Live-Blog: Grand Prix Eurovision de la Chanson 1982 – 40 Jahre danach

40 Jahre danach – und zwar auf die Sekunde – feiern wir auf ESC kompakt den Grand Prix Eurovision de la Chanson aus dem Jahre 1982, der im zauberhaften britischen Harrogate stattfand. Lasst uns gemeinsam noch einmal diesen wunderbaren Wettbewerb erleben, als „Ein bisschen Frieden“ noch „Ein bißchen Frieden“ geschrieben wurde – in einem Jahr, welches ein Meilenstein in der deutschen ESC-Geschichte ist. Die Erinnerung ist das Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden kann. Aber wir schauen den ESC mit Euch in Echtzeit und werden viele Diamanten der Eurovisionsgeschichte neu entdecken und kommentieren.

Die deutsche Vorentscheidung zum heutigen Abend haben wir bereits vor gut einem Monat live gebloggt.

Es gibt heute Abend zwei Alternativen zum Mitschauen.

I. Die komplette Show ohne Kommentar (d.h. Ihr könnt Euch auf den Dialog hier konzentrieren):

II. Die komplette Show mit dem deutschen Originalkommentar von Ado Schlier:

Ich werde hier die Ado-Schlier-Version kommentieren und dies tatsächlich live ab 21 Uhr tun, d.h. Ihr bekommt von mir keine vorgeschriebenen Stanzen, sondern ich versuche authentisch das aufzuschreiben, was mich beim „Live“-Zuschauen inspiriert und mir gerade so in den Sinn kommt.

Los geht es exakt zu der Zeit, zu der die große Show auch in Harrogate begonnen hat, also EXAKT 40 JAHRE nach dem Erfolg unserer Pizzafreundin aus dem Saarland.

Eine wichtige Vorbereitung ist bereits getroffen. Meine Candy-Bar ist bereits seit gestern opulent bestückt (inkl. Ostereier/Osterhasen-Reste-Essen).

Wir freuen uns auf einen beschwingten Abend mit vielen Highlights – und vor allem mit Euch.

Hier schon einmal die Startreihenfolge:

  1. Portugal: Doce „Bem bom“
  2. Luxemburg: Svetlana „Cours après le temps“
  3. Norwegen: Jahn Teigen und Anita Skorgan „Adieu“
  4. UK: Bardo „One Step Further“
  5. Türkei: Neco „Hani?“
  6. Finnland: Kojo „Nuku pommiin“
  7. Schweiz: Arlette Zola „Amour on t’aime“
  8. Zypern: Anna Vissi „Mono i agapi“
  9. Schweden: Chips „Dag efter dag“
  10. Österreich: Mess „Sonntag“
  11. Belgien: Stella „Si tu aimes ma musique“
  12. Spanien Lucía „Él“
  13. Dänemark: Brixx „Video, Video“
  14. Jugoslawien: Aska „Halo, halo“ (Хало, хало)
  15. Israel: Avi Toledano „Hora“ (הורה)
  16. Niederlande: Bill van Dijk „Jij en ik“
  17. Irland: The Duskeys „Here Today Gone Tomorrow“
  18. Deutschland: Nicole „Ein bißchen Frieden“

Schon das Lesen dieser ESC-Preziosen lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen, um mal eine Stanze zu bemühen. Und alles in Landessprache, das lasst uns feiern! Wer wird das Rennen für sich entscheiden? Wie viele Punkte bekommt Deutschland aus Österreich? Wer ist der Favorit der deutschen Jury? Und welcher ist der Lieblingssong des Chronisten (ein all time favourite, btw)?

Bis später um 21 Uhr an dieser Stelle! Ich freue mich, wenn Ihr dann ebenfalls den Stream startet und den ESC 1982 unter diesem Live-Blog ebenfalls mitkommentiert.

Und noch ein Hinweis: Dieser Live-Blog wird weniger faktenbasiert sein (diese liegen nach 40 Jahren bei Wiki & Co. ausreichend umfangreich vor), sondern emotionen-basiert.

