Die Auswahl des polnischen ESC-Beitrags „Solo“ beim diesjährigen polnischen Vorentscheid „Tu bije serce Europy! Wybieramy hit na Eurowizję“ war von heftigen Diskussionen in der Bubble begleitet. Die Fans des Bubble- und Publikumsfavoriten „Gladiator“ von Jann liefen Sturm, weil sich der Juryfavorit „Solo“ durchgesetzt hatte, und entfachten das, was man einen klassischen „shitstorm“ nennt. Nicht nur Telewizia Polska hatte mit Betrugsvorwürfen umzugehen, auch die Jury, bestehend aus Edyta Górniak (ESC 1994), Marek Sierocki (Musikjournalist), Agustin Egurrola (Choreograph), Marcin Kus (Direktor von Radio 1) und Aneta Woźniak (Verantwortliche für den Bereich Kultur und Geschichte bei TVP) sowie die Interpretin Blanka selbst mussten eine Menge Anfeindungen ertragen. Thematisiert wurde vor allem ihre Verbindung zum Choreographen Augustin Equrrola. Das ganze Drama kann man (muss man aber nicht) hier nachlesen.

Es ist bedauerlich, dass dieser Zoff die Diskussionen über einen Song überschattet, der in der Bubble ohnehin polarisiert. Für den Autor dieser Zeilen ist „Solo“ eine großartige Fun-Dancepop-Nummer mit mitreißendem Drive, Co-Bloggerin Berenike spricht in unserem Live-Blog von einer „Hupfdohlen-Nummer“, lässt sich aber zumindest ein „sommerlich-eingängig“ abringen.

Blanka Stajkow wurde 1999 in Stettin geboren und ist die Tochter einer polnischen Mutter und eines bulgarischen Vaters. In ihrer Jugend begann sie zu tanzen und lernte an der Musikschule. Ihre Debütsingle „Better“ veröffentlichte sie 2021, während sie an der Model-Casting-Show „Poland’s Next Top Model“ teilnahm. Seit 2022 ist sie bei Warner Music unter Vertrag. „Solo“ ist ihre zweite Veröffentlichung nach „Better“.

Das Lied

Geschrieben wurden die sommerlich-eingängige Hupfdohlen-Nummer „Solo“ von Bartłomiej Rzeczycki, Maciej Puchalski, Marcin Górecki, Mikołaj Trybulec (beteiligt an „River“ (Polen 2022) und „Friend of a friend“ (Tschechien 2019)) und Blanka selbst. Der Text stammt von Julia Sundberg und Maria Broberg (beteiligt an „Stay“ (Moldau 2019)).

„Solo“ dürfte der Only-Love-Survives-Songkategorie zuzuordnen sind (benannt nach Ryan Dolan 2013). Der Titel dürfte ein Floorfiller im Euroclub werden und sich dort unter den Geht-Immer-Neuzeit-DJ-Standards festsetzen, aber beim ESC relativ wenig rocken. Er gehört zu den Nice-to-Have-Titeln, die sich im schwächeren zweiten Semi für das Finale qualifizieren, dort dann aber hinter der Majorität der Big Five (inkl. LOTL) aussteigen.

Der Check

Song: 4/5 Punkten
Stimme: 3/5 Punkten
Darbietung: 5/5 Punkten
Instant Appeal: 4,5/5 Punkten

Benny: Der Liveauftritt war natürlich gesanglich überhaupt nichts. Darüber hinaus muss ich allerdings gestehen, dass ich mich mittlerweile in „Solo“ reingehört habe und den Song tatsächlich einen netten kleinen sommerlichen Ohrwurm finde. Im zweiten Semi sehe ich das mit einer guten gesanglichen Performance sicher im Finale. 6 Punkte.

Berenike: Eingängige direkte Melodie, Stampfbeat, einfacher Text. Wenn man ehrlich ist, braucht es auch nicht mehr für einen Sommertanzsong, der kann ruhig einfach gestrickt sein. Von daher ist „Solo“ in seinem Genre schon okay. Um ihn überzeugend herüberbringen, muss Blanka aber nicht nur eine Schippe, sondern eine ganze Schubkarre zulegen, das war im Vorentscheid ein absoluter Flop. 3 Punkte. Und noch ein paar Tränen beim Gedanken, dass wir ohne korrupte Jury wahrscheinlich Jann beim ESC hätten erleben dürfen.

Douze Points: Bei der Vorentscheidung hatte ich Blanka gleich nach den ersten drei Takten abgeschrieben: der Gesang war einfach zu schlimm. Dabei ist „Solo“ mit seiner Simplizität, seinen Uptemp-Latino-Vibes und der sympathischen Sexyness ja genau meine Tasse Tee. Dass Blanka nun in Liverpool auftreten darf, freute mich umso mehr. Allerdings habe ich ein bisschen Angst, dass der Auftritt so billig wirkt wie bei der Vorentscheidung. Von daher drücke ich alle Daumen. Wir brauchen mehr Gute-Laune-Einfachst-Pop beim ESC! 10 Punkte.

