Interne Auswahl vs. öffentlicher Vorentscheid: Was hat besser abgeschnitten? (Leaving Liverpool 18)

Quelle: eurovision.tv

Es ist eine Frage, (fast) so alt wie die Erde selbst: Welche ist die beste Methode, um einen ESC-Act zu wählen? So pauschal wird man das wohl nicht sagen können, auch wenn für uns ESC-Fans ein öffentlicher Vorentscheid natürlich einen deutlichen Mehrwert bietet. Auf der anderen Seite wird es vermutlich selbst dem größten VE-Fan in den Niederlanden egal gewesen sein, dass Duncan Laurence und „Arcade“ intern ausgewählt wurden – denn am Ende sprang der ESC-Sieg heraus. In diesem Beitrag schauen wir uns noch einmal an, wie die verschiedenen Methoden beim zurückliegenden Contest in Liverpool abgeschnitten haben.

Die Zahl der nationale Vorentscheide überwog klar in der ESC-Saison 2023; lediglich 13 von 37 Ländern setzten darauf den Act intern auszuwählen. Hierbei zähle ich Georgien mit, die die Künstlerin Iru zwar öffentlich im „The Voice“-Format wählten, das Lied jedoch intern festlegten. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr waren es 14 Länder mit einer internen Auswahl, in Turin waren jedoch 40 Länder angetreten.

Entsprechend war die interne Auswahl in der klaren Minderheit in Liverpool. Somit standen die Chancen für die Acts, die durch einen öffentlichen Vorentscheid ausgewählt wurden, besser mehr vordere Plätze zu belegen. So war es auch. Es ist jedoch auffällig, welche Länder mit ihren Vorentscheidungen am Ende tatsächlich vorne waren:

  1. 🇸🇪 Schweden
  2. 🇫🇮 Finnland
  3. 🇮🇱 Israel
  4. 🇮🇹 Italien
  5. 🇳🇴 Norwegen

Melodifestivalen, Sanremo, Uuden Musiikin Kilpailu UMK) und Melodi Grand Prix – vier nationale Vorentscheidungen, die teilweise Legenden-Status haben und im Falle von Sanremo älter sind als der ESC selbst. UMK in Finnland ist zwar ein neueres Format, dass seit 2012 genutzt wird, es baut jedoch auf einen Wettbewerb auf, den es seit den 60er Jahren gibt. Zusammengefasst waren es also Vorentscheide mit einer langen Tradition, die in ihren Ländern Spitzen-Quoten erreichen und entsprechend auch für etablierte Künstler*innen interessant sind. Mit der ESC-Siegern Loreen setzte sich dann auch noch die Gewinnerin des schwedischen Melodifestivalen durch – dem vermutlich beliebtesten ESC-Vorentscheid unter den Fans.

Einzig Israel konnte sich mit einer Direktnominierung unter die Top-3 mischen. Die Israelis fahren generell besser mit diesem Verfahren; im vergangenen Jahr erreichten sie nach einem öffentlichen Vorentscheid nicht einmal das Finale. 2018 wurde Netta zwar öffentlich in einer Casting-Show gewählt; der Siegertitel „Toy“ wurde jedoch vom Sender intern bestimmt.

Die Platzierungen von intern-ausgewählten Acts im Finale 2023:

3. 🇮🇱 Israel

9. 🇦🇺 Australien

12. 🇨🇾 Zypern

14. 🇦🇲 Armenien

15. 🇦🇹 Österreich

16. 🇫🇷 Frankreich

20. 🇨🇭 Schweiz

21. 🇸🇮 Slowenien

25. 🇬🇧 Vereinigtes Königreich

Also immerhin neun der 13 intern-ausgewählten Acts waren im Finale präsent. Hierzu muss man sagen, dass Frankreich und Großbritannien bereits gesetzt waren. Die Beiträge aus Griechenland, Aserbaidschan, Niederlande und Georgien schafften es nicht, sich für das Finale zu qualifizieren.

