ESC-Songcheck kompakt 2024 (5) – Polen: „The Tower“ von LUNA

Bild: Instagram @musicofluna

Der letztjährige polnische ESC-Vorentscheid war von Manipulationsvorwürfen und der Vermutung geprägt, Siegerin Blanka sei von der Jury bevorteilt worden. Zudem ist der verantwortliche Sender TVP derzeit noch mit der Umstrukturierung beschäftigt, die durch den Regierungswechsel in Polen angestoßen wurde. So verwundert es auch nicht, dass der polnische Beitrag für den ESC in Malmö intern ausgesucht wurde.

Schon lange vor der Bekanntgabe des Acts gaben diverse Musiker*innen bekannt, sich bei TVP beworben zu haben. Besonders die erfolgreiche Sängerin Justyna Szeczkowska geriet dabei in den Fokus vieler internationalen ESC-Fans. Die zur Auswahl eingesetzte Jury, in der auch die ehemalige ESC-Teilnehmerin Kasia Moś saß, entschied sich schlussendlich aber knapp mit einem Punkt Vorsprung für die junge Sängerin LUNA und ihr Lied „The Tower“.

Die 24-jährige LUNA heißt mit bürgerlichem Namen Aleksandra Katarzyna Wielgomas. Laut eigenen Aussagen sieht die Künstlerin das Projekt LUNA als eine Art Alter Ego, das „voller Magie und Geheimnisse“ steckt. Sie studierte an der Nationalen Musikschule „Tadeusz Baird“ in Grodzisk Mazowiecki und nahm Violinunterricht. 2018 erschien ihre Debütsingle „Na wzgórzach niepokoju“, 2019 die Single „Zastyga“. Zahlreiche Auftritte auf Festivals folgten.

Im Jahr 2020 begann LUNA ihre Zusammenarbeit mit dem Komponisten Michał „Fox“ Król, aus der die Single „Luna“ hervorging, die den neuen künstlerischen Weg der Sängerin ankündigte. Im gleichen Jahr veröffentlichte sie die Single „Zgaś“. Das Lied, das von der NASA veröffentlichte Geräusche aus dem Weltraum enthält, wurde auf vielen polnischen Radiosendern gespielt und wurde in die Liste der besten polnischen Lieder des Jahres 2020 aufgenommen.

Auch auf der folgenden Single „Mniej“ integrierte LUNA erneut Klänge aus dem Weltraum, darunter von der Venus (als Symbol für Schönheit, Liebe und Kunst) und vom Merkur (Verstehen). Weitere Veröffentlichungen folgten, unter anderem das Lied „Wirtualne Przedmieście“, in dem es darum geht, sich an der Grenze zwischen virtueller und realer Welt zu befinden. Das zugehörige Musikvideo wurde in das Nationalmuseum für Ethnographie in Warschau aufgenommen.

Das Lied

LUNA interessiert sich für Astrologie, Philosophie, Kunst, Ökologie und Mode und nennt Nick Cave und Björk als ihre „größten Inspirationen“. Sie selbst beschreibt ihren Musikstil als eine Art „Cosmic Pop“. Dieser Stil kann auch bei „The Tower“ erkannt werden: Synth-Pop-Elemente im Elektropop, ein prägnanter, moderner Rhythmus – und über allem schwebt die gut zur Geltung kommende Stimme von LUNA, die „The Tower“ eine gewisse Wiedererkennbarkeit verleiht.

In den Strophen spricht Luna fast mystisch ihren Text, der musikalisch anschwellende Refrain wiederum wird gesungen. Ihre Stimme wird hier sogar mehrfach gedoppelt, so dass es wirkt, als würde im Refrain ein Chor aus mehreren LUNAs im Background singen. Die Struktur von „The Tower“ ist mit „Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Bridge-Refrain“ sehr klassisch gehalten. Im zugehörigen Musikvideo sehen wir die optisch auffällige 24-jährige in verschiedenen extravganten, aber farblich reduzierten Outfits.

Textlich geht es in „The Tower“ darum, an sich selbst zu glauben. LUNA singt davon, dass sie die einzige Person ist, die für ihr Glück verantwortlich ist: „I’m the one who built the tower, I’m the one who holds the power“. Das Poplied wird komplett auf Englisch gesungen. Musik und Text stammen von LUNA in Zusammenarbeit mit Paul Dixon und Max Cooke.

