Interview mit Barbara Pravi: „Ich habe keine Angst davor, dass Menschen, denen Voilà gefallen hat, das Album nicht mögen“

Ende August hat Barbara Pravi ihr neues Album „On n’enferme pas les oiseaux“ veröffentlicht. Aus diesem Anlass hatten wir die Gelegenheit, mit Barbara über ihr neues Album, die Zeit nach dem ESC, ihre Tour und weitere Pläne zu sprechen.

ESC kompakt: Hallo Barbara, zunächst einmal Dankeschön dafür, dass wir heute mit Dir sprechen können. Das freut uns sehr, denn wie Du bestimmt weißt, hast Du viele Fans in Deutschland, die sich sehr darüber freuen, von Dir zu hören. 

Barbara: Ich bin total glücklich darüber! Wisst ihr, dass ich im September nach Berlin komme?

Im Rahmen der Promokampagne für Dein Album?

Nein, ich spiele dort ein Konzert!

Das ist ja umso schöner. Am Freitag hast Du Dein neues Album veröffentlicht. Wie hast Du den Release erlebt, bist Du zufrieden mit dem Feedback?

Ich bin sehr, sehr glücklich! Ich habe viele tolle Nachrichten bekommen, jetzt ist das Album raus und mein nächster Wunsch ist, die Songs live zu performen und ich kann es gar nicht erwarten.

Du hast doch auch vor kurzer Zeit schon mit deiner Tour in Frankreich gestartet, oder?

Ja, meine Konzerte haben im Juni angefangen, die Show wird immer größer und besser, ich habe jetzt neue Songs dazu genommen und freue mich auf die komplette Show im nächsten Jahr.

Im nächsten Jahr spielst Du ja Konzerte in ganz Europa, die wie in den Niederlanden sogar schon ausverkauft sind. Bisher gibt es aber noch keine Konzerttermine für Deutschland. Wirst du 2022 auch in Deutschland auftreten?

Natürlich! Es sind noch nicht alle Tourdaten veröffentlicht, weil teilweise noch wegen der genauen Terminen und Locations verhandelt wird. Ich glaube, dass ich etwa vier oder fünf Konzerte in Deutschland spielen werde.

Das sind doch tolle Nachrichten! Du hast ja auch im deutschen Televoting viel Zustimmung erhalten (Anmerkung: „Voilà“ hatte im ESC-Finale in Rotterdam mit 10 Punkten die zweithöchste Punktzahl des deutschen Publikums bekommen). Aber kommen wir nochmal zurück zu deinem neuen Album: Es sind 11 Songs darauf. Könntest Du uns etwas erzählen, wie der Entstehungsprozess abgelaufen ist? Gab es schon Songs, die vor dem ESC fertig waren, oder hast du viel noch in den letzten Monaten geschrieben?

Den ersten Song für das Album hatte ich schon vor drei oder vier Jahren. Vor dem ESC waren schon ungefähr sieben Songs fertig. Nach dem ESC habe ich mir zwei Monate genommen, um alles zusammenzubringen und das Album abzuschließen. Ich wusste aber schon genau, in welche Richtung es gehen soll, mit wem ich zusammenarbeite. In meinem Kopf war das Album schon fertig, ich musste es noch im realen Leben vollenden.

Es ist schwer, genau zu sagen, worum es in dem Album geht. Es handelt von einer inneren Evolution, und natürlich auch von Liebe. Im Song „La ritournelle“ zum Beispiel geht es um die Demenz meiner Großmutter und ich nehme ihre Stimme ein. „Saute“ handelt vom Mut und der Schwierigkeit, Entscheidungen im Leben zu treffen und dass es besser ist, Sachen anzustoßen und zu machen, zu springen. „La Femme“ spiegelt meine Vorstellungen einer Frau wieder, „Les maladroits“ ist die Antwort darauf, wie Männer, aber auch Frauen, sich teilweise verhalten – es sind viele verschiedene Themen.