Zusammenfassend kann man klar sagen, dass die nationalen Vorentscheidungen, speziell die traditionsreichen, sich in diesem Jahr einmal mehr behaupten konnten. Jahrzehntelange Formate wie etwa Festivali i Këngës (Albanien) oder Festival da Cançao (Portugal) waren ebenfalls mit ihren Vertretern im Finale präsent wie neue.

Für die Big-5 – mit Ausnahme von Italien – ist es noch schwer zu sagen, ob ein Vorentscheid oder eine interne Auswahl die bessere Methode ist. Länder wie das UK erzielten mit einer Direktnominierung den zweiten Platz in Turin und den vorletzten in Liverpool. Das Benidorm Fest in Spanien muss sich nach einer sehr guten Platzierung 2022 und einer durchwachsenen in 2023 ergebnistechnisch noch beweisen. Der dortige Vorentscheid selbst ist durchaus beliebt im Land. In Frankreich will man Gerüchten zufolge wieder zu einem Vorentscheid zurückkehren.

Deutschland feierte die letzten größeren Erfolge in den Jahren 2010, 2011, 2012 und 2018 – bekanntermaßen dank öffentlicher Vorentscheidungen. Allerdings landete man häufig genug auf dem letzten Platz nach einer Vorentscheidung – mit Liverpool als jüngstem Beispiel.

Die Schweiz hält für 2024 an der Direktnominierung fest und erzielt teilweise große Erfolge seit 2019, als diese Methode implementiert wurde. Zudem konnte man sich seither für jedes Finale qualifizieren.

Österreich setzt nun schon seit der Saison 2017 auf eine interne Auswahl. Zwar konnte man im Jahr 2018 einen dritten Platz erzielen. Insgesamt sind die Platzierungen allerdings durchwachsen. Zudem konnte man sich einige Male nicht für das Finale qualifizieren. Der letzte Sieg im Jahr 2014 war jedoch ebenfalls eine Direktnominierung.

Nun seid Ihr wieder an der Reihe! Welche ist für Euch die beste Auswahlmethode für einen ESC-Act? War der Triumph der traditionsreichen Vorentscheidungen nur eine Momentaufnahme? Und was wünscht ihr euch für Deutschland, die Schweiz und Österreich? Lasst es uns in den Kommentaren wissen!

Bisher in der Serie „Leaving Liverpool“ erschienen:


26 Kommentare

  1. Ich sag es immer wieder. Ich wünsche mir das gleiche verfahren wie 2018/2019 zurück. Aber ohne diese Wildcard die bekanntermaßen 2019 alles verschlimmbessert hat. Wir hätten ohne diese Wildcard mit Lilly among clouds oder Makeda auch einen guten Platz machen können und auch allgemein waren die Songs in den Vorentscheiden viel besser als die der letzten Jahre.

    • Wir wissen zwar nicht wie es ausgegangen wäre, aber da ich die allgemeine Qualität der Vorentscheidssongs (trotz Pop) in beiden Jahren echt gut fand, bin ich da bei dir.

    • Dem stimme ich ihn der Hinsicht zu, dass ich die Rückkehr einer Fan-Jury begrüße. Was ich nicht zu 100% daran mochte, war, dass man praktisch die Katze im Sack hatte, da die Songs erst entstanden, nachdem die Teilnehmer klar waren.
      Mein Ranking z.B. hat sich stark verändert als die Glücklichen ihre Songs fertig hatten, was das ganze Prozedere davor irrelevant machte.
      Und wir sagen ja seit Jahren, dass nette Kandidaten nichts bringen, wenn der Song nicht zündet.

      • Ja da hast du Recht. Aber man könnte ja zum Beispiel auf 15 oder 20 reduzieren und mit denen dann in die Camps gehen. Und dann kommen eben die besten 6-10 ins Finale

  2. Es gibt die finale Teilnehmerliste für den JESC 2023. Estland (!) wird debütieren, der Rest war ja schon länger bekannt (Deutschland wieder dabei, dafür Serbien und Kasachstan raus).