Um das „emotionen-basiert“ zu illustrieren, mag ich eine zeitgeschichtliche persönliche Anekdote andocken. 1982 hatte ich nämlich mit dem ESC nicht viel am Hut. Meine musikalischen Leidenschaften konzentrierten sich damals auf chartfähigen US Heavy Metal (Mötley Crüe fällt mir spontan ein) und vor allem auf Disco/Soul aus der Disco-Spätphase (nachdem es schon die „Disco Sucks“ Bewegung gegeben hatte). Signature Songs aus der Zeit, die ich geliebt habe, waren „I specialize in love“ von Sharon Brown, „Love can turn around“ von Donald Byrd, „I like what you´re doing to me“ von Young & Co. aber auch „The Breaks“ von Curtis Blow. Auch Jeffrey Osborne, Evelyn Champagne King, Michael Jacksons frühe Sachen, Motown in allen Facetten, you name it. Ich hatte DJ-Mix-Cassetten aus dieser Zeit (also Discotheken-Mitschnitte) an meinen derzeitigen Arbeitsplatz mitgenommen und das war eine Bundeswehrkaserne in der niedersächsischen Provinz. In der Kaserne war auch eine US Einheit stationiert und so entwickelten sich zuweilen im „Unteroffiziersheim“ spontan an zufälligen Abenden Discosessions, denn dort „arbeitete“ ich als „Ordonanz“, vulgo Barkeeper. Die US Soldaten waren richtig geflasht, in der deutschen Provinz plötzlich heimatliche Dance/Disco-Sachen zu hören.

Was hat das alles mit Nicole zu tun? Nun, zwar war ich in dieser Zeit weitgehend ESC-abstinent, aber „Ein bißchen Frieden“ habe ich in meine Playlist aufgenommen. Ich war geflasht von der Harrogate „Zugabe“ in gefühlt acht Sprachen, die Nicole (von Ralph Siegel gut kalkuliert) nach ihrem ESC Erfolg gegeben hatte. Und von dem gigantisch Erfolg, den ein Song auf deutsch plötzlich in ganz Europa hat. Platz 1 im Mutterland des Pop, wow wow wow

Das alles hat ich so beeindruckt, dass ich „Ein bißchen“ Frieden auch auf Cassette aufgenommen habe und (bevorzugt in der Mittagspause) hinter der Theke abgespielt habe. Das hat die US Soldaten nicht gestört (die waren – wenn überhaupt – eher Abends zu Gast), aber die Damen aus der zugeschalteten Kantinenköche mit Durchreiche zur Bar, wo ich das Essen für die Gäste bestellt habe („Zigeunerschnitzel“ und „Jägerschnitzel“ und so), die fanden das super. So wurde auch „Ein bißchen Frieden“ / „A little people“ zu einem Kulthit in einem Bundeswehr-Soldatenheim, wo die Anwesenheit von US Soldaten Pflicht war, weil dort nämlich Pershings zu bewachen waren. Der „kalte Krieg“ zu der Zeit hat bekanntlich zu der Friedens-Sehnsucht geführt, die zu dem Erfolg von „Ein bißchen Frieden“ beigetragen hat. Ihr seht, der Siegel/Meinunger-Song hat für mich geradezu geschichtliche Bedeutung.

Alles andere, was da heute zu sehen und zu hören ist, habe ich mir – wenn überhaupt – erst retrospektiv erarbeitet. Dazu dann ganz spontan später mehr.

Es ist soweit, aus HHH (Hansestadt Hamburg Stadtteil Harvestehude) begrüßt Euch herzlich Peter.

Ich freue mich auf eine beschwingte Zeitreise mit Euch.

Los geht´s mit der Eurovisions-Hymne. Ach, ist das schön.

Hallo Harrogate! „Stadt der Blumen“ sagt unser Moderator Ado (Schlier)

Bei einem Blick aufs Starterfeld fällt auf: Frankreich und Italien fehlen. Die beiden EBU-Partner haben 1982 beschlossen, auszusetzen. Zum Glück eine vorübergehende (Zeit-)Erscheinung. Während Frankreich und Italien sich mit Begründungen des Aussetzens zurückgehalten hatten, hat die damalige griechische Kulturministerin Melina Mercouri den Verzicht auf die Teilnahme mit der Unwürdigkeit des Wettbewerbs begründet. Nun denn, weiterhin alles Gute, Melina.