Das ist schon ein Einblick in viele Themen, die Du im Album ansprichst. Du hast gerade aber auch von einer Evolution gesprochen, würdest du dies auch aus musikalischer Sicht so sehen? Das Album startet etwas ruhiger und langsamer bis zum Song „Saute“, der einen Umschwung in der Tracklist einläutet. War das eine bewusste Entscheidung, die Songs so anzuordnen? 

Auf jeden Fall! Aber das ist witzig, denn für mich war es sehr klar, wo welcher Song auf dem Album sein und die Tracklist aussehen wird. Für mich ist das Album und die Entwicklung der Songs wie ein Film aufgebaut. Für mich erzählt das Album eine klare Geschichte, aber das tolle ist, dass jede und jeder dies anders interpretieren kann. Zum Beispiel wusste ich bei „Les maladroits“, das ich erst vor zwei Monaten geschrieben habe, schon vor dem Schreiben, dass der Song direkt nach „La Femme“ auf das Album kommt. Für mich war die Entstehung der Tracklist ein sehr durchdachter, logischer Prozess.

Du hast schon gesagt, dass die meisten Songs schon vor dem ESC geschrieben waren. Hat sich der Entstehungsprozess bei den Songs, die nach dem ESC entstanden sind, verändert?

Tatsächlich hat sich nichts verändert. Meine Art des Songwritings hat sich nicht geändert. Was sich verändert hat, ist, dass mehr Menschen meine Musik kennen und ich jetzt die Chance habe, die Songs live zu singen. Ich habe aber dieselben Freunde, meine Denkweise ist gleich und ich habe keine Angst davor, dass Leute, denen „Voilà“ gefallen hat, das Album vielleicht nicht mögen – so ist das Leben. Mir ist es wichtig, ehrlich und authentisch zu mir selbst zu bleiben.

Dann hast Du wahrscheinlich auch keinen Druck nach dem ESC gespürt, dass jetzt höhere Erwartungen an Deine neue Musik gestellt werden?

Ach nein, es ist doch vollkommen okay, wenn jemand meine Musik nicht mag. Es ist eine großartige Chance, jetzt vor vielen Menschen auftreten zu können. Ich bin sehr stolz darauf, dass vielen Menschen „Voilà“ gefallen hat und das ist doch schon großartig. Ich werde mich nicht ändern aus Angst davor, was über mich gedacht wird. So ist auch „Voilà“ entstanden: Wenn Menschen mich mögen, bin ich super glücklich und wenn nicht, dann kann ich daran nichts ändern. Wenn ich mit meiner Musik im Reinen bin, dann soll es die Menschen erreichen, die sich meine Geschichte und meine Musik anhören möchten.

„Voilà“ ist inzwischen mit Platin in Frankreich ausgezeichnet worden, nochmal Glückwunsch dazu! Du sagtest schon, dass sich beim Songwriting nichts verändert hat, sieht denn dein Privatleben und Berufsleben anders aus? 

Das Ding ist, an der Oberfläche ändert sich alles. Ich habe viele Termine, Auftritte, Interviews – vorher hatte ich keine. Ich habe sehr viel Glück, denn mein Wort zählt. Aber dahinter die Frau, die ich bin, hat sich nicht geändert. Ich bin immer noch klein, habe lockige Haare, dieselben Freunde und die Liebe zum Songwriting, Zeit zum Lesen und Essen mit meinem Freund und all diese Sachen. Aber das Interesse für das, was ich mache, hat sich verändert und das ist verrückt.

Wenn man sieht, was Du alles in den sozialen Medien postet, kann man sich schon fragen, wie Du das alles noch zeitlich hinbekommst. Gibt es noch Gelegenheiten für Dich, runterzukommen und zu entspannen? 

