Songcheck Finale „Unser Lied für Liverpool“ (7): „Alle Frauen in mir sind müde“ von Frida Gold

Frida Gold – Foto: Facebook @fridagold

„Alle Frauen in mir sind müde“ von Frida Gold ist neben dem TikTok-Qualifikanten „Lied mit gutem Text“ einer der beiden deutschsprachigen Lieder im Starterfeld von „Unser Lied für Liverpool“. Abgesehen von der Sprache könnten beide Songs aber nicht unterschiedlicher sein: hinter „Alle Frauen in mir sind müde“ verbirgt sich ein textlich und musikalisch eher intellektueller Track.

„Frida Gold“ ist anders als der Name vielleicht vermuten lässt keine Solo-Sängerin, hinter dem Namen steckt stattdessen ein Duo aus Sängerin Alina Süggeler und Bassist Andreas Weizel. Zu Anfang waren auch Gitarrist Julian Cassel und Schlagzeuger Thomas Holgreve offizieller Teil der Band, sie sind auch bei Konzerten weiterhin mit dabei, Frida Gold wird aber seit 2015 nur noch durch Alina und Andreas repräsentiert. Der Bandname ist inspiriert von „Frida“, einem Song von Bosse. Später wurde noch „Gold“ ergänzt, weil die Band einen Doppelnamen wollte. „Gold“ soll laut Alina für „wertig, warm, strahlend, nicht kopierbar und rein“ stehen.

Frida Gold wurde 2008 gegründet. Der Durchbruch gelang 2010 mit dem Lied „Zeig mir wie Du tanzt“. In den kommenden Jahren folgten zwei weitere sehr erfolgreiche Single-Auskopplungen mit „Wovon sollen wir träumen“ (2011), welches offizieller ZDF-Song zur Frauen-Fußball-WM 2011 war, sowie mit „Liebe ist meine Religion“ (2013). Das gleichnamige Album kletterte 2013 bis auf Platz 1 der deutschen Albumcharts. Danach blieben die Charterfolge aus, Frida Gold veröffentlichte aber weiter Singles und Alben. Ende April/Anfang Mai ist eine kleine Clubtour durch Deutschland geplant.

In der Vergangenheit hatte Sängerin Alina schon einige Kontaktpunkte zum Eurovision Song Contest: Sowohl beim ESC 2011 in Düsseldorf als auch beim ESC 2013 in Malmö war sie Teil der deutschen Jury. 2012 war sie außerdem Jury-Mitglied der Vorentscheid-Casting-Show „Unser Star für Baku“. Darüber hinaus hat die Band 2011 am Bundesvision Song Contest für Nordrhein-Westfalen teilgenommen und erreichte mit „Unsere Liebe ist aus Gold“ Platz 7.

Frida Gold sind am 23. Februar um 21 Uhr zu Gast bei ESC kompakt LIVE.

Das Lied

„Alle Frauen in mir sind müde“ ist ein ruhiger Song, der vor allem von Alinas intensiver Stimme getragen wird. Zu Anfang ist nur eine Flamenco-Gitarre zu hören, im Laufe des Songs kommen Akustikgitarre, Streicher, sanftes Schlagzeug und eine Zither hinzu. Alle Instrumente werden sparsam, aber sehr gezielt und abwechslungsreich eingesetzt, sodass Alinas Stimme gut unterstützt wird, ohne übertönt zu werden.

Der Text ist eine Hommage an alle Frauen und die Kraft, mit der sie sich weltweit immer wieder gegen Ungerechtigkeiten auflehnen. Die Strophen sind eher negativ, in ihnen wird die Erschöpfung der Frauen durch den ewigen Kampf um Gleichberechtigung beschrieben. Der Refrain hingegen blick positiv nach vorne: es wird eine Frau beschrieben, die nicht müde ist, sondern ein „Lachen“ zeigt, mit „Feuer in ihren Augen“ und „roher Kraft in ihrem Bauch“, die „weiß, was sie will“, und „an sich glaubt“. Und genau darauf soll die Zukunft aufgebaut werden.

Alina selbst sagt über den Song:

„Manchmal denke ich, dass jede Frau die Geschichte aller Frauen in sich trägt. Der Frau davor, der Frau danach. Deshalb steht jede Frau, die sich für Selbstbestimmung und Unabhängigkeit stark macht, auch für das Recht aller Frauen dieser Welt ein.“

Passend zur Gleichberechtigungs-Message des Tracks wird die Flamenco-Gitarre von einer der wenigen Flamenco-Gitarristinnen Afra Rubino gespielt. Auch heute noch ist dieses Instrument in diesem Genre dem Mann vorbehalten.