Jan Leeming (bekannteste und beliebteste UK Nachrichtensprecherin zu der Zeit) eröffnet.

500 Mio Zuschauer/Zuhörer sind dabei, 300 Mio am TV und 200 Mio via Radio. Und 1982 stimmten diese Zahlen sogar, die heute von der EBU oft geschönt werden.

Und los geht´s!

Portugal: Doce „Bem bom“

Wow, das kenne ich gut, das ist ein Klassiker. Gruß ans Hamburger Portugiesenviertel.

Vier weibliche Musketiere singen einen lautmalerische Mitklatsch-Schlager. Toller Auftakt mit Mecado-Choreo. Großes Kino. I like it a lot.

Übrigens habe ich für heute Abend das klassische Punkteschema außer Kraft gesetzt. Ich bin ganz allein und erhöhe die Skala auf eine Höchstpunktzahl von 17 statt 12. Und 0 ist auch möglich.

Portugal bekommt 17 Punkte.

 

Luxemburg: Svetlana „Cours après le temps“

Sventlana klingt ja erstmal nicht französisch, sieht sehr sympathisch aus mit Ihrem Abiklassen-Lächeln.

Oh, das kommt mir auch bekannt vor, aber eher vom Vorbeiplätschern. Der fünfköpfige Chor, der sieht unterstätzt, hat etwas Charmanes, vor allem der junge Mann in der hinteren Reihe rechts.

Das erscheint mir selbst für 1982 aus der Zeit gefallen. Zu brav, zu bieder. Nett aber langweilig.

Der Chor fängt an zu klatschen, was definitiv nicht zu diesem Song passt.

8 Punkte

 

Norwegen: Jahn Teigen und Anita Skorgan „Adieu“

Ados Moderation gefällt mir, angenehm unaufdringlich. Hier kommentiert er treffend „Brotaufstrich mit etwas süsslichem Geschmack“. Well done, Ado.

Ich habe Ado gerade mal gegoogelt und festgestellt, dass er auch als Autor für den deutschen Playboy tätig war.

Diesen Song kenne ich aufgrund meiner Skandinavien-Lastigkeit der letzten zwanzig Jahre selbstverständlich. Das ist auf diversen Skandipop- und Eurovisions-Samplern aus Skandinavien drauf, die ich besitze.

Jan und Anita verdienen schon aufgrund ihrer Heritage die Höchstpunktzahl.

Also 17 Punkte für Norwegen.

 

Bardo „One Step Further“

Baro wurden extra für den ESC zusammengestellt / kreiiert – das wusste ich nicht.

Der Song allerdings ist ein ESC Partyklassiker. Und die Choreo durfte ich schon auf diversen Fanclubtreffen auf der Bühne sehen, z.B. in Frankfurt in irgendeiner Mehrzweckhalle, wo dann auch Paul Oscar später aufgetreten war…

Das ist sehr 80s und könnte heute auch in einem ARD Kinderprogramm, dass von dem anstrengenden Elton moderiert wird, stattfinden.

Stephen, die männlichen 50% von Bardo, sieht ganz schnuckelig aus.

Ich habe nicht das Gefühl, das die beiden stimmlich alles superrichtig machen, aber das braucht der Fun-Song auch nicht unbedingt.

17 Punkte

 

Türkei: Neco „Hani?“

Oh, das ist mir auch vertraut. Das Intro hat was von den Discosongs der 70er, die schwelgend-kitschig mit viel Geigen anfangen.

Sehr „westlich“ für einen Turkey-Song aus der Zeit. Aber kleine Ethno-Spritzer gibt´s auch, sehr nice.

Ich feiere an dieser Stelle mal die Verpflichtung zur Landessprache. Vielleicht nicht mehr ganz zeitgemäß, aber aus emotionaler Perspektive großartig.

Sexy, Percussions zwischendurch wieder als Disco-Zitat. Klasse!

14 Punkte für Neco aus Ankara

 

Finnland: Kojo „Nuku pommiin“

Von den 18 Liedern handeln 12 von Liebe, sagt Ado. Zwei seien „Problemlieder“, davon eins aus Finnland.

