin ins Finale schaffte, vermutete man noch nicht, dass Aserbaidschan damit einen kleinen (wenn auch negativen) Rekord aufstellte: Nach dem ESC-Finale und der Bekanntgabe der detaillierten Ergebnisse war klar: Nadir ist der erste Künstler in der Geschichte des Wettbewerbs, der sich ohne einen einzigen Punkt der Zuschauer für das Finale qualifizieren konnte. Dass es für 2023 auch beim aserbaidschanischen Fernsehsender Ictimai eine Änderung beim Auswahlmechanismus geben wird, verwundert daher kaum. 

Doch auch einen anderen Grund könnte das geänderte Vorgehen einiger Fernsehanstalten für 2023 haben. Seitdem die EBU verkündet hat, dass über die Qualifikation für das Finale ab sofort alleine das Publikum entscheiden wird, gibt es auch die Diskussion: Wird sich die neue ESC-Regel auf die nationalen Auswahlprozesse auswirken? 

Aserbaidschan hat das Bewerbungsverfahren jetzt jedenfalls erstmals seit Jahren für Acts und Songwriter:innen „geöffnet“. Das heißt, dass der zuständige Sender nicht mehr eine gewünschte Auswahl von Acts zu einem Vorsingen einladen will, sondern dass sich alle Interessierten offiziell beim Sender bewerben können. Hierfür wurde am Donnerstag der Bewerbungsprozess gestartet. Das könnte zur Folge haben, dass nun Acts und Songs in Betracht gezogen werden, die eher das ESC-Publikum als die Jurys ansprechen.

Ab sofort und bis zum 31. Dezember können bereits fertig produzierte Songs, Demo-Versionen oder auch komplette Konzepte eingereicht werden. Es ist erstmals seit Jahren auch wieder möglich, sich als Künstler:in mit dem eigenen Song zu bewerben. Eventuell könnten wir 2023 Aserbaidschan also ohne schwedische Songwriter im Team erleben. Wer jedoch sicher mit im Team sein wird, ist der ESC-Gewinner aus Düsseldorf, Eldar Gasimov. Er verkündet jetzt auf Instagram, dass er der „musikalische Produzent“ im aserbaidschanischen Team kommendes Jahr sein wird:

„[…] Nun ist die Zeit (und die Einladung:) gekommen, auch beruflich wieder in die ESC-Familie zurückzukehren. Ich habe das Angebot von Ictimai angenommen, Musikproduzent für die aserbaidschanische Delegation beim ESC 2023 zu werden […] Ich möchte wieder all meine Energie in dieses Projekt stecken.“


Wie berichtet, wird es 2023 aber auch in Griechenland Änderungen bei der Auswahl für den ESC geben. Jetzt sind auch die Bedingungen für die „öffentliche Jury“ bekannt gegeben worden. Interessierte konnten sich beim Sender ERT bis Samstag bewerben, um mitzubestimmen, wer der griechische Act in Liverpool sein wird. Ab sofort werden rund 70 Personen ausgesucht, die Teil der öffentlichen Jury werden und Lust haben, ihre Meinung einzubringen.

Die Mitglieder müssen bereit sein, nach Athen zu reisen und eine bereits reduzierte Anzahl an Einreichungen zu beurteilen. Das Ergebnis wird dann mit der Bewertung der sieben-köpfigen Expertenjury verrechnet. Wer Griechenland am Ende vertreten darf, wird jedoch voraussichtlich nicht vor Februar feststehen. Für die öffentliche Jury gibt es bezüglich des Alters der Personen ganz bestimmte Vorgaben, wie ERT jetzt bekannt gab. Jede Altersgruppe soll unterschiedlich stark vertreten sein:

Altersgruppe 18-25 Jahre: 25 Personen 

Altersgruppe 26-35 Jahre: 20 Personen 

Altersgruppe ab 46 Jahren: 10 Personen 

Gerade beim griechischen Verfahren wirkt es so, als wolle man bewusst die Meinung der Masse (und damit möglichen TV-Zuschauer:innen) berücksichtigen, da ab sofort auch nur diese Meinung im ESC-Halbfinale zählen wird. Die Jahre zuvor, genauer gesagt seit 2016, hatte Griechenland nur eine interne Jury für die Entscheidung eingesetzt. Inwiefern sich die neue Methode auf das Ergebnis auswirkt, ist schwer zu sagen.

Neue Weg, um ans Ziel zu kommen, soll es für den kommenden ESC mehrere geben: Albanien wird 2023 zum ersten Mal alleine das Publikum über den ESC-Beitrag entscheiden lassen. Auch Rumänien wird ein 100-prozentiges Televoting nutzen. Norwegen hingegen wechselt beispielsweise (wahrscheinlich) wieder zum 50/50-Prinzip. Viele Änderungen in der kommenden Saison also – doch liegt das tatsächlich am neuen ESC-Abstimmungsverfahren in den Halbfinals?

Was denkst Du? Ist es eine gute Entscheidung, die Auswahl nicht mehr einer einzelnen (internen) Experten-Jury zu überlassen? Diskutiere gerne mit.


10 Kommentare

  1. Oha, die sind ja noch später dran als der NDR. Was, in Aserbaidschan kann man sich jetzt erst bewerben? Ganz schön spät, wie ich finde.

    • Im Verhältnis zu anderen Ländern ja schon aber andererseits haben sie auch noch gut ein Vierteljahr und sie planen auch keinen Vorentscheid, daher denke ich wenn sich talentierte Leute bewerben und die Verantwortlichen vom Sender auch wirklich die nötige Arbeit reinstecken, ein gutes Bühnenkonzept für Song und Künstler*in zu erarbeiten, sollte die Zeit ausreichen. Ich finde höchstens die Bewerbungsfrist etwas kurz.

      • @JoelESC
        The same procedure as every year. Aus Moldawien hört man nie etwas, bevor dann der Ach bekannt gegeben wird oder Auditions angekündigt werden, die dann doch wieder abgesagt werden.
        Abwarten und Tee trinken ist in Moldawien das höchste Gebot beim ESC-Auswahlverfahren.

  2. Prinzipiell halte ich unabhängige Eurovision Panel für eine gute Idee. In Deutschland hat das Panel 2018, 2019 und 2020 sehr geeignete Beiträge gewählt.

    Ich finde die Altersklassen und Anzahl der Personen im griechischen Panel interessant.
    Beim NDR würde man die Anzahl der Personen bestimmt an die Marktanteile der ARD koppeln…

  3. Werfe mal in den Raum , hinter Freaknation könnte Mark Forster stecken. ( Mitproduzent oder Songschreiber )

    Meine Gedanken dazu sind , er schreibt eigene Musik , er hat schon an mehreren anderen Projekten mitgearbeitet, er probiert viel aus, er hatte bei voice of Germany den ESC auch mal erwähnt ( weiß nicht mehr welches Jahr das war)

  4. Für Aserbaidschan wünsche ich mir mal einen richtig landestypischen Beitrag und kein Schwedenrodukt. Für Griechenland sowieso.

  5. Die These, dass diese Entscheidungen mit der ja noch sehr frischen Regeländerung zusammenhängen, halte ich doch für etwas gewagt 😉

    Bei Aserbaidschan bin ich auch einigermaßen skeptisch, dass da wirklich was anderes bei rumkommt als die letzten Jahre, zumal ja scheinbar immer noch die gleichen Leute entscheiden.

    Die altersmäßig quotierte griechische „Eurovision-Jury“ finde ich dagegen sehr interessant, bin sehr gespannt was da so passiert.

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