Ein Koffer auf Abwegen: Die Tücken der Anreise zum ESC 2023 (Leaving Liverpool 15)

„Have you packed your dancing shoes?“ – mit diesem Slogan wurden alle Besucher*innen des Eurovision Song Contest 2023 am Flughafen in Liverpool begrüßt. (Über die starke – nicht nur optische – Präsenz des ESC in der diesjährigen Gastgeberstadt haben wir bereits berichtet.) Klar, meine Tanzschuhe hatte ich für den Euroclub natürlich eingepackt, nur ist mein Koffer bei der Anreise nach Liverpool leider nicht mitgekommen. Was als amüsante Anekdote begann, entwickelte sich am Ende zu einer dreitägigen Odyssee und hat deshalb in jedem Fall einen Platz in unserer Rückblickserie „Leaving Liverpool“ verdient.

Das ganze Drama begann gleich bei meiner Ankunft am Flughafen Liverpool. Fast alle meine Mitfliegenden hatten die übersichtliche Ankunftshalle schon verlassen, aber mein Koffer lag immer noch nicht auf dem Gepäckband. Am Nachverfolgungsschalter wurde ich dann auch gleich namentlich begrüßt, mein Fall war bekannt: Der Koffer war aus unbekannten Gründen nicht mit ins Flugzeug gekommen, war aber nicht verloren, sondern wartete sicher verwahrt in Frankfurt und sollte am nächsten Tag nach Liverpool nachkommen. Er würde mir dann natürlich auch direkt zugestellt werden, so das Versprechen. Als Entschädigung gab es ein kleines Set mit den wichtigsten Toilettenartikeln.

Zu diesem Zeitpunkt war die Sache zwar ärgerlich, aber bei weitem nicht dramatisch. Okay, ich musste mich ein bisschen beeilen, um vor Ladenschluss und ESC kompakt LIVE noch die wichtigsten Dinge für die Nacht und den nächsten Tag einzukaufen, aber das war zu schaffen und außerdem leistete mir Bloggerkollege Douze Points, der unser Booking.com-Appartement am Nachmittag bezogen hatte, Amtshilfe und versorgte mich schon auf der Busfahrt mit Kaufhaus-Standorten in unserer unmittelbaren Nähe. Vorbereitet war ich für einen solchen Fall nämlich traditionell nicht. Die Regel, die wichtigsten Dinge für die erste Nacht immer im Handgepäck zu haben, befolge ich nie und bin damit bislang auch gut gefahren. Außerdem habe ich nicht damit gerechnet, dass bei einem Lufthansa-Direktflug von Frankfurt am Main nach Liverpool besonders viel schief gehen kann.

Wie gesagt, zu diesem Zeitpunkt nahm ich die Sache eher noch mit Humor und fand außerdem Trost in der Tatsache, dass ich mit den gleichen weltlichen Problemen zu kämpfen hatte wie die großen Stars – in diesem Fall Sudden Lights aus Lettland, deren Gepäck ebenfalls in Deutschland verloren gegangen war.

Am nächsten Tag habe ich dann einen großen Fehler gemacht – nämlich den ganzen Tag nichts in der Sache zu unternehmen. Ich habe mich auf die Zusage der freundlichen Dame am Schalter verlassen, dass mein Gepäck im Laufe des Tages geliefert werden würde, zumal sie auch wie versprochen alle meine Daten in das Online-Gepäck-Nachverfolgungssystem eingepflegt hatte. Dass ich das Appartement – außer nach Absprache mit Douze Points, der dankenswerterweise auch eine Schicht übernahm – nicht verlassen konnte, war auch verschmerzbar, denn immerhin musste ich für die Probenberichterstattung ohnehin viel Zeit vor dem Rechner verbringen. Online konnte ich sogar nachvollziehen, dass mein Koffer mittlerweile in Großbritannien angekommen war. Aber ansonsten passierte – nichts.

Im Nachgang betrachtet erst viel zu spät begann ich dann also am Abend (sprich: etwas mehr als 24 Stunden nach meiner Ankunft in Liverpool) meinem Gepäck nachzuspüren. Und ich bin überzeugt: Gegen die Irrungen und Wirrungen der Lufthansa-Kunden“service“-Hotlines dürfte ein Aufenthalt in der Hölle das reinste Paradies sein.

Kundenservice Lufthansa: Hier sind Sie falsch, sie müssen die Gepäckverfolgungshotline anrufen.

Gepäckverfolgung Lufthansa: Sie rufen außerhalb unserer Geschäftszeiten an, bitte versuchen Sie es morgen früh.

Kundenservice Lufthansa: Ich kann Ihnen trotzdem nicht helfen, bitte rufen Sie morgen früh die Gepäckverfolgung an.

Damit ging dann also der Tag vorbei, an dem mein Gepäck, das wohlgemerkt nicht verloren war, sondern nur nicht ins Flugzeug geladen worden war, eigentlich hätte nachgeliefert werden sollen. Ob mein Koffer zu diesem Zeitpunkt wirklich schon in Liverpool war, ob es am Flughafen übernachtete (hätte ich das sicher gewusst, hätte ich ihn dort ja sogar abgeholt) oder bei einem Versanddienstleister, nobody knows.