Flo: Im besten Sinne bringt „Solo“ Erinnerungen an meinen Breslau-Urlaub und den Plaża Borzygniew hervor – da würde der Song hervorragend hinpassen. Weniger sehe ich den Song aber auf einer großen Bühne und das ist abgesehen vom Zustandekommen des Ergebnisses im Vorentscheid das größte Problem, was ich bei Blanka sehe. 4 Punkte.

Manu: Gar nicht so einfach, den polnischen Beitrag zu checken, ohne zu sehr auf den missglückten Vorentscheid einzugehen. Das Liedchen „Solo“ ist natürlich noch dünner als die Gesangsstimme von Blanka und für den Sommer mit vielen Cocktails am Strand konzipiert. Da müssen aber schon sehr viele Cocktails her, damit ich das berechtigt im Finale sehe. Idee: Blanka könnte 1:1 den „Loca“-Auftritt von Arsenium & Natalia Gordienko vom ESC 2006 in Athen nachspielen. Vielleicht hagelt es so ein paar Punkte aus purer Nostalgie. 3 Punkte.

Max: Furchtbar billig und das größte Problem ist: sowas mag ich häufig. Von der Studioversion fand ich das Lied ja ganz nett und hat mich etwas an mein Margaret-VE-Trauma erinnert. Ich hätte sie damals sehr gerne beim ESC gehabt… nun zurück zu Blanka: Ist ein netter Radio-Popsong den man hören kann, während man im Auto dem Sonnenuntergang oder eben dem Semi-Aus entgegenfährt. Wobei Polen wohl vom reinen Televoting im Halbfinale profitieren wird. Blanka ist jedenfalls mit ihrem katastrophalen Liveauftritt auf jede Hilfe angewiesen. 4 Punkte.

Peter: Gäbe es das Wort „guilty pleasure“ noch nicht, es würde für Blanka und „Solo“ erfunden. Der Beat ist unwiderstehlich, Robinson-Club-Animationsfeeling funktioniert (bei mir) immer. Und Blanka sieht großartig aus, man will sie sofort zu einem Frucht-Cocktail im Beachclub einladen. „Solo“ erhebt keinen Anspruch an den Hörer („You’re hot and cold, high and you’re low“) and that’s a good thing, würde Suzanne sagen. Höchste Dancefloor- und Gute-Laune-Qualität kombiniert mit musikalischem Fast-Food-Genuss. I like. 12 Punkte.

Rick: Wenn man das ganze Drama rund um den polnischen Vorentscheid ausblendet, ist „Solo“ eigentlich genau nach meinem Geschmack. Klar ist der Song keine mega Offenbarung, aber Beat und Melodie finde ich sehr eingängig. Zudem mag ich den entspannten Urlaubs-Vibe, der dank der Dance/Latin-Elemente transportiert wird. Skeptisch bin ich noch bei Blankas Live-Vocals, die den ganzen Song leider etwas runterziehen. Mir fällt’s zudem schwer, die fragwürdige Abstimmung im Vorentscheid zu ignorieren. 6 Punkte.

Gesamtpunktzahl: 48/96 Punkte.

Beim ESC kompakt-Index landet „Solo“ auf Platz 29 von 37.

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Bisher erschienene Songchecks:

Erstes Halbfinale

(1) Irland: „We Are One“ von Wild Youth
(2) Kroatien: „Mama ŠČ!“ von Let 3
(3) Lettland: „Aijā“ von Sudden Light
(4) Malta: „Dance (Our Own Party)“ von The Busker
(5) Norwegen: „Queen Of Kings“ von Alessandra
(6) Portugal: „Ai Coração“ von Mimicat
(7) Serbien: „Samo Mi Se Spava“ von Luke Black
(8) Aserbaidschan: „Tell Me More“ von TuralTuranX
(9) Finnland: „Cha Cha Cha“ von Käärijä
(10) Israel: „Unicorn“ von Noa Kirel
(11) Moldau: „Soarele şi Luna“ von Pasha Parfeni
(12) Niederlande: „Burning Daylight“ von Mia Nicolai & Dion Cooper
(13) Schweden: „Tattoo“ von Loreen
(14) Schweiz: „Watergun“ von Remo Forrer
(15) Tschechien: „My Sister’s Crown“ von Vesna

Zweites Halbfinale

(16) Armenien: „Future Lover“ von Brunette
(17) Belgien: „Because Of You“ von Gustaph
(18) Dänemark: „Breaking My Heart“ von Reiley
(19) Estland: „Bridges“ von Alika
(20) Griechenland: „What They Say“ von Victor Vernicos
(21) Island: „Power“ von Diljá
(22) Rumänien: „D.G.T. (Off and On)“ von Theodor Andrei
(23) Zypern: „Break A Broken Heart“ von Andrew Lambrou
(24) Albanien: „Duje“ von Albina & Familja Kelmendi
(25) Australien: „Promise“ von Voyager
(26) Georgien: „Echo“ von Iru
(27) Litauen: „Stay“ von Monika Linkytė
(28) Österreich: „Who the Hell Is Edgar?“ von Teya & Salena