Botschaft: Weg mit der Neutronenbombe. Wieso ist das ein „Problemlied“? Ist für mich eher ein Problemlösungslied.

Kojo im roten Lederanzug mit blondgefährten Haaren (viel zu viel Chemie beim Frisör) ist ja schon mal der Knaller. Leider kann er nicht singen.

Und zwischendurch noch eine Blues Brothers Bridge.

Meine Güte, ist das schlecht. Das könnte Letzter werden, selbst wenn ich es nicht wüsste.

Dennoch 16 Punkte für die Botschaft, für den roten Anzug, für die große Trommel und für die Eigenständigkeit.

 

Schweiz: Arlette Zola „Amour on t’aime“

Arlette wird als „begehrte Schlagersängerin“ anmoderiert.

Ungefähr zum fünften Mal erwähnt Ado, dass die Schweiz ja das Privileg hat, aus drei Sprachen auswählen zu können. Wieso nur drei?

Französisch ist dann zwar sicher eine gute Wahl, aber der Song ist maximal langweilig und ich habe das Gefühl, ich höre ihn zum ersten Mal. Das muß aber nicht stimmen, viele Passage sind so beliebig, dass es auch sein kann, das ich mir einfach nicht merken konnte, den Song gehört zu haben.

Tut mir leid, liebe Schweizer. Marius neulich im ESC kompakt live Chart war einfach striking großartig, selten so ein entspannt-lässiges-authentisches Interview für ESC kompakt gemacht, aber 1982 war ein Flop, aus meiner Sicht.

2 Punkte

 

Zypern: Anna Vissi „Mono i agapi“

Hier nun einer der besten ESC Songs aller Zeiten, sicher in meiner All Time Top 40.

Ich liebe Anna Vissi und besitze sogar Solo-Alben von Anna. Sie hat dazu beigetragen, dass der ESC 2006 in Athen für mich der beste Live-vor-Ort-ESC aller Zeiten ist.

Dieser Song hat Eleganz, Stil, Kraft, Pathos im besten Sinne, einer wunderbare Botschaft, eine wünderschöne Melodie. Und Annas Kleid ist sensationell chic, würde auch heute noch funktionieren.

18 Punkte

 

Chips „Dag efter dag“

Und noch ein Titel wie der von Jan und Anita, den ich auf diversen Skandi-Samplern besitze und deshalb schon oft bis zum Anschlag gehört habe.

Zu Kikki (Danielsson) und Elisabeth (Andreassen) muß ich nichts sagen, oder? Göttinnen einer eigenen ESC-Kategorie. Mit Elisabeth hatte ich schon mal die große Ehre, auf einer ESC Party einen Gin-Tonic trinken zu dürfen. One of the best moments of my (long) ESC life.

Der Titel ist in der Tat das, was Ado „koventionell“ sind. Aber why not, geht gut ab!!

17 Punkte

 

Österreich: Mess „Sonntag“

Schon wieder ein Song, den ich großartig finde.

Ado merkt an, dass das ein Bucks Fizz Abkupfer ist. Bucks Fizz haben den Wettbewerb bekanntlich 1981 gehört und nach Harrogate geholt.

Wer kam eigentlich auf den Bandnamen Mess?

Wiki erzählt mir, dass die beiden einmal verheiratet waren. Der hellblaue Pullunder von Michael aka Fritz ist ja der Superburner.

Mensch ist das schön und Michael sieht echt gut aus. Und die gymnastikähnliche Choreo ist auch eine Liga für sich.

Ado meint, das wäre nicht nur „gesungen“ sondern auch „gelaufen“ worden und fordert „doppelte Gage“.  Ich wusste gar nicht, wie subtil das damals zuweilen schon war. Cooler als heute sogar.

17 Punkte für Österreich

 

Belgien: Stella „Si tu aimes ma musique“

Hier fällt mir auf, dass auch in den 80ern schon Regiefehler bei der Kameraführung passiert sind.

Den Song erinnere ich nicht und spontan gibt es hier auch nichts, an dem ich mich spezifisch erfreuen kann, aber das mag an mir liegen.

Hier hätte Ado „konventionell“ sagen können. Weder musikalisch, noch optisch, noch stimmlich einprägsam.