Der Check

Song: 3,5/5 Punkten
Stimme: 2/5 Punkten
Darbietung: 3/5 Punkten
Instant Appeal: 3/5 Punkten

Benny: Ich bin absoluter LUNA-Fan und höre ihren Back-Katalog total gern, weil sie einfach coolen, modernen Elektropop macht. Da ist „The Tower“ keine Ausnahme, der Refrain ist klasse und ein absoluter Ohrwurm. Einer meiner Lieblingssongs und deshalb gibt es die Höchstpunktzahl. ABER: Um die Live-Inszenierung habe ich seit dem Melfest Wknd etwas Angst. 12 Punkte

Berenike: An sich mag ich „The Tower“, weil das Lied eine sehr positive Grundstimmung hat und mir die Melodie gefällt. Allerdings werde ich mit der Stimmverfremdung nicht so recht warm und trotz aller Bearbeitungen wirkt LUNAs Stimme eher schwach. Und ich befürchte, dass der Song dadurch auch sehr schwer live überzeugend präsentiert werden kann. 4 Punkte

Douze Points: Auch wenn mich LUNAs Auftritt beim MELFEST WKND überhaupt nicht überzeugt hat, bekommt mich der Song in der produzierten Fassung total. Sympathischer Elektrosound, nicht besonders innovativ, aber gefällig und dank der Künstlerin minimal edgy. 7 Punkte

Flo: Auf die Gefahr, dass ich diesen Text noch bei dem einem oder anderen Songcheck so oder so ähnlich kommentieren könnte: Ein schöner Popsong, den man sich problemlos drei Minuten anhören kann. Dann stellt sich aber die Frage, worin die Eigenständigkeit von „The Tower“ besteht. Auszusetzen gibt es hier eigentlich wenig, aber es braucht womöglich mehr, um live hervorzustechen. 6 Punkte

Manu: LUNA wirkt auf mich ein wenig (gerade bei früheren Veröffentlichungen), als sei sie neben Björk und Nick Cave auch von den norwegischen Sängerinnen Aurora oder Sigrid inspiriert. So ist „The Tower“ ein durchaus kreativer Popsong, der direkt auf allen Radiostationen Europas laufen könnte. Für meinen Geschmack hätte der Sound allerdings durchaus noch etwas kreativer und ungewöhnlicher sein können. Trotzdem gute 7 Punkte

Max: Solider Pop aus Polen, der auch international auf jeden Fall die Radio-Charts hochklettern könnte. Mir gefällt „The Tower“ sehr und ich bin mir auch sicher, dass LUNA da etwas cooles auf die Bühne zaubern wird. Wenn es nur annähernd an das offizielle Musikvideo erinnert, bin ich optimistisch. Der ganz große Wurf wird es vermutlich nicht für Polen, aber sehr vielen Dank hierfür! 7 Punkte

Peter: Ich werde in dieser Songcheck-Runde noch mehrfach über die Class of 2024 schwärmen. Aleksandra Katarzyna aka LUNA ist das beste Beispiel dafür, dass der ESC Charts-Potenzial und Avantgarde wie sie auch in Bogotá oder Bucaramanga kreiert worden sein könnte, als moderne ohrenschmeichelnde Fusion zulässt. Ich mag den Mix aus Elektropop, Modern-Rock-Hymne und Hauruck-Gassenhauer. Und das Video ist top notch. LUNA hat einen sympathischen, kantigen Style als wäre sie aus dem legendären Limelight des New Yorks der frühen 90er entsprungen. 12 Punkte

Rick: Hmmm… nicht einfach. Ich muss gestehen: Ins Ohr geht „The Tower“ direkt und verschwindet da auch nicht so schnell wieder. Zudem ist LUNA eine interessante Persönlichkeit und hat bei mir direkt Pluspunkte gesammelt, als ich gelesen habe, dass sie sich für Astronomie interessiert. Dennoch fehlt dem Song (als reine Audio-Fassung) das gewisse Etwas. Ich hoffe sehr, dass die Nummer dank eines guten Stagings den Edge bekommt, der jetzt noch fehlt. Cool fände ich zudem, wenn noch Zeilen auf Polnisch eingebaut würden. 6 Punkte

Gesamtpunktzahl: 61/96 Punkten

Beim ESC-kompakt-Index landet „The Tower“ auf Platz 31 von 37.

