Künstlerische und private Herausforderungen: Emotionale Achterbahnfahrt für Ralph Siegel

Gleich mehrfach bewegte Ralph Siegel in diesen Tagen die Herzen seiner – unverändert – zahlreichen Fans.

Zunächst musste das Theater am Marientor in Duisburg – Spielstätte seines neuen Musicals „´N bisschen Frieden – Rock´n´Roll Summer“ aus wirtschaftlichen Gründen bekanntgeben, dass der Spielbetrieb im Oktober und November ausgesetzt und erst im Dezember 2022 wieder aufgenommen wird. Es wurden schlicht zu wenige Tickets verkauft. 15 Vorstellungen sind in diesem Jahr weiter terminiert und der Ticketverkauf geht weiter. Die Veranstalter hoffen, dass viele Ticketkäufer, die Karten für abgesagte Vorstellungen gekauft hatten, diese auf einen späteren Termin umswitchen.

Dass ein Konzert, Theaterstück oder Musical ausgesetzt, gestrichen oder verschoben wird, kommt viel häufiger vor als man es öffentlich wahrnimmt. Das erreicht nur nicht so oft eine breite Öffentlichkeit, wie es bei der Prominenz von Mr. Grand Prix logischerweise der Fall ist, wo der Boulevard ein klickstarkes (Pseudo-)Skandal-Thema dankbar aufgreift.

Oft wird auch der Grund für die Absage einer Veranstaltung vernebelt, im Falle von „´N bisschen Frieden“ ist der Theaterchef und Executive Producer Wolfgang DeMarco erfrischend ehrlich. „Wir liegen in einem Bereich, der einen wirtschaftlich sinnvollen Theaterbetrieb nicht erlaubt“, erläutert er die „traurige Entscheidung“, die er auch mit den „großen Turbulenzen“ begründet, der die Kulturszene und die Kulturschaffenden in den letzten zwei, drei Jahren nachweislich ausgesetzt waren und wohl auch weiter sind.

Die vorübergehende Stilllegung des Spielbetriebs steht im krassen Gegenteil zu der positiven Berichterstattung von der und nach der Premiere, die mit einem kuriosen Prominente-Mix Sympathie-Schlagzeilen erzeugte, und auch die ersten Rezensionen waren mehr als wohlwollend: „Die Story ist originell und witzig erzählt und reizte die Zuschauer an manchen Stellen zum Lachen. Das begeisterte Publikum feierte die fantastischen Darsteller immer wieder mit Szenenapplaus und zu Recht mit einem tosenden Schlussapplaus“, schrieb etwa die Rundschau in Duisburg.

Das positive Premierenecho hinderte den Boulevard logischerweise nicht daran, die wirtschaftliche Rückzugs-Entscheidung des Duisburger Theaters am Marientor zu inszenieren, zu dramatisieren und zu personalisieren. Die Münchener „tz“ macht daraus eine „bittere Klatsche für Ralph Siegel“ und die BILD deklariert ihn zum „Verlierer des Tages auf Seite 1 („BILD meint: Ein bisschen Fiasko!“)

Demgegenüber ist es schon zynisch, dass die neue maximal umstrittene Boulevardqueen der BILD Tanja May (abgeworben von der BUNTE) wenige Tage nach der Absage der Musical-Veranstaltungen die neuerliche Krebs-Erkrankung von Ralph Siegel im BILD-Schwestermedium BamS öffentlich machen darf – und das auch noch mit Originalton von Ralph Siegel. Die Gesetze des Boulevards sind unerbittlich, aber selbst für hartgesottene Boulevard-Leser ist diese Koinzidenz widerlich.

Man kann nur mit Respekt und Hochachtung darauf reagieren, wie offen Ralph Siegel mit seinen gesundheitlichen Herausforderungen umgeht – und darauf hoffen, dass ihm diese Offenheit hilft und dass es ihm sehr bald wieder besser geht.

Und den Kritikern, die aus der mutmaßlichen Musical-Pleite einen Irgendwie-Old-School-Abgesang auf das musikalische Wirken von Ralph Siegel ableiten, kann man nur entgegnen: Das, was Ralph Siegel für den Schlagerpop in Deutschland in fünf Jahrzehnten bewegt hat, das bleibt für immer. Und das gilt auch für seine zahlreichen ESC-Evergreens – von „Ein bisschen Frieden“ über „Dschinghis Kahn“ bis „Johnny Blue„.

Ein bedauerlicher Musical-Flop im Ruhrgebiet ist bei Betrachtung des Lebenswerks von Ralph Siegel dagegen ein Tropfen auf einen heißen Stein. Ein Schützenfest – egal wo in diesem Lande – ist ohne „Griechischer Wein“ oder „Fiesta Mexicana“ gar nicht vorstellbar, egal, ob man die Songs nun mag oder nicht. Wenn ich das schreibe, klingt das kitschig und pathetisch, aber es ist doch vor allem eins: Es ist wahr(haftig) und echt.