Ich frage mich, wieso das so hoch bei den Buchmachern liegt.

4 Punkte

 

Spanien Lucía „Él“

Euren Kommentaren entnehme ich, dass hier ein argentinischer Tango mitten im Falkland-Krieg zur Aufführung kommt.

Sowas würde die EBU heute nicht mehr durchgehen lassen.

Lucia sieht fantastisch aus und der Song ist auch ok, wenn man die Provokation ausblendet.

Hausmannskost zwar, aber auf eine gute traditionelle Art und Weise.

10 Punkte

 

Dänemark: Brixx „Video, Video“

Ado ist auch hier wieder für mich der Hit! Der Kommentar „Der Berufsstand der Musiker ist bei Brixx nicht überrepräsentiert“ ist genial.

Der Titel hat ja gesellschaftskritische Elemente, Videokultur, Medienkonsum und das alles.

Eigentlich ganz zeitgemäß nur ein Jahr nach der Gründung von MTV, aber dann doch wieder aufgesetzt.

Außerdem ist das stimmlich und musikalisch eher gruselig. Das beste sind noch die buten Jackets der Jungs, die auch aus einem MTV Clip dieser Zeit stammen könnten.

11 Punkte, weils Dänemark ist.

 

Jugoslawien: Aska „Halo, halo“ (Хало, хало)

Nun das Land, dass heute vier oder mehr Songs zum ESC schickt, mit einem Song in serbokratisch.

Wow, das fängt an, als könnte es ein Schwedenschlager sein. Mit dem einsetzenden Gesang flacht der Schwung leider ab, aber das Intro war beschwingt und das „Schubiduah“ zwischendurch ist auch mitreissend.

Und die Choreo, die alle Elemente einer Laien-Tanztheatergruppe aus Paderborn verwirklicht, hat heute auch etwas angenehm campes.

14 Punkte

 

Israel: Avi Toledano „Hora“ (הורה)

Jetzt also ein Kibbuz-Popklassiker, zu dem ich schon viel auf ESC-Partys abgehottet habe.

Avis fünf Tänzer fassen sich an den Händen und umtanzen ihn im Kreis. Das muss man sich erstmal trauen. Really nice.

Der Refrain ist logischerweise Kult, mehr ESC geht nicht. Überhaupt ist die Choreo ESC-klischee im besten Sinne bis zum Anschlag.

Hier kann man lernen, wie man mit der Inszenierung einen mittelmäßigen Song nach vorne putscht. Deutsche Delegation, are you watching?

Ado nennt den Titel „lebendig“. In der Tat, Ado.

Hora! 17 Punkte

 

Niederlande: Bill van Dijk „Jij en ik“

„Auch Vögel spielen eine Rolle“ sagt Ado nüchtern zu einem Songtext-Auszug mit Schwalben. Groß!

Wow, Bill im weißen Overall sehr 80s, hat fünf Frauen dabei – als Band und Background, alle in anderen Pastellfarben in Mini oder auch im Overall.

Ich bin schon auf vielen ESC Partys in den Niederlanden gewesen, wo gerne heimische Songs gespielt werden aus fünf Jahrzehnten, aber dieser ist mir nicht untergekommen. Aber das macht nix, er gefällt mir ganz gut. Eher schlicht, aber relativ catchy.

Und die Interaktion von Bill mit seinen fünf Mädels ist tacky und sympathisch zugleich.

14 Punkte

 

Irland: The Duskeys „Here Today Gone Tomorrow“

Schöner Claim, passt für so viele Momente im Leben.

Mensch, das ist wirklich eine Zeitreise in die 80er heute, auch The Duskeys nehmen uns super mit. Wieder ein Pastell-Feuerwerk wieder eine Gymnastik-Choreo Jane-Fonda-Style. Fehlen nur noch die Schulterpolster.

Die Choreo ist perfekt getanzt in ihrer Unfertigkeit, der Song ist leider ein Ausfall. Aber an dieser Stelle im LineUp ist das schnell verziehen, es kann ja nicht jeder vorne landen.

8 Punkte

 

Deutschland: Nicole „Ein bißchen Frieden“

„Unser Lied“ (Ado) wird mit der Nationalhyme eingeläutet, das wusste ich gar nicht mehr.