Wie schneidet der polnische Beitrag "The Tower" von Luna ab?

  • Platz 16-20 (32%, 247 Votes)
  • bleibt im Halbfinale hängen (25%, 191 Votes)
  • Platz 21-26 (17%, 129 Votes)
  • Platz 11-15 (16%, 120 Votes)
  • Platz 6-10 (7%, 50 Votes)
  • Top 5 (3%, 26 Votes)

Total Voters: 763

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Bisher erschienene Songchecks:

Erstes Halbfinale

(1) Kroatien: „Rim Tim Tagi Dim“ von Baby Lasagna
(2) Zypern: „Liar“ von Silia Kapsis
(3) Irland: „Doomsday Blue“ von Bambie Thug
(4) Litauen: „Luktelk“ von Silvester Belt


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74 Comments
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Gunnar
Gunnar
1 Monat zuvor

In der Studioversion zumindest ein netter Popsong, allerdings ohne Wums und WOW-Effekt. Die Liveperformance beim Melfest ging ja gesanglich so ziemlich daneben. Die jetzt anstehenden Pre-Partys werden zeigen, ob das nur ein Ausrutscher war. Wenn Gesang und Performance in Malmö stimmen, könnte Luna knapp das Semi überstehen. Im Finale würde ich auf einen Platz zwischen 16 und 20 tippen.

Jofan
Jofan
1 Monat zuvor

Ich war beim Lesen des Artikels sehr überrascht, da LUNA anscheinend ja viele interessante Facetten besitzt – nur leider kann man die im 0815-Standardradio(elektro)pop-Song „The Tower“ nicht wiederfinden.
Der Song fängt noch recht vielversprechend an und wird in den Strophen, die dann allerdings auch zunehmend langweiliger werden, einzig von der interessanten Stimmfarbe der Sängerin getragen. Doch beim Einsetzen des schrecklichen Elektrobeats im Refrain verliert mich der Song leider total und kann mich auch nach dem ersten Refrain nicht mehr zurück gewinnen.
Von den positiven Reaktionen der Blogger bin ich überrascht, da ich in Malmö mit einem sicheren Semi-Aus rechne. Schaut man sich die erste Hälfte in Semi 1 an, dann hat Polen die Startnummer 2 sicher und wird im starken Konkurrenzfeld schnell untergehen.
Von mir gibt es 3 Punkte, mein Platz 34 in einem starken Jahrgang.

Nelis
Nelis
1 Monat zuvor

Mein Platz 5 (!!!) von 37

Tipp: 7. im ersten Semi und 13. im Finale

JoBi
JoBi
1 Monat zuvor

Als ich las das Justyna in der ESC Bubble als Polens Vertreterin, mit ihren Song, gewünscht wurde, hörte ich ihr Lied an. Ich fand es so lala. Der YouTube Kanal Misja Eurowizija Recaps brachte fast jede Woche ein Recap heraus mit bisher allen Künstler*innen die für Polen beim ESC mitmachen wollen. Dort gefielen mir 1 – 2 Songs. Erst spät (ich glaube kurz vor Bekanntgabe) war auch Luna dabei. So wie ich es verstand war auch sie ein Wunsch der ESC Bubble. Und Luna wurde es. Ich finde ihren Song so lala.

In meinem Ranking belegt Polen Platz 27/37.
Schwer zu sagen. Ich tippe Platz 21 – 26 im Finale.

ESCFan2009
ESCFan2009
1 Monat zuvor

Polen:
Mein Platz 4 mit 9 Punkten
Ich liebe die Melodie, die Ästhetik, das Schachspielen. Einziger Kritikpunkt ist, wie Luna das „the“ ausspricht 🙈 Bin aufs Semi-Aus gefasst…

Alkibernd
Alkibernd
1 Monat zuvor

Ode an Frau Luna

Gute Mond, wärst Du bloß stille, das Finale wär noch drin
Deines Schöpfers reiner Wille hieß auf schiefe Bahn dich ziehn
Kreische schrecklich jedem Müden in das stille Kämmerlein
Stoß den Dolch aus Krach und Missklang ins bedrängte Herz hinein

