Am 7. Juli 2023 wird Michael Holm , Texter von Joy Flemings „Ein Lied kann eine Brücke sein“ und Produzent von Guildo Horns erfolgreichstem Album „Danke“, 80 Jahre alt – was man nicht sieht, aber was man vor allem auch nicht spürt im Gespräch mit ihm. Bei einem exklusiven Book-Signing für ESC kompakt (einige Fotos, die dabei entstanden sind, schmücken diesen Beitrag) haben wir uns nicht nehmen lassen, Michael nach den Meilensteinen seiner Karriere und nach den weiteren Plänen für den Sommer 2023 zu fragen. Außerdem zeigen wir hier einige der wunderbaren, individuellen Wunsch-Widmungen, für die sich Michael extra und speziell für die ESC kompakt Gewinnerinnen und Gewinner viel Zeit genommen hat (siehe Foto).
Ich mag Euch zunächst beschreiben, was die „Rückkehr nach Mendocino“ für mich zu so einem lebenswerten Buch macht. Da ist zum einen, dass das Leben von Michael Holm so vielschichtig ist. Michael hatte seine Karriere als Schlagersänger mit 27 Jahren aus „Altergründen“ schon ad acta legen wollen, als der entscheidende Anruf von Producer Giorgio Moroder kam. In Michaels musikalischer Laufbahn kommen Berufsbilder für eine ganze Mannschaft vor, als Songwriter, Texter, Autor, Produzent, Verleger, Veranstalter, Berater und natürlich auch Sänger. Seine größten Erfolge (z.B. sein New-Age-Baby Cusco) kennen viele von uns ungestützt gar nicht.
Aufgrund dieser Vielschichtigkeit und weil diese Autobiographie ein erstmaliges und einzigartiges Ereignis ist (üblicherweise sind bei vielen Promis in Michaels Jahrgang bereits drei autonome Biographien erschienen), ist der Text auch eine Reise durch sechs Jahrzehnte deutsche Musikgeschichte und aufgrund seiner unverstellten Offenheit auch ein entwaffnender Blick hinter die Kulissen der Musikindustrie. Und früher war keinesfalls alles besser. 0.003-Methoden gab es auch schon in den 70er Jahren.
Für den Autor dieser Zeilen war vor allem anderen megaspannend, als plötzlich der Name Mal Sondock fiel, dem Michael sehr früh begegnet, als dieser als Talentscout und Producer für das Label Teldec arbeitete, eine AEG-Tochter, die die Schallplattenindustrie in den 50er bis 70er Jahren dominiert. Mal Sondock war 1957, sozusagen in der Vorhut von Elvis, als G. I. der US-Army nach Deutschland gekommen. Er wurde später ein Held der Babyboomer, als er (Originalton Michael) „als der fleischgewordene Prototyp eines Discjockeys in den siebziger Jahren mit der WDR-Rundfunksendung Diskothek einen Meilenstein des deutschen Musikhörfunks“ erschaffen hatte. Die sehr heterogenen Erfahrungen, die Michael mit Mal und Telefunken/Teldec machte, lesen sich wie ein Krimi.
Die Vielschichtigkeit des Lebenslauf von Michael Holm und die sechs Jahrzehnte Musikgeschichte umfassende Dauer seiner Karriere machen die „Rückkehr nach Mendocino“ zu einem großen Lese-Erlebnis für Musikfans. Große Credits gehen dabei an Co-Autor Michael Kernbach, der Michaels Erzählungen und Erinnerungen sehr intelligent und mit gutem Flow kuratiert hat. „Ich bin sehr froh, dass wir das zusammen gemacht haben“, sagt Michael ESC kompakt. „Bei den Erinnerungen fallen mir immer neue Details ein, ich könnte glatt ein zweites Buch schreiben.“
Unsere Einführungsfrage war logischerweise die nach Michaels intensivster ESC-Erinnerung. Beantwortet hat er sie erwartungsgemäß bereits in einem früheren Blog-Beitrag, als wir die Geschichte hinter seinem ESC-Titel „Ein Lied kann eine Brücke sein“ veröffentlicht haben. Unsere korrespondierende Buchverlosung haben wir bekanntlich mit der Wahl des besten deutschen ESC/VE-Songs in deutscher Sprache verknüpft – und diese Wahl hat Michaels „Ein Lied kann eine Brücke sein“ mit großem Abstand gewonnen.