In der Postkarte werden die Deutschland-Klischees arg strapaziert, es läuft eine Trachtengruppe durchs Bild. Viel Schwarzwald und so.

Norbert Daum is „Conductor“, nice. Norbert ist regelmäßig auf OGAE Clubtreffen zu Gast gewesen.

Was soll man hierzu aufschreiben?!!? Die weiße Gitarre ist immer noch ein Marketing-Coup! Die Stimme von Nicole ist stark, glockenhell.

Meines Wissens lagen den Jurys damals die Texte übersetzt vor und dieser Text passt in die Zeit des kalten Kriegs wie kein zweiter. Wenn es nicht zynisch wäre, würde man auch hier an höchstes Marketing-Geschick denken.

Ralph Siegel im Männerchorus ist auch noch einmal ein sympathisches Detail. Er hat mal erzählt, dass er mit einem (unbehandelten) Tinnitus nach Harrogate gereist ist, weil ich so wichtig war, immer und durchgängig dabei zu sein. Und hat hinzugefügt, dass er den Tinnitus dann nicht mehr losgeworden ist. Fällt mir jetzt wieder ein, hatte auch mal mit dem Thema zu tun, aber glücklicherweise nicht so lange…

17 Punkte für Nicole selbstverständlich, it´s beyond my control.

 

Statt eines Schnelldurchlaufs setzt nun episch lange Fremdenverkehrswerbung ein. Würde heute nicht gehen, der Zuschauerverlust wäre zu riskant. Aber 1982 gab es noch nicht so viele Alternativen, wiewohl MTV schon am Start war, wohl aber noch nicht in Europa…

Die Punktevergabe startet. Das Procedere wird auch in französisch vorgetragen. Gute alte Zeiten.

Frank Neef überwachtet das Procedere für die EBU, er sitzt am Pult in der Halle. Manche Dinge sind geblieben.

Portugal gibt die ersten zwölf Punkte des Abends an Deutschland. „Wir führen“ sagt Ado dazu.

Wie beschwingt, dass auch die niedrigen Punktzahlen einzeln vorgetragen werden. Nochmal gute alte Zeit.

Die 12 aus Luxemburg geht an die UK, Deutschland geht leer aus.

Norwegen gibt nur 8 Punkte an Schweden, aber 10 Punkte an Nicole. Anna Vissi kriegt die 12 Punkte, wie wahrhaftig, wie richtig, wie sexy.

8 Punkte an Deutschland kommen aus UK hinzu, die Schweiz erhält die Höchstpunktzahl. Deutschland führt im Scoreboard.

Erfrischend ist, dass alle Telefonate „straight to the points“ beginnen, die üblich gewordenen Höflichkeitsstanzen, die heutzutage oft ähnlich klingen, entfallen.

Die Türkei gibt Deutschland auch 12 Punkte, mit 42 Punkten hat Germany 10 Punkte Vorsprung zur zweitplatzierten UK.

10 Punkte aus Finnland nach Germany, Israel kriegt verdient die 12.

Auf gute Nachbarschaft! 12 Punkte aus der Schweiz an den DACH-Nachbarn Deutschland.

Zypern, das Land mit dem besten Song im Wettbewerb, ist dran. Und vergibt ebenfalls seine Höchstpunktzahl an den Siegel/Meinunger-Titel.

Die Niederlande bekommt die ersten Punkte aus Schweden, starker Applaus setzt ein. Nun ist nur noch Finnland ohne Punkte.

Schweden vergibt 8 Punkte an Deutschland, 10 an Israel und 12 an Juguslawien. Ein Raunen geht durch die Halle.

Und jetzt Österreich. Es gibt den legendären EINEN Punkt für Deutschland. Ein lautes Gelächter in der Halle setzt ein. Man wäre gerne in der Jurysitzung dabei gewesen.

Die 12 Punkte aus Österreich gehen an die UK. Das sorgt logischerweise für Stimmung in Harrogate.

Belgien belohnt zweimal DACH. 10 Punkte an Deutschland, 12 Punkte an die Schweiz.

