Songcheck Finale „Unser Lied für Liverpool“ (6): „Once Upon A Dream“ von Anica Russo

@Anica Russo

Ihre Teilnahme an „Unser Lied für Liverpool“ ist nicht das erste Mal, dass Anica Russo, Tochter eines kroatischen Vaters und einer italienischen Mutter, mit dem deutschen Vorentscheid in Berührung kommt: 2019 wurde sie vom NDR für das berühmt-brüchtigte Musikprojekt S!sters als Sängerin angefragt. Obwohl es ein langersehnter Traum von Anica ist, einmal am Eurovision Song Contest teilzunehmen, wollte das Projekt nicht recht zu ihr passen und sie lehnte das Angebot ab.

Geboren und aufgewachsen in der für den Autor dieser Zeilen wundervollsten Stadt Deutschlands, Oldenburg, sammelte Anica schon in der Grundschulzeit erste Bühnen- und Kompositionserfahrungen und spielte auf den Festen und Straßen ihrer norddeutschen Heimatstadt. Seit 2011 veröffentlichte Anica Russo auf ihrem YouTube-Kanal Coverversionen wie z. B. Alan Walkers „Darkside“, für das Anica eigens vom Erfolgsproduzent anfragt wurde. Mit 18 Jahren erhielt sie einen Plattenvertrag und veröffentlichte ihre erste Single „Rebel“. Ganz ohne Teilnahme an einer Castingshow erspielte sich die sympathische Sängerin mit der Zeit schon diverse Fans und ist ein gern gesehener Gast in Songwritingcamps, durch die sie unter anderem auch schon die Sängerin Elsie Bay (Teilnehmerin am norwegischen Vorentscheid 2022 und 2023) kennenlernte. Ihre Texte setzen sich mit Themen wie mentaler Gesundheit und Glauben auseinander – ehrenamtlich setzt sie sich als Botschafterin für die JugendNotmail ein, wie sie in unserem ESC kompakt LIVE berichtete.

Das Lied

Anicas Vorentscheidungsbeitrag „Once Upon A Dream“ erzählt die Geschichte eines kleinen Mädchens, das einen ganz großen Traum hat, aber im Leben immer wieder auf diverse Rückschläge trifft. Trotzdem hört es nicht auf, weiter an den Traum zu glauben. In der dunkelsten Stunde findet das Mädchen ihre Stärke und Kraft, bis ihre Träume letztlich wahr werden. Das mag sicher keine neue Message sein, wenn man aber weiß, wie ehrgeizig die Anica für ihre Ziele kämpft und sich dabei nicht verbiegen lässt, ist verständlich, wieso sie mit dem Lied so stark connecten kann und jedes Wort mit echten Emotionen füllt.

Arrangiert im 3/4-Takt folgt „Once Upon A Dream“ nicht der oft genutzen typischen „Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Bridge-Refrain“-Abfolge – die erste Hälfte des Liedes müssen sich die Hörenden sogar gänzlich ohne Refrain begnügen. Hier entwickelt das Lied eine traumwandlerische Atmosphäre und hüllt einen wohlig ein. Bevor sich das Lied jedoch in zu generischer Harmlosigkeit verliert, bricht es musikalisch auf, gewinnt an Dynamik – sogar Anicas Gesang ändert sich und stürzt in der letzten Strophe gesanglich in neue Tiefen.

Letztes Jahr im September entstand das eigens für die ESC-Bühne geschriebene „Once Upon A Dream“ in einem deutsch-finnischen Songwriterteam gemeinsam mit Mendi Moon, Philip Sesay und Rami Bakieh. Das Lied wurde dabei direkt als ganzes Konzept gesehen, mit dem visuelle Ideen auf der Bühne umgesetzt werden sollen. Anica verspricht Dramatik und ein paar Überraschungen – wir sind gespannt!

Der Check

Benny: „Once Upon A Dream“ fliegt aktuell noch etwas unter dem Radar, aber das liegt daran, dass das Lied eben nicht zum Einfach-mal-weghören geschrieben wurde, sondern für die große Bühne. Ich glaube, dass uns Anica mit ihrer Performance noch alle überraschen wird – lilly among clouds lässt grüßen. Das vorausgeschickt finde ich aber auch den Song per se toll, vor allem den außergewöhnlichen Aufbau, die schöne Melodie und die extreme Dynamik. 10 Punkte.

Berenike: Mir gefällt die Steigerung im Song, die sich perfekt dazu anbietet, die Musikstruktur auf der Bühne optisch eindrucksvoll zu untermalen. Allerding hat „Once Upon A Dream“ ein großes Manko für mich: ich vermisse einen eingängigen Refrain. Es fühlt sich an, als bestünde das ganze Lied nur aus Strophenzeilen. 5 Punkte.

Douze Points: Diese Art Song gab es in den letzten Jahren ja häufiger beim ESC, typischerweise werden hier Billie-Eilish-Vergleiche bemüht. Das ist ja so gar nicht mein Cup of Tea. Allerdings weckt mich der Donner vor dem Refrain (?) wieder. Aber so richtig fesselt er mich dann leider nicht weiter. Insgesamt eine kraftvollere Variante des Genres, das sicher seine Liebhaber hat. Mit der richtigen Inszenierung würde ich mir das auch drei Minuten anschauen. 5 Punkte (drei davon für die Eignung beim ESC bei der richtigen Inszenierung).