In unserer ESC-kompakt-WhatsApp-Gruppe hatte ich hinzugefügt: John Travolta galt in Hollywood einmal nach diversen Flops in Folge als Kassengift und dann kam „Pulp Fiction„, ein Klassiker, der heute in allen Best-Movies-Ever-Bestenlisten mitspielt. Ich weiß nicht, ob diese Analogie 100% passt, aber Ihr wisst schon, was ich meine…

Noch eins: Ralph Siegel ist engagierter Unternehmer, der aus Leidenschaft für die Musik immer wieder etwas wagt. So ist etwa das von vielen Fans geliebte Festspielhaus-Neuschwanstein-Musical „Zeppelin“ entstanden. In Füssen sind die Investitionen aufgegangen, in Duisburg noch nur. Wer etwas wagt, der riskiert, dass Wagnisse auch einmal schiefgehen können. Die Leidenschaft, mit der Ralph Siegel an wirtschaftliche (und – wie wir jetzt wissen – körperliche) Grenzen geht, ist eindrucksvoll.

Vielleicht trösten Ralph Siegel auch ein wenig die Neuigkeiten seines „Zöglings“ Nicole. Diese meldet sich in diesen Tagen nach überstandenen schwerer Erkrankung mit einem neuen Album zurück, dass dann auch „Ich bin zurück“ heißt. Es sind sieben neue Songs drauf und sie interpretiert weitere sieben ihrer größten Hits neu – darunter auch ihren ESC-Siegertitel aus 1982 mit einer Strophe auf Russisch.

„Ich will mich mit den Ukrainern solidarisch erklären (…) mit einer kleinen Geste an die geschundenen, sich auf der Flucht befindlichen und allein gelassenen Menschen dieses Krieges, die wir weiter unterstützen müssen.“ begründet Nicole in der (unvermeidlichen) BILD ihre Botschaft und es ist ihr sicherlich zuzustimmen, dass jede Geste dieser Art auch hilfreich ist, dass die Aufmerksamkeit und Unterstützung für die Ukraine nicht nachlässt.

Ralph Siegel wünschen wir an dieser Stelle noch einmal, dass es bald und nachhaltig besser geht und dass ihm die kraftvolle Zuversicht, die er in öffentlichen Statements zeigt („Die Ärzte sagen mir, ich würde es schaffen. Das ist mein fester Wille.“), dabei hilft.


Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

17 Comments
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
Nils
Nils
1 Jahr zuvor

Man kann zu Ralph Siegel und seinem Ego ja stehen, wie man will, aber wer ihm angesichts seines gesundheitlichen Rückfalls etwas anderes als das Beste wünscht, braucht eindeutig Nachhilfe in Menschlichkeit.

Thilo mit Bobby
Mitglied
1 Jahr zuvor
Reply to  Nils

Volle Zustimmung. Ich wünsche ihm eine gute Genesung und viel Kraft

AlexESC
AlexESC
1 Jahr zuvor

Ich habe mich schon vor ein paar Tagen zu der aktuellen Situation von „´N bisschen Frieden“ geäußert, aber hier kurz noch mal: Man hat ein bisschen zu wenig Infos nach außen getragen, was die Songs betrifft. Normalerweise kann man bei neuen Musicals in ein paar Songs immer reinhören. Sogar bei „Zeppelin“ war dies der Fall mit dem Song „Ich hab gelebt“. Ich weiß also bis heute nicht, ob „´N bisschen Frieden“ jetzt neue Songs beinhaltet oder es sich hierbei um ein reines Jukebox-Musical mit den bereits bestehenden Songs von Ralph Siegel handelt.

Klar, so Sachen, dass Musicals nicht gut ankommen passiert halt mal, so wie es halt auch im Fernsehen passiert, dass Shows/Serien nach ein paar Folgen -aufgrund geringer Quoten- bereits wieder aus dem Programm geschmissen werden.
Auch Stage Entertainment kann dazu ein paar Lieder singen, denn auch hier kamen einige Musicals in den letzten Jahren nicht so gut beim Publikum an wie gehofft u.a. „Das Wunder von Bern“ im Theater an der Elbe oder „Amélie“ im Werk7-Theater München.

Ansonsten wünsche ich Ralph Siegel nur das allerbeste und dass er es auch dieses mal schafft, den Krebs die rote Karte zu zeigen. Und wer wieß, vielleicht wäre ja ein Schlagersong für Deutschland beim ESC doch mal wieder etwas, was die anderen Nationen begeistern könnte? Vielleicht dann von Ralph Siegel komponiert? Mit Bernd Meinunger und Michael Kunze hätte er außerdem natürlich nach wie vor zwei hochtalentierte Textdichter an seiner Seite.

escfrust05
escfrust05
1 Jahr zuvor

Natürlich wünsche ich Herrn Siegel gesundheitlich alles gute. Hoffentlich hat der Flop mit diesem Musical in Duisburg keine weiteren noch viel größere wirtschaftliche Folgen. Denn das kann er wirklich im Moment gar nicht gebrauchen. Er sollte sich ganz auf seine Gesundheit konzentrieren. Alles Gute Herr Siegel, ich drücke Ihnen die Daumen das sie den Krebs erneut besiegen. Ach ja: SCHEISS KREBS.