Spanien schickt 12 Punkte nach Deutschland. Ich frage mich, ob die Mallorca-Connection schon 1982 aktuell war?

Es geht jetzt Schlag auf Schlag. Auch aus Dänemarkt folgen 12 Punkte.

Ralph Siegel wird eingeblendet. Ado sieht, dass sich „die Hoffnungen stabilisieren“.

Das gilt erst recht, nachdem auch aus Juguslawien 12 Punkte hinzukommen.

Die Leitung aus Israel rauscht zwischenzeitlich stark. Und es kommen die legendären zwölf Friedenspunkte aus Israel an Deutschland.

Moderatorin Jan sagt zum achten oder neunten Mal „no doubt about it“, „Germany is in the lead“.

6 weitere Punkte kommen aus den Niederlanden für Nicole, die 12 geht supersympathischerweise an Anna Vissi. Ihre zweite 12 in Harrogate.

Ado dämmert, dass nichts mehr passieren kann in Sachen ESC Gewinn für Nicole, aber er will „den Tag nicht vor dem Abend freuen“.

Auch aus Irland folgt die 12.

Ganz zum Schluß und ganz entspannt darf Deutschland voten: 6 Punkte an Anna Vissi. Die Top 3 gehen an Luxemburg (8), Norwegen (10) und Israel (12).

Die deutschen Punkte aus Deutschland an Israel erzeugen einen großen Applaus. Das hat 1982 politisch eine noch größere Bedeutung gehabt als heute.

Jan spricht wieder ihr vielgenutztes „no doubt about it“ aus.

Der BBC Chef kommt auf die Bühne und hat zwei Urkunden für Ralph Siegel für die Musik und für Ralph Meiniger für den Text dabei.

Die Emotionen bei Ado sind übrigens der Zeit angepasst eher kontrolliert. Heute würde das viel viel lauter sein.

Und jetzt kommt der Moment, der als einer der genialsten Schachzüge in Ralph Siegels Karriere gelten dürften: Nicole singt „Ein bißchen Frieden“ auch mit Strophen in Englisch, Französisch und Niederländisch. Damit wurde der Grundstein gelegt für einen legendären Siegeszugs des schlichten, aber mega-eingängigen Friedenssongs in ganz Europa.

Ich persönlich finde ja, dass der andere Friedenssong aus Finnland auch anständig Punkte hätte kriegen muss, mein einziger Wehmutstropfen an einen überaus beschwingten Abend mit Euch!

Standing Ovations für Nicole nach dem zweiten Vortrag ihres Titels, dann setzen die Credits ein.

Es war mit ein Fest, den Abend mit Euch zu zelebrieren. Während jetzt Ralph Siegel mit Ado vor EXAKT 40 Jahren die erste Flasche Champagner öffnen wird, mag ich mit meinen fünf persönlichen Highlights abschließen:

  1. Anna Vissi
  2. Moni i agapi
  3. 12 Punkte aus Deutschland an Israel, 12 Punkte aus Israel an Deutschland
  4. „no doubt about it“
  5. Michael aka Fritz von Mess, so cute

Platz 5 ist der Tatsache geschuldet, dass ich am Freitag bei meinem Hausarzt ein Rezept abgeholt habe und der hat einen neuen Assistenzarzt am Start, der das Rezept ausgestellt hat. Und dieser Assi heißt auch Fritz, aber mit Nachnamen (Vorname exakt wie mein Chef hier) und ist MEGACUTE.

YouTube bietet mir als nächstes den ESC 1984 an und da spricht Desiree Nosbusch gerade von ihrem „Herzklopfen“. Wenn das mal nichts (positives) zu sagen hat.

Ich danke allen, die heute dabei waren und dieses wunderbare Experiment mitgemacht haben. Wir uns sehens spätestens im Big Five Livechat. Bis dahin alles Liebe!

P.S.: Eins noch. Die Punktetafel, die zwischendurch zu sehen war, war definitiv nicht Bestandteil der Originalaustrahlung 1982. Danke für entsprechende Hinweise in den Kommentaren. Die war deutlich zu advanced und professionell für die Zeit, aber sie war ein toller Service. Danke dafür ein „ESC Stuff“, die das Video online gestellt haben und sich das im Zweifel ausgedacht haben.