Wir haben Michael gefragt, welche Meilensteine jenseits der ESC-Abenteuer mit Joy Fleming und Guildo Horn sein Leben am stärksten geprägt haben. Er nannte spontan zwei, die Zusammenarbeit mit Giorgio Moroder und den Erfolg von „Tränen lügen nicht“.
Es sprengt den Rahmen dieses Beitrags, hier beiden Meilensteinen angemessen Raum zu geben, daher habe ich für heute die Geschichte ausgesucht, wie Giorgio Moroder Michael Holm zu seinem Megahit „Mendocino“ verholfen hat.
Denn Giorgio Moroder ist für alle, die die Hochzeit des Disco-Sounds erleben durften, eine gottähnliche Ikone. Wir verdanken ihm die Über-Hits „I Feel Love“ von Donna Summer und „Call Me“ von Blondie. Er erschuf den weltweit erfolgreichen „Munich Sound“.
Jetzt beamen wir aber zurück ins Jahr 1969:
„Mein genialer Freund Giorgio Moroder hatte gerade auch als Interpret einen Riesenhit gelandet. Looky Looky verkaufte sich über eine Million Mal, vielleicht auch ein wenig wegen der ansaugenden, hypnotischen Stimme, die den Refrain des Liedes vortrug. Diese Stimme war zufällig die meinige, und ich tat meinem Kumpel gerne den Gefallen, ihm schnell eines Morgens die Zeilen einzusingen. Die vereinbarte Gage für den Erfolgsfall, ein Steak, ging als das »goldene Steak« in unsere gemeinsame Historie ein und wurde von Giorgio standesgemäß im Deutschen Hof, dem besten Steakhaus Berlins zu dieser Zeit, ausgezahlt.
Die Folge dieses Überraschungshits war, dass in München die Plattenfirma Ariola und dort der erfolgreichste deutsche Musikmanager seiner Zeit, die Branchenlegende Monti Lüftner, auf Moroder und seinen unkonventionellen Sound aufmerksam wurden. Lüftners Ariola war die Heimat des Who’s who der deutschsprachigen Musik dieser Zeit. Udo Jürgens, Peter Alexander, Rex Gildo und gerade eben auch Heintje mit seinem Evergreen „Mama“: Sie alle waren in seinem Hitgestüt beheimatet. Mit ausreichend Geld, Charisma und Überzeugungskraft ausgestattet, brachte Monti Moroder dazu, zu ihm nach München überzusiedeln. Aus München erreichte mich schon kurz nach Giorgios Wechsel ein Anruf von ihm: »Michael, du muscht kommen! Wir haben einen Hit, den kannscht nur du singen!«, beschwor mich mein Weggefährte in seinem breiten Südtiroler Akzent. Das allerdings zu einem Zeitpunkt, an dem er mit seinen Überzeugungskünsten fast schon zu spät bei mir war. Denn ich hatte meine Sangeskarriere innerlich schon so gut wie ad acta gelegt. Ich war nun fast siebenundzwanzig Jahre und damit steinalt für einen Hitparadenstar.
Außerdem hatte mich die Bemerkung eines Promoters nachdenklich gemacht, der mich fragte, ob ich keine Angst hätte, mir mit meinen mediokren Erfolgen als Sänger meinen guten Ruf als Autor und Produzent zu verderben. Das Lied, um das es sich handelte, war ein Riesenhit der amerikanischen Hippie-Rock-Band Sir Douglas Quintett und besang das bis dato völlig unbekannte Städtchen Mendocino. Giorgio hatte aus der Swamp-Rock-Hymne eine energetische, elektrisierende Uptempo-Pop-Nummer gemacht, auf die er – allein Gott und sein Genie wissen, warum – nur meine und sonst keine Stimme hören wollte. (…)
Dass Mendocino ein Hit werden würde, stand für mich außer Frage. Darum kannte ich für dieses Treffen nur ein einziges Ziel. Ich – und nur ich – musste den deutschen Text dazu schreiben! Giorgios Unbeirrbarkeit, mich auch als Interpreten im Spiel zu haben, konnte ich nach wie vor nicht wirklich nachvollziehen. Klar war ich geschmeichelt, aber ob das meinem, noch zu verfassenden Hittext ausreichend große Chancen eröffnen würde? Da war ich weiter skeptisch.