Timo1986
Timo1986
1 Jahr zuvor

Ich wünsche Ralph Siegel von Herzen ……. ganz wenig Angst, viel Kampfgeist, ein nie endendes Durchhaltevermögen, die beste ärztliche Behandlung ever und eine vollständige Heilung von seinem Krebsleiden.

🎼 Lieber Ralph Siegel, Ihr Musical wird sich wirtschaftlich genauso erholen, wie Sie gesundheitlich wieder auf Hochtouren kommen werden ! 🎼

Sie schaffen das ! 😀

Gaby
Gaby
1 Jahr zuvor

Alles Liebe und Gute, Herr Siegel, und gute und baldige Genesung.

Gaby
Gaby
1 Jahr zuvor
Reply to  Gaby

Was den schleppenden Kartenverkauf betrifft: Bin zwar kein großer Musicalfan, es tut mir aber trotzdem sehr leid, vor allem hoffe ich auch, dass die finanziellen Einbußen für Herr Siegel nicht so groß sein werden.
Ist vielleicht wirklich im Moment schwierig für kulturelle Veranstaltungen allgemein, da die Leute auf diesem Gebiet im Moment etwas kürzer treten müssen…

Matty
Matty
1 Jahr zuvor
Reply to  Gaby

Auf der anderen Seite gibt es aber auch leider zu viele Musicals, die einander im Wettbewerb stehen und es wäre besser gewesen, wenn man mit der Premiere noch bis nächstes Jahr gewartet hätte.p

zwo.2
zwo.2
1 Jahr zuvor

Das Lied „Griechischer Wein“ hat Udo Jürgens gesungen und mit Michael Kunze („Telegram“, „Rücksicht“, „Aufrecht geh’n“) getextet. Komponiert hat Udo Jürgens allein. Ralph Siegel war lediglich nur der Produzent. Eigentlich sollte das Lied „Sonja, wach auf“ heißen.

escfrust05
escfrust05
1 Jahr zuvor
Reply to  zwo.2

Ich stelle mir gerade vor, wie Udo Jürgens zu der bekannten Melodie von Griechischer Wein, „Sonja wach auf“ singt. Passt gar nicht.

Marir
Marir
1 Jahr zuvor
Reply to  zwo.2

Den Text zu „Rücksicht“ hat Volker Lechtenbrink geschrieben, nicht Michael Kunze.

Rainer 1
Rainer 1
1 Jahr zuvor

Es ist ja in dieser woke-zeit allgemein so, dass alles was schon älter ist und früher beliebt und erfolgreich war, jetzt runtergeputzt wird. Ich finds zum 🤮🤮

AlexESC
AlexESC
1 Jahr zuvor
Reply to  Rainer 1

Leider ja! Ist aber jetzt hier eigentlich nicht der Fall, sondern vielleicht einfach zu wenig (und eventuell auch falsche) Promotion. Wie von mir oben in einem Kommentar bereits angesprochen z.B. mit den Infos zu den Songs.

sam
sam
1 Jahr zuvor

Alles Gute Ralph Siegel.
Außerdem werden heute Abend um 18 Uhr deutscher Zeit in der Show ,,Ringvaade“ die Teilnehmer am 1. Halbfinale von ,,Eesti Laul“ bekanntgegeben. Achtung in Estland ist die Show um 19 Uhr.

https://eurovoix.com/2022/11/01/today-eurovision-november-1-2022/

Hier kann man sich übrigens die Show anschauen:

https://etv.err.ee/

ESC1994
ESC1994
1 Jahr zuvor

Wünsche Herrn Siegel alles Gute, Krebs ist einfach ne Scheißkrankheit, sory für die Wortwahl.

Ansonsten wünsche ich euch allen einen schönen Tag sowie den Usern aus Bayern, Baden-Württemberg, Saarland, Rheinland-Pfalz und NRW einen schönen Feiertag. 🙂

Nils
Nils
1 Jahr zuvor

Fühlt sich hier sehr deplatziert an, aber: Holland hat seine Teilnehmer genannt.
https://wiwibloggs.com/2022/11/01/mia-nicolai-and-dion-cooper-will-sing-for-the-netherlands-at-eurovision-2023/273703/

escfrust05
escfrust05
1 Jahr zuvor
Reply to  Nils

Mal sehen. Was die Niederlande uns dieses Jahr präsentiert. Vielleicht sogar ein Rocksong. Die beiden sehen schon sehr nach Rockmusiker aus.