Der Check

Benny: Beim ersten Durchgang war ich enttäuscht, weil AFIMSM sogar nichts mit den elektro-poppigen Frida-Gold-Hits von früher gemein hat. Auch die Flamenco-Begleitung fand ich eher (ver-)störend. Beim genaueren Hören auf den Text und vor allem im Zusammenspiel mit dem Musikvideo hat sich mir aber mehr und mehr dieses Gesamtkunstwerk erschlossen. Tolle und wichtige Botschaft ohne Plattitüden! Ich habe allerdings Zweifel, ob das auch auf der Bühne tragen wird, immerhin dürften neben Alina, Andi und Afra Rubino nur noch maximal drei weitere Tänzerinnen auf der Bühne stehen. Das Video wird also wohl nicht 1:1 übersetzt werden. Verzichtet Andi vielleicht sogar auf seinen Auftritt, sehen wir Tänzerinnen auf dem Backdrop? Ich bin sehr gespannt und hoffe darauf, dass mich der Auftritt ebenso begeistert wie das Video. 8 Punkte.

Berenike: Nachdem es Jona und From Fall to Spring leider nicht im TikTok-Voting geschafft haben, ist „Alle Frauen in mir sind müde“ mein Favorit im Teilnehmerfeld. Mir gefällt die ruhig-sehnsuchtsvolle Grundstimmung und dass es ein Song ist, der etwas zu sagen hat, und nicht nur Plattitüden aus dem „Love, love, peace, peace“-Songtextbaukasten zusammensetzt. Ist das Lied für den ESC geeignet? Auf dem ersten Blick vielleicht nicht, aber mit einer stimmungsvollen Inszenierung kann das ähnlich wie „Saudade, saudade“ funktionieren. Außerdem kann man Lieder auch auf einer emotionalen Ebene fühlen, ohne den konkreten Text zu verstehen. 10 Punkte.

Douze Points: Ich traue mich gar nicht, dieses Lied zu beurteilen, denn das kann mir als altem weißen Cis-Mann im Zweifel immer falsch ausgelegt werden (meine mindestens zwei Minderheitsmerkmale sind mir halt nicht sooo direkt auf die Stirn geschrieben). Ich finde Frida Gold gut, ich finde die Melodie gut. Ich finde es auch gut, dass sie etwas anderes zur Vorentscheidung schicken als das, was man von ihnen erwarten würde. Überzeugen kann es mich allerdings nicht… Und ich weiß auch nicht warum, aber irgendwie erinnert mich der Beitrag an einen früheren Vorentscheidsong: „Wenn du so bist wie dein Lachen“ von Ina Deter. 4 Punkte.

Flo: Der Track ist durch die ruhige, tiefe Stimme von Alina Süggeler sehr einfühlsam. Die teils lateinamerikanisch angehauchte Melodie schafft eine tolle Atmosphäre. Dazu haben Frida Gold eine wichtige Botschaft, die sie in ihrem (für den ESC etwas zu langen) stimmungsvollen Song vermitteln. Die große Frage bei diesem Song ist allerdings, ob diese Message auch beim Fernsehpublikum und den internationalen Zuschauern ankommen würde. 6 Punkte.

Manu: Ich gebe es zu – ich habe mich sehr gefreut, als ich gelesen habe, dass die Band Frida Gold sich dem Vorentscheid stellt. Die zurückgenommene akustische Begleitung von Afra Rubinos (Flamenco-)Gitarre und der Einsatz von Cello und Streichern unterstreicht Alinas Stimme wie auch den bedeutungsvollen Text, der sicher viele Frauen anspricht. Auch wenn dieser bedeutungsvolle deutsche (!) Text an einzelnen Stellen etwas holprig ist (z.B. die Betonung von „Gleichberechtigung“), steckt meiner Meinung nach in diesem leisen Lied extrem viel Kraft – und gerade durch die nötige Kürzung auf drei Minuten eine sehr große Chance. Mit der richtigen Inszenierung können die Jurys hier nicht wegschauen. Eher Festival da Canção als deutscher Einheitsbrei: Ich bin berührt und gebe 12 Punkte.

Max: Was soll ich sagen? Eigentlich ist diese Art Musik nicht meins, aber dieses Lied hat mich echt gepackt. Allem voran der Text, den man in Europa nicht verstehen wird, aber gut, hat auch niemand bei „Molitva“ und Co.. Ich bin mir auch sicher, dass Frida Gold eine coole Performance abliefern werden, wenn man zum Beispiel auch nach dem offiziellen Videoclip geht. Wie bei Spanien sage ich auch hier: Einfach einmal probieren, ob diese Art von Musik ankommt. Nette Radio-Songs auf Englisch hatten wir ja genug, mit bekannten Ergebnissen (außer 2018). Warum also nicht das hier? 10 Punkte von mir.

Peter: Ungeachtet des wunderbaren Vornamens im Bandnamen und ebenfalls ungeachtet des megacoolen eleganten Styles von Alina halte ich „Alle Frauen in mir sind müde“ leider für komplett ungeeignet für den ESC – und das liegt nicht am intelligenten deutschen Songtext. Der Song erlaubt keine unverstellte Annäherung. Der Songtext verlangt eine vollständige inhaltliche Konzentration darauf, dahinter muss das sinnliche Aufnehmen der schönen Instrumentierung und der starken Performance von Alina (in Video) zurückstehen, ich habe einen emotionalen Overload empfunden, das alles gleichzeitig beim ersten Hören/Sehen zu erfassen. 6 Punkte.