Ich habe immer noch dieselbe Verbindung zwischen sozialen Medien und dem realen Leben. Ich sage und poste dort etwas, wenn es etwas Neues für meine Fans und Follower gibt. Ich versuche natürlich auch, auf all die Nachrichten zu antworten, auch wenn das bei der großen Zahl schwieriger geworden ist. Ich habe aber gar kein Problem damit, dass Handy wegzulegen und zum Beispiel mit meinen Freunden zu essen. Mir ist sehr bewusst, warum ich Musik mache und habe eine gewisse Distanz zum Verständnis eines Künstlers. Ein Bezug zur Normalität, wenn ihr versteht was ich meine, das kann ich besser auf Französisch erklären.

Nein es ist gut, das von Dir so zu hören, denn es wollen bestimmt sehr viele Menschen mit Dir sprechen und könntest den ganzen Tag nur damit verbringen. Deshalb ist es gut zu hören, dass Du immer noch Phasen hast, in denen Du abschalten kannst.

Natürlich, auf Social Media ist es schwierig, allen zu antworten, aber wenn ich auf der Straße angesprochen werde, nehme ich mir die Zeit, denn das ist die tatsächliche Verbindung zu Menschen und für mich der Grund, warum ich so dankbar bin, viele Konzerte zu spielen, denn es ist das reale Leben mit Menschen, gemeinsame Momente zu teilen.

Und nach vielen Monaten, die von der Pandemie geprägt wurden, muss es umso schöner für Dich sein, wieder vor Publikum spielen zu können.

Oh ja, absolut.

Schauen wir auf die nächsten Monate. Viele blicken schon auf den Junior ESC in Frankreich dieses Jahr, wirst Du vor Ort involviert sein?

Ich glaube, dass sie mich einladen werden und ich dort sein und die Kinder unterstützen werde. Ich glaube nicht, dass ich dieses Jahr für den Junior ESC schreiben werde und dort so, wie es mir möglich ist, helfen werde. Vielleicht wird Igit (Anmerkung: Igit trat mit seinem Song „Lisboa Jerusalem“ 2018 bei der französischen Vorentscheidung Destination Eurovision an und hat gemeinsam mit Barbara den letztjährigen JESC-Siegersong „J’imagine“ geschrieben) den französischen Song schreiben. Aber genau weiß ich es noch nicht, gerade bin ich mit meinem Album natürlich sehr beschäftigt.

Kannst Du Dir denn vorstellen, in den nächsten Jahren wieder Songs zu schreiben? 

Aber klar! Es ist so toll, für Kinder und den Junior ESC schreiben zu können. Das Disney-Mädchen in mir ist so… ich liebe es!

Man wird bestimmt auf Dich zukommen, da Deine Beiträge ja sehr gut abgeschnitten haben. 

Und ich würde es mit größtem Vergnügen machen, es macht mir so viel Spaß!

Zum Abschluss: Du hast gerade Dein Album veröffentlicht und bist jetzt auf Tour. Worauf freust Du Dich in nächster Zeit am meisten? Gibt es noch Überraschungen, von denen wir noch nichts wissen? 

Ich weiß nicht, ob ihr davon gehört habt, aber ich habe im März das kleine Album „Les prières“ veröffentlicht und arbeite an der Fortsetzung. Ich weiß noch nicht, wann das erscheinen wird, aber ein zweiter Teil ist in Arbeit.

Das ist ja super, dass Du schon wieder an neuer Musik arbeitest, die bald erscheinen wird. Hast Du noch eine Botschaft an Deine zahlreichen Fans in Deutschland, die Dich unterstützen?

Ich freue mich so und bin sehr gespannt auf die Konzerte in Deutschland. Es gibt eine lustige Geschichte: Mein Vater arbeitete in Bonn und als Kind bin ich mit ihm dort hingefahren. Wir hatten noch kein GPS, sondern Karten. Er fragte mich, ob ich auf der Karte schauen könnte, ob er diesen Weg nehmen könne, hatte die Karte offen und es kam fast zu einem Unfall, weil die Karte vor den Augen meines Vaters war und er nicht richtig sehen konnte. Das ist jetzt eine lustige Erinnerung für mich, wenn ich nach Deutschland komme, ich liebe das Land, habe viele Freunde dort und bin sehr dankbar für all die Unterstützung. Ich freue mich sehr, wieder nach Deutschland zu kommen und überlege schon, einen Song auf Deutsch zu lernen und bei den Konzerten zu spielen.