Am nächsten Tag war ich also dann um Punkt 9 Uhr wieder am Telefon (wie gut, dass für das Vereinigte Königreich trotz Brexit noch die EU-Telefongebühren gelten), nur um dann zu erfahren, dass ich bei allen deutschen Hotlines sowieso falsch bin (das konnte mir am Abend zuvor offensichtlich niemand sagen), sondern für mein Problem ausschließlich die britische Lufthansa-Hotline zuständig ist. Doch auch dort konnte man mir nur sagen, dass das Gepäck auf dem Weg sei und für alles andere der Versanddienstleister zuständig sei.

Um es also auf den Punkt zu bringen: Ich habe das Gepäck in Frankfurt am Lufthansa-Schalter abgegeben, aber es ist natürlich ziemlich abwegig zu erwarten, dass sich die Lufthansa dann auch dafür zuständig fühlt, dass dieses Gepäck wohlbehalten am Zielort bei mir ankommt. Ich erspare Euch an dieser Stelle die zahllosen weiteren Telefonate, bei denen schon allein die Verständigung jedes Mal eine Herausforderung war, obwohl ich eigentlich nur mit deutsch- und englischsprachigen Hotlines zu tun hatte.

Zwischendurch dann mal ein kleiner Lichtblick: Das Online-System zeigte an, dass mein Gepäck zwischen 10 und 12 Uhr geliefert werden sollte – passiert ist aber trotzdem den ganzen Tag nicht. Auch meine Unternehmung, mich direkt mit dem Versanddienstleister in Verbindung zu setzen, scheiterte kläglich: Nach zwei falschen Telefonnummern (eine ohne Anschluss und eine dauerbesetzt) bekam ich letztendlich die Info: Es sei so viel los und überhaupt der Brexit, also heute würde das sicherlich nichts mehr werden…

Wie durch ein Wunder kam der Koffer am folgenden Tag (also drei Tage nach meinem Flug) dann doch noch an – ohne dass ich darüber informiert wurde, stattdessen fand ich ihn nur durch Zufall, weil ich nochmal proaktiv an der Rezeption des Appartementhauses nachgefragt habe. Er sah zwar etwas mitgenommen aus, aber immerhin war er ansonsten wohlbehalten angekommen. Ende gut, alles gut – und die Erstattung meiner Auslagen (bzw. eines Teils davon im rahmen der ziemlich lächerlichen rechtlichen Vorgaben) hat die Lufthansa dann übrigens problemlos und sehr schnell erledigt. Meine drei Urlaubstage und die verlorenen Nerven habe ich allerdings nicht zurückbekommen…

An dieser Stelle einen großen Dank an alle, die drei Tage lang mitgefiebert und sich regelmäßig nach dem aktuellen Stand erkundigt haben – und an Flo (nicht den Blogger), der mich als U-Boot im System bestmöglich unterstützt hat.

Bisher in der Serie „Leaving Liverpool“ erschienen:


9 Kommentare

  1. Ich glaube, das ist der persönliche Albtraum eines jeden Reisenden. 😩
    Es dauert nicht mehr lang, dann fliege ich auch von Frankfurt aus mit der Lufthansa und jetzt habe ich natürlich direkt Paranoia, dass mir das Selbe wie dir passiert. 😂 Hattest du deinen Koffer am Gepäckautomaten abgegeben oder am Serviceschalter? Dann weiß ich, was ich eventuell nicht nehmen werde. 😄

    Hoffentlich konntest du bei deiner Ankunft zurück in Frankfurt deinen Koffer direkt mit nach Hause nehmen. 🙂

    • Ich habe ihn am Automaten abgegeben, aber glaube eher nicht, dass das irgendwas damit zu tun hatte. Die landen dann doch alle auf demselben Förderband. Und ja, danke, bei der Rückreise war dann alles super.

    • Da waren bestimmt seine ganze Kleidung mit dabei. Und wer will schon 3 tage lang immer diesselben Kleider tragen. Ich würde das auch nicht so locker sehen.

      • Da muss ich Dir mal zustimmen. Eine unangenehme Situation. Okay, für die ersten 2-3 Tage würde ich mir wohl wenigstens ein bißchen Unterwäsche ins Handgepäck stopfen, kann ich aber nachempfinden, die Situation. Hätte wahrscheinlich einen Anfall von Panik bekommen. Ich weiss… das bringt nichts.

  2. Hier ist noch ein Klassiker in Sachen Gepäck, und zwar „Ich hab noch einen Koffer in Berlin“ von Hildegard Knef (gibt es auch von Harald Juhnke):

  3. Mir ist das auch mal passiert, Problem war in D war es 5 Grad, am Ziel dann 22🤒
    Habe die ﹰReisetasche dann auf Anraten von Kollegen am nächsten Tag selber am Flughafen abgeholt, in Winterstiefeln😃

  4. Was mit dem Koffer passiert ist kann halt leider vorkommen – gerade an einem Flughafen wie Frankfurt. Aber der ganze unfassbare Umgang der Schufthansa mit der Problematik spricht mal wieder Bände – Servicewüste Deutschland….

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