Rick: Ich liebe diese Band! Für mich ist der Sound von Frida Gold bunt, mutig und musikalisch gesehen auch eher Uptempo und im SynthPop-Bereich zuhause. Es gibt zahlreiche Songs der Band, die ich mir beim ESC hätte vorstellen können. „Alle Frauen in mir sind müde“ gehört eindeutig nicht dazu. Klar ist die Aussage super und sehr poetisch – aber es ist immer noch das Gesamtpaket, das zählt. Musikalisch leider uninteressant und farblos. Eine verpasste Chance. 4 Punkte leider nur!

Gesamtpunktzahl: 60/96

Wie gefällt Euch „Alle Frauen in mir sind müde“ von Frida Gold? Wäre der Song geeignet für den ESC 2023 in Liverpool? Was haltet Ihr von einem Lied auf Deutsch beim ESC? Lass uns Eure Meinung gerne in den Kommentaren wissen.

Bisher erschienene Songchecks:

TikTok-Voting

Finale „Unser Lied für Liverpool“


104 Kommentare

  1. Interessant das hier Einige 100% wissen das dieser Song natürlich nicht beim ESC funktioniert und untergehen wird. Um dieses Argument noch einmal aufzugreifen, wenn es für Portugal in den letzten Jahren durchaus funktioniert hat (z.B. „Saudade, saudade“) warum sollte es dann nicht für Deutschland genauso funktionieren. Man sollte den ESC-Zuschauer an sich nicht unterschätzen.

  2. Es ist so schade. Eigentlich ist das Musik, die ich sehr gerne mag und auch oft höre, egal in welcher Sprache. Aber ich empfinde so gar nichts, wenn ich das Lied höre. Ich bin mir nicht sicher, woran es liegt, aber vermutlich ist es die Stimme. Irgendwie ist das einfach nicht mein Ding.

  3. Liegt wahrscheinlich daran das viele dem Song nichts zutrauen weil sie bis jetzt nur das Video kennen. Auf die live Performance bin ich gespannt, bei Spanien hat ja auch erst der live Auftritt sie nach vorne gepusht.

  4. „Alle Frauen in mir sind müde“ ist einer dieser Songs, die ich eigentlich unbedingt lieben möchte, weil er eine tolle, wichtige Botschaft hat und diese mithilfe einer durchaus poetischen Sprache vermittelt (also quasi ein „Lied mit einem gutem Text“) sowie mit einer außergewöhnlichen Instrumentierung arbeitet. Es ist in jeder Hinsicht exzellenter Qualitätspop.
    Und doch stellt sich bei mir an Anhören halt leider das quälende Gefühl bleierner Langeweile ein. Ich hasse mich selbst dafür, aber unendlich müde bin ich auch ohne diesen Song schon. Ich kann keinen weiteren Downer gebrauchen, sondern was zum wach werden. Etwas, das ballert. Ich brauch Koks, kein musikalisches Johanniskraut.

  5. Also ich mags sehr, bin aber auf die Liveperformance gespannt und erlaube mir bis dahin kein Urteil ob der ESCtauglichkeit

  6. Hier der Link zu dem im Frida Gold LIVE Chat angesprochen Interview auf der Seite „Hallo Buer“ (Gelsenkirchen-Buer):
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    https://hallobuer.ruhr/saengerin-von-frida-gold-ich-traue-den-zuhoerern-mehr-zu/
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    Kostprobe: „Wir haben eine Botschaft für die Menschen. Gestern haben wir den Song „Ich habe keine Angst davor, dass die Welt sich weiterdreht“ veröffentlicht. Der ist 5:20 Minuten lang. Jede Plattenfirma hätte uns gesagt, dass er nicht in die Zeit passt. Da muss man sich entscheiden: Möchtest du mit deinem Herzen sprechen oder passgenau den Markt bedienen? Die Musikbranche gibt vor, dass die Menschen nur eine gewisse Aufmerksamkeitsspanne haben und nur flache Themen ankommen. Ich traue den Zuhörer mehr zu. Ich glaube, dass die Menschen Lust auf tiefere Gefühle und ernste Gedanken haben. Wir alle haben Sorgen. Wenn wir diese teilen, wird es für uns leichter, als wenn wir sie nur verdrängen.“

  7. Groot, der immer sehr intensiv in die Musik einsteigt bei seinen Reaktionen, preist „Alle Frauen in mir sind müde“ sehr, beschreibt auch, obwohl er kein Deutsch versteht, wie und warum die Emotionen transportiert werden, sagt aber auch, wo er noch ein bisschen mehr erwartet hätte, hört mal rein:

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