Flo: Interessant arrangierte Nummer, die in einen bombatisch klingenden Refrain mündet. Künstlerisch anspruchsvoll zu performen, aber durchaus mit Potenzial. Zum Ende hin geht die Spannung etwas ab, es bleibt aber dennoch eine insgesamt ansprechende Nummer, die vielleicht Überraschungseffekte auslösen kann. 7 Punkte.

Manu: Anica Russo hat in diesem Jahr vielleicht das musikalisch kreativste Lied des Vorentscheids im Gepäck und dürfte dementsprechend eher die Jury als das Televoting ansprechen. Die anfangs tolle träumerische Atmosphäre erinnert mich im besten Sinn an Victorias „Tears Getting Sober“ – und das ist ja vor drei Jahren extrem hoch gehandelt worden. Auch wenn mich der Refrain (ist es überhaupt einer?) noch nicht ganz überzeugt, bin ich hier extrem gespannt auf den Auftritt. Dieser wird entscheiden, ob „Once Upon A Dream“ zum Leben erweckt wird und über sich hinaus strahlt. Ich drücke die Daumen und gebe erstmal noch 8 Punkte.

Max: Das Lied hat was, das will ich gar nicht abstreiten. Etwas von Bond, etwas von Sängerinnen wie BANKS oder vielleicht auch der oft erwähnten Billie Eilish. Nur leider finde ich den Refrain etwas sperrig und er packt mich nicht so, wie etwa die Strophen, die hier und da etwas zu lang sind für meinen Geschmack. Auch hier bin ich sehr gespannt auf den Auftritt, denn Anica muss es schaffen, das Publikum wirklich 3 Minuten in ihren Bann zu ziehen. Von mir gibt es 5 Punkte, weil ich damit einfach nicht so warm werde.

Peter: Anica erinnert mich an Kylie aus der Zeit, als diese mit Nick Cave zusammengearbeitet hat. „Once Upon A Dream“ ist magisch, eindringlich, deep – man braucht mehrere Male, um sich auf diesen komplex strukturierten Song mit seinem ungewöhnlichen spröden Charme einzulassen. Das ist in Bezug auf den vielbemühten „Instant Appeal“ logischerweise beim Televoting kein Vorteil, bei den Jurys schon eher. Anica hat Style, Uniqueness, Ausstrahlung, Eleganz – eine dazu kompatible ausdrucksstarke Inszenierung wird sie auf jeden Fall in die obere Hälfte im Vorentscheid pushen. 12 Punkte.

Rick: Ich bin hin- und hergerissen. Der Song hat ja schon irgendwie etwas Besonderes, aber man ist irgendwie auch verwirrt, sobald die 3 Minuten um sind. Für eine verruchte Bettszene in einem Kino-Blockbuster total passend. Aber für den ESC ist das dann doch zu sperrig, glaube ich. Bin aber sehr auf die Live-Performance gespannt. 5 Punkte!

Gesamtpunktzahl: 57/96

Was hältst Du von „Once Upon A Dream“ von Anica Russo? Wäre der Song geeignet für den ESC 2023 in Liverpool? Lass uns deine Meinung gerne in den Kommentaren wissen.

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funtasticc
Mitglied
funtasticc
1 Jahr zuvor

Anica ist das Beste, was die VE mMn dieses Jahr hervorgebracht hat. Es war nicht die schlechteste Idee von ihr, beim Schreiben des Songs direkt die Inszenierung auf der Bühne mit einzubeziehen. Und da laut Aussage des NDR dieses Jahr die Auftritte beim VE dem ESC-Auftritt möglichst nahekommen sollen, wird da (bei allen Acts) sicher was Gutes und Überraschendes auf die Bühne kommen.
Anicas Song ist mir beim ersten Hören (und Sehen) direkt aufgefallen. Ich mag die ruhige und gefühlvolle Melodie am Anfang, war überrascht von der kraftvollen und außergewöhnlichen Stimme, der stetigen Steigerung, dem Keychange und dem dann wieder ruhigen Schluss.

Hier wird eine kleine Geschichte erzählt. Und eine Geschichte/ein Märchen braucht keinen immer wiederkehrenden Refrain, nur Spannung und ein Happy End… und das bekommt man auch.

Und die Radiotauglichkeit? Die gibt’s hier tatsächlich nicht. Aber wer will heutzutage noch radiotaugliche Songs beim ESC, nachdem die radiotauglichen ja allesamt in Deutschland durchgefallen sind??? (Spaß!)

Jetzt Spaß beiseite, viele Siegerlieder der Vergangenheit sind nicht radiotauglich, sondern haben immer nur für einen Abend gestrahlt. Das ist aber auch nicht schlimm… die Künstler haben ja anschließend immer noch die Möglichkeit, mit radiotauglichen Songs Karriere zu machen.
Und wenn man Anicas andere Songs mal hört, wird sie eine „bleibende“ Stimme in der deutschen Musiklandschaft bleiben. Eine begabte, hochtalentierte und auch noch bildschöne Frau. Mich hat sie absolut gefangen. (Ach was???!!!) 😉

Matty
Matty
1 Jahr zuvor
Reply to  funtasticc

Ich erwarte was die Inszenierung betrifft in diesem Jahr gar nichts. Deutschland hat sich – Ausnahme 2018 – nicht gerade viel oder gar keine Mühe gegeben. Da lassen sich Länder wie Schweden, Spanien und Australien schon was einfallen.

Vondenburg
Vondenburg
1 Jahr zuvor
Reply to  Matty

Da fallen mir durchaus noch ein paar mehr“Ausnahmen“ ein. z.B. Laing, beide Beiträge und Lilly Among Clouds.