Bei Ariola erwartete mich die gesamte Spitze der großen Erfolgsfirma. Und ich machte es den Kollegen nicht leicht. Bis zum gemeinsamen Abendessen ließ ich die eindringlichen Offerten an den Sänger Holm ins Leere laufen und richtete das Gespräch immer wieder auf die exklusive Zusage, den deutschen Text zu Mendocino schreiben zu dürfen. Mit dem Nachtisch wurden die Herren dann ein wenig deutlicher. Wenn Michael Holm uns nicht den Gefallen tun würde, einen Titel für uns zu singen, würde man bei Ariola auch überlegen, ob man dem Autor Michael Holm in Zukunft noch einen Gefallen tun will. Damit hatten sie mich, wie man es heute salopp sagen würde, an den Weichteilen gepackt. Ariola, das Haus mit Rex Gildo, Mireille Mathieu, Peter Alexander und, und, und, ohne Lieder von Michael Holm? Das war so gar nicht das Ergebnis, mit dem ich nach Hause zu fahren gehofft hatte. Sie hatten mich in der Falle, und es mag das Gefühl des Triumphes gewesen sein, das die Runde dazu brachte, in den nun folgenden Verhandlungen zu meinem Plattenvertrag unnötig harte Konditionen aufzurufen. Zwanzigtausend Mark Vorschuss bot man mir an, eine Summe, die auch bei weit weniger hitverdächtigen Produktionen eher überschaubar gewesen wäre. Ich verzichtete darum auf diese Zahlung, akzeptierte auch mit Widerwillen eine fast unverschämt mickrige Beteiligung an den kommenden Verkäufen.
Ein Glas Champagner gab’s dann noch auf den gemeinsamen Erfolg, das den Kollegen von Ariola schon ein paar Monate später sauer aufstoßen sollte. Denn nachdem Mendocino der Hit und Michael Holm der Shootingstar des Jahres 1969 geworden war, stand ich frei wie der Wind und ohne einen Plattenvertrag auf dem Markt und konnte mir die Angebote aussuchen. Eine Scharte, für die Ariola sehr, sehr teuer zahlen musste – Ausgaben, die aber durch die Erlöse der nun folgenden Hits mehr als aufgewogen wurden. Aus der Retrospektive lässt sich sagen, dass an diesem Abend meine goldenen Münchener Jahre begannen.“
Mir sind beim Lesen dieses Exzerpts sofort die 0.003 von Teya & Salena eingefallen. Man lernt hier nämlich in wenigen Absätzen nicht nur die Entstehungsgeschichte eines der größten deutsches Schlager-Evergreens kennen, sondern auch viel über die Durchsetzungsfähigkeit von Giorgio Moroder und über die kapitalistische Fratze der Schallplattenindustrie der 70er.
Insofern steht dieser Ausschnitt auch sehr repräsentativ für die erzählerische und dramaturgische Klasse von „Rückkehr nach Mendocino“, das zehn glückliche Gewinner von Euch inzwischen per Post erhalten haben dürften oder in diesen Tagen erhalten. Jeder Buchgewinner erhält gemeinsam mit dem Buch auch ein Naschpackage von unserem Partner Katjes. Wir danken dem Hoffmann und Campe Verlag und Katjes für das wunderbare Mitmachen bei dieser Leser-Aktion.
Und die nächste Verlosung steht schon bevor: Michael Holm wird einer der Headliner beim diesjährigen Hamburger Schlagermove am 8. Juli 2023 (hier ein Rückblick auf den Schlagermove 2022) und als Hommage an seinen 80. Geburtstag veröffentlicht Electrola (Universal) auch das Album „Holm 80“ mit seinen größten Hits neu arrangiert mit vielen hochkarätigen Duett-Gästen – unter anderem Alexandra Rotan von KEiiNO und die jüngst wieder frisch verliebte Michelle. Und eine Lesetour mit Michael in führenden deutschen Buchhandlungen wird es auch noch geben. ESC kompakt wird sowohl die o.g. Compilation als auch ein Meet & Greet verlosen. Mehr Details gibt es in Kürze auf ESC kompakt. Ein herzliches Dankeschön geht noch einmal an Michael Holm, dass er diese großartige, sehr persönliche kreative Signier-Aktion mitgemacht hat.
Vielen Dank für den Beitrag, Peter. Was für tolle Widmungen👍🙂.
Den Textausschnitt über Giorgio Moroder fand ich höchst interessant.