Darauf sind wir schon gespannt! Bis dahin eine gute und sichere Reise, wenn Du nach Deutschland kommst und viel Erfolg für Deine Konzerte, wir freuen uns, Deinen weiteren Weg zu begleiten. Vielen Dank für das nette Interview!

Danke euch, bis dann! Bisous!

Das Interview mit Barbara Pravi könnt ihr euch auch in voller Länge auf unserem YouTube-Kanal anschauen.

Am kommenden Freitag, den 17. September, spielt Barbara ein Konzert auf dem Inselleuchten-Festival in Bernau.

Das neue Album „On n’enferme pas les oiseaux“ ist auf allen Download- und Streamingplattformen erhältlich. Auch auf unserer Spotify-Playlist mit zahlreichen ESC-Neuveröffentlichungen könnt ihr in die Songs von Barbara Pravi reinhören. Im offiziellen Shop von Barbara Pravi könnt ihr das Album auch als CD bestellen. Zudem soll am 18. Oktober eine Vinyl erscheinen.


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9 Comments
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escfan05
escfan05
2 Jahre zuvor

Ich bin nach wie vor der Meinung das sie den Sieg mehr verdient gehabt hätte als Maneskin. Auch wenn ich mich in der Zwischenzeit mit dem Song von Maneskin angefreundet habe. Umso mehr freut es mich davon zu lesen, das auch sie nach dem ESC großen Erfolg hat.

lasse braun
lasse braun
2 Jahre zuvor
Reply to  escfan05

ich nicht. 😛

Nilsilaus
Nilsilaus
2 Jahre zuvor

Diese französische Sing-Sang-Tante interessiert mich herzlich wenig. Sie wird gehypt und völlig überschätzt.

Gaby
Gaby
2 Jahre zuvor

Vielen Dank für dieses schöne Interview.😊
Barbara ist einfach nur wunderbar. Und eine sehr gesunde Einstellung: Man kann nicht von jedem gemocht werden. Es wird immer Leute geben, die die Musik oder den Menschen (oder was auch immer) nicht mögen.🤓
Also, ich mag sie.😍

sunrise1969
sunrise1969
2 Jahre zuvor

Traurige Nachrichten Maria Meniola bekannt vom Duo Baccara ist verstorben.1978 nahm Baccara beim Esc in Paris teil.

sunrise1969
2 Jahre zuvor
Reply to  sunrise1969

Mendiola

sam
sam
2 Jahre zuvor

Außerdem steht unser Beitrag für en OGAE Video Contest fest.

https://ogaevc.ecgermany.de/ogi-video/archiv/ogi-video-2021-ergebnisse/

togravus ceterum
Mitglied
togravus ceterum
2 Jahre zuvor

Barbara Pravi ist eine wunderbar reife und entspannte Künstlerin, die mit souveräner Zielsicherheit genau das tut, was sie am besten kann, und die stolze Geschichte des französischen Chansons in die 2020er-Jahre fortschreibt. Selbstverständlich müssen ihre Lieder nicht jedem gefallen, aber wer ihrem Werk musikalische Qualität oder künstlerischen Wert abspricht, macht sich ganz einfach in aller Öffentlichkeit zum Dödel. (Auch mir gefällt manche Musik von höchster Qualität nicht besonders gut, z. B. die Opern Richard Wagners oder das meiste von Led Zeppelin, aber ich würde nie behaupten, dass diese Musik nichts taugt …) ‚Voilà‘ ist mein persönlicher ESC-Sieger 2021 (ganz knapp vor ‚Shum‘ und etwas deutlicher vor ‚Zitti e buoni‘), aber ich denke, dass Måneskin der bessere Sieger waren, wenn wir an die Zukunft des ESC denken.

italojeck
italojeck
2 Jahre zuvor

👍👍👍