232 Kommentare

  1. Das war schon schön, es damals so erleben zu dürfen!
    Dieses Jahr haben wir ja voraussichtlich wenig Grund gespannt auf einen eventuellen Sieg zu sein….aber dafür haben wir ja einen super radiotauglichen Beitrag!

  2. Mich würde ja echt noch ’ne Info zu dieser Punktegrafik interessieren. Im Video OHNE deutschen Kommentar ist die nicht zu sehen. Hat die ein Fan nachträglich reingebastelt oder kam die schon damals von der ARD? Freue mich über jeden Hinweis.

    • Absolut ikonisch und bisher einmalig, die Siegerreprise in vier Sprachen zu singen, rührt mich immer noch zu Tränen!

  3. Vielen Dank für den schönen Abend! Auch in diesem Jahr sind tolle Songs am Start, die Bandbreite ist sehr viel größer als damals, das ist wunderbar. Und auch die Postcards sind heute um Welten besser, die Rolle der Moderatoren ist viel größer als früher und überhaupt ist es schön, dass wir heute ein Televoting haben und nicht nur Jurys entscheiden.

  4. War wirklich eine schöne Erinnerung. Vielen Dank dafür.😊

    Irgendwie schon eine Wohltat, mal keine überfrachtete Bühne zu sehen.

    Meine TOP 10

    1. Zypern
    2. Belgien
    3. Spanien
    4. Luxemburg
    5. Deutschland
    6. Schweiz
    7. Dänemark
    8. Israel
    9. Norwegen
    10. Österreich

    Gute Nacht zusammen.🙂

    • Lustigerweise fand ich die Bühne von Harrogate völlig überfrachtet. Diese biederen Blumengedecke, die ulkigen Spiegel im Hintergrund und diese winzige Bühne. Wenn ich mich richtig erinnere, gab es im Vorjahr die größte Bühne bis dato in der ESC-Geschichte, und die sah auch echt gut aus. Harrogate war ein schlechter Scherz dagegen.

      • Ja okay, war vielleicht ein bißchen missverständlich ausgedrückt. Ich meinte es eher auf die Performances bezogen. Also man kam völlig ohne Pyrotechnik aus und ohne Riesen-LED-Wände.
        Die Blumengestecke waren Inder Tat etwas bieder, fand ich aber eigentlich ganz schön.🙂

  5. Oh, nun habe ich es verpasst, aber ich hatte nun sowieso keine Zeit und den Contest habe ich erst vor einem halben Jahr gesehen. Das sieht doch nach einem schönen Abend aus. 🙂
    Über die Wertungen decke ich mal den Mantel des Schweigens. Wobei: El 10 Punkte, Amour on t’aime 2 Punkte, Stella aus Belgien 4 Punkte – aber Chips 17 Punkte, Bill & Aska 14 Punkte? Einen Peter-Live-Blog erkennt man einfach aus der Ferne. 😉

  6. Zum Schluss noch:
    Nicole hatte in den Folgejahren immer wieder andere Version in Interviews erzählt, wie es zum Kleid gekommen ist. Die gute Haut weiß es inzwischen selbst nicht mehr. Ja, ja, das Alter 😉

  7. Peter, wie wärs noch mit einem Nachher-Foto der Candy-Bar? Nein, kleiner Scherz, der Feierabend sei dir gegönnt. Danke dir.

  8. Angeblich war bei den Bewerbungen zum Vorentscheid auch Hans Hartz mit dem wunderschönen Friedenslied „Die weißen Tauben sind müde“ im Rennen. Aber die Jury hat den Song für nicht gut genug gefunden. Hat bisschen was von EC.

  9. Ich würde Nicole gern mal so 40 Jahre danach fragen, uns ehrlich Auskunft zu geben, ob sie die Gitarre wirklich gespielt hat. Wenn man nämlich sich darauf konzentriert und beobachtet, berührt ihre rechte Hand überhaupt nicht die Saiten.

  10. Mich würde interessieren, ob sie überhaupt ihr Siegerkleid ausgezogen hat. Ein Jahr später bei der VE hatte sie immer noch das selbe Kleid an.

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