Aber auch,dass Mal Sondock schon so früh beteiligt war. Seine Diskothek im WDR wird ja heutzutage von Guildo Horn im WDR4 Radio fortgeführt.Habe ich eben noch gehört
🙂🙂🙂
@Rusty:
Habe mal folgenden Textausschnitt zu Giorgio Moroder aus Wikipedia heraus kopiert, um hier zu veröffentlichen (ich schreib ja keine Universitäts-Seminararbeit):
Die FIFA beauftragte Giorgio Moroder, ein Lied für die Fußball-Weltmeisterschaft 1990 in Italien zu komponieren. Die ursprüngliche Fassung trug den Titel „To Be Number One (Summer 1990)“ und hatte einen englischen Text von Tom Whitlock. Diese Version wurde unter der Interpretenangabe Giorgio Moroder Project veröffentlicht und von der RAI als Titelmelodie zur Ausstrahlung der WM verwendet. Moroder trat daraufhin an Gianna Nannini und Edoardo Bennato heran, um das Lied auf Italienisch aufzunehmen. Gianna Nannini war zunächst gegen die Aufnahme, da das Lied nicht ihrer Musik entsprach und ihr zu kommerziell war. Doch ihrem Vater zuliebe, der großer Fußballfan war, ließ sie sich überreden. Mit Bennato schrieb sie für das Lied einen neuen Text und veröffentlichte Ende 1989 „Un’estate italiana“.
Finde ich ganz witzig, aber was ich eigentlich sagen wollte:
Den Text von „Mendocino“ finde ich einfach nur toll. Sommer, Sonne, Unbeschwertheit und die einzige Sorge, die man hat ist den Mensch (okay, in dem Song die Frau) zu finden, in welche man sich auf den ersten Blick verliebt und leider aus den Augen verloren hat, man aber trotzdem optimistisch bleibt sie wieder zu finden. 😀
Das traurige aber auch sehr schöne Gegenstück dazu ist von I Santo California „Tornero“. 😀
Ich meine sogar beide Songs sind aus meinem Geburtsjahr 1975. Aber da will ich mich jetzt nicht festlegen.
Oh ja,an un’estate italiana kann ich mich sehr gut erinnern,immerhin wurde Deutschland Fussball Weltmeister und es war die erste Fussball WM,die ich zusammen mit meinem Mann geschaut habe😍.Dass Giorgio diesen Song auch geschrieben hat,wusste ich noch nicht.
I Santo California habe ich mir gerade nochmal angehört.Kann ich mich auch gut dran erinnern,sehr emotional und schöner Song.
@Timo1986
mendocino ist im original von 1968 und lief in der deutschen holmversion auf der kneipenmusikbox meiner eltern rauf und runter.
tornero ist von 1974 und im prinzip bis heute unerreicht,trotz all der hervorragenden italienischen spät70er und 80er balladenklassiker.
😎
Vielen Dank auch von mir für den spannenden Artikel, Peter! Dadurch habe ich mit „Looky Looky“ nun auch einen Titel aus dem Frühwerk von Giorgio Moroder kennengelernt, in Teilen mit der Stimme von Michael Holm. Ich freue mich schon sehr auf Michael Holms Buch!
An dieser Stelle will ich, wie schon vor ein paar Wochen während des ESCs, darauf hinweisen, dass ein Titel von Giorgio Moroder in eines der Semifinal-Intros in Liverpool einging – „Together in electric dreams“ (gesungen von Phil Oakey, dem Sänger von The Human League)
Auch ein toller Song👍🤩🙂
„Tränen lügen nicht“ ist ein wunderschöner Song.😍
Nicht zu vergessen, dass der Song zum ESC 2001 in Kopenhagen in „Dänen lügen nicht“ umgetextet wurde
Danke für den Artikel!
Ich freue mich schon auf den Rest des Buches, meine Wunschwidmung ist ja laut der Bilder schon reingeschrieben worden…
Vielen Dank nochmal an Michael Holm und auch an Peter&ESC kompakt!!!
Ein toller Mann, der Michael Holm. Wenn der Titel „Mr. Grand Prix“ noch nicht vergeben wäre …
Giorgio Moroders/Donna Summers „Love to love you, Baby“ in der eine ganze LP-Seiten langen Versin ist bis dato auch noch frisch wie bei Erscheinen.
Michael Holm ist heute Abend zu Gast in der NDR Talk Show, die um 22 Uhr beginnt und moderiert wird sie von Babse und Hubse.
[…] Overall, Michael Holm’s success as a musician, producer, and actor has contributed to his substantial wealth. Through his music, he has left a lasting impact on the German music industry and continues to be recognized as one of the most successful Schlager singers of his time. [1][2][3][4] […]