Alkibernd
Alkibernd
1 Monat zuvor

Wieder die Situation, in der ein glänzender, innovativer Pop-Act Schiffbruch erleidet, weil er meint, sich auf den ESC einstellen zu müssen. Auch wenn es im ersten Augenblick so erscheint, als ließe sich der Beitrag auf der sehr reliablen und validen „Hupfdohlen-und Haudrauf-Skala“ des Herrn T.C. bemessen, so ist man nach ein paar Takten völlig verstört – allerdings nicht im positiven Sinne wie bei Litauen, sondern äußerst unangenehm. Das passt doch alles nicht, und das „Hupfen“ wäre gar keine Bewegungsform , die man einer derart mondsüchtigen Schleich-Najade nach Lachgasinhalation überhaupt zugestehen würde.

Nähern wir uns dem Werk dieser Jagellonen-Wasserleiche, dieser Bürstenschnitt-Rapunzel, dieser Provinz-Fressschachmeisterin einmal an, indem wir auf die Hauptmetaphern schauen: dem Turm, dem Schach und folglich dem Turm im Schach.

Dazu muss man wissen, dass im Schach beinahe alle Turmendspiele remis wären, würden sich Spieler:innen einmal mit der Technik auseinandersetzen und beispielsweise wissen, was die Philidor- die Lucena- oder die Missionarsstellung ist. Es geht um den Bau von Brücken, ums Abschneiden von Wegen und um ein filigranes Verständnis von (Lebens-)raum und Zeit bei bereits final kahlgeräumter Fläche. Man kann im Alter aber noch den Sieg genießen !

Aber nein, damit möchte sich niemand der Zeitgenossen ernsthaft auseinandersetzen. Man will vielmehr irgendein effekthaschendes romantisches Schäfer(-stündchen)-matt erzielen und seine Püppchen tief in die Stellung des Partners vergraben, was meistens zu schnell oder in die Hose geht.

Und dann nach einer langen Serie von Niederlagen gibt man also wie im Video frustriert schon auf, bevor der erste Schritt im abgekarteten Spiel des Lebens überhaupt gemacht wurde, ein „Zero-Night-Stand“ sozusagen.

Nein, nein, ich möchte beim ESC auf keinen Fall mit meinem eigenen Elend konfrontiert werden , in dieser Woche mal nicht 😉 und vergebe daher nur

3/8 Punkten

Wird aber ins Finale kommen, weil wir ja alle grad ein bisschen (B)Luna sind.

Last edited 1 Monat zuvor by Alkibernd
Gerd Geomax
Gerd Geomax
24 Tage zuvor

Für mich in diesem Jahr der angenehmste Dance-Popsong.
Schöner Text und trotz des leicht melancholischen Inhalts schafft die Komposition und die Stimmlage LUNAs eine wohlige Atmosphäre.
Dazu kommt noch, dass LUNA (zumindest im Video) eine Ausstrahlung hat, an der man sich festbeißen kann. Etwas ungewiss ist allerdings die Livequalität des Gesangs und da waren die Pre-Party-Auftritte nicht so ganz überzeugend Daher muss ich ein wenig abwerten und bin trotzdem bei guten 7/10.

So schaut es nun aus:
Halbfinale 1:
1.Litauen 9/10
6. Irland 7,5/10
7. Polen 7/10
8. Kroatien 7/10
12. Zypern 5,5/10

Gesamt:
4. Litauen 9/10
12. Irland 7,5/10
15. Polen 7/10
16. Kroatien 7/10
28. Zypern 5,5/10

Meine Einschätzung für Malmö: Gemessen an den bisherigen Liveauftritten könnte es durchaus knapp werden mit einem Finaleinzug, da der Song so schnell bei allem Krach drumherum durchrasseln wird. Sollte LUNA aber die Atmosphäre des Videos doch noch auf die Bühne zaubern, kann das noch werden. Wenn der Finaleinzug gelingt aber auch eher hinteres Mittelfeld bis ganz hinten.

lasse braun 🏴‍☠️
lasse braun 🏴‍☠️
7 Tage zuvor

8,4 millionen hits in gut 4 wochen für die zauberhafte klavierversion ist schon ziemlich üppig.
😻