  3. Es hat alles Vor- und Nachteile.

    Ein VE bietet den Zuschauern die Chance zum mitmachen und birgt eine Auswahl von Liedern, die auch bei einem „Nichtsieg“ zu persöhnlichen Lieblingssongs, im besten Fall sogar zu nationalen Hits werden können. Allerdings sind Aufwand und Kosten für einen hochwertigen VE enorm. Ein großzügiges Budget, Professionalität und ein gutes Gespühr für Musik sind hierbei sehr wichtig. Diese Mittel und Talente hat nicht jedes Land, wie wir wissen.

    Eine interne Auswahl hingegen hat den Vorzug, das die Verantwortlichen ohne Druck und Zusatzkosten eines VE an die Sache herangehen können. Man kann hinter verschlossenen Türen gezielt renomierte Künstler und Komponisten anfragen, die sich einem VE wohlmöglich nie gestellt hätten. Des Weiteren könnte man sich in Ruhe mit internationalen ESC-Fachleuten und Jurymitgliedern zusammensetzen und beraten (Beispiel Schweiz). Ausserdem bleibt mehr Zeit um den Künstler zu coachen und eine aufwendige Performance zu planen.

    Mein persöhnliches Fazit: Der Weg wie Song und Act ausgewählt werden ist eigentlich egal. Hauptsache es kommt hinterher ein einigermaßen zufriedenstellendes Ergebnis dabei heraus. 😁

  4. Wäre ich in der Verantwortung, würde ich ja schon allein aus Selbstschutz stets auf einen öffentlichen Vorentscheid setzen. So müsste ich mich auch nie hinstellen und verkünden: „Ja, diese komplett anonyme ADHS-Hupfdohle mit grotesk schlechtem Englisch wurde von der geheimen Jury aber im Schnitt mit 13 von 12 Punkten bewertet.“

  5. Irland sollte endlich ein Irish Volk Festival machen um endlich mal wieder ESC Fieber im Land auszubreiten 💁‍♂️

  6. Leider habt ihr vergessen zu erwähnen, das Deutschland bei internen Nominierungen auch ganz hinten lag und nur ein einziges mal hat man mit einer internen Nominierung in den letzten 30 Jahren gut abgeschnitten. Das war 1994 mit Mekado auf Platz 3. Ansonsten ist man mit internen Nominierungen nur untergegangen. Bestes Beispiel war 1995.

  7. Noch eine Ergänzung: Wenn Deutschland überhaupt mal erfolgreich abgeschnitten hat beim ESC, dann war es, wenn der Song aus einem Vorentscheid hervorgekommen ist. Für mich dient eine Interne Nominierung nur um kosten zu sparen oder weil der verantwortlich Sender zwar keine Lust auf den ESC hat, aber trotzdem mit möglichst wenig Aufwand teilnehmen will.

  8. Ich würde Benidorm 2023 doch als sehr positiv einstufen. Viele Spanier haben Blanca überzeugt unterstützt, obwohl es kein „einfaches“ Lied war. Der interne Erfolg von Nochentera war auch extrem positiv für das Benidorm-image

    Mit interner Auswahl kannst du vielleicht ab und zu Erfolg haben. Mit öffentlichem Vorentscheid kann man nachhaltig wirken

  9. OT:
    Lord of the Lost haben gerade ein Bild gepostet, auf dem es ein Wiedersehen mit einigen des Deutschen ESC Teams gab (auch Alexandra Wolflast ist zu sehen).

    Selbst wenn es nur Privat ist/war, habe ich einfach mal Hoffnung das beim Treffen auch über den nächsten ESC gesprochen wurde. Oder vielleicht ist die Planung schon soweit intern, das man darüber sprach wie man LotL als Vorjahresteilnehmer mit einbindet nächstes Jahr. (Träumen kann man ja noch :< )

    • Klingt fantastisch! Hast du zufällig einen Link parat?

      Finde die Idee, Chris Harms zum neuen Kommentator zu machen, auch immer besser, je länger ich drüber nachdenke. Seine Stimme ist fast so pornös wie Peter Urbans, seine Liebe zum ESC genauso ausgeprägt, sein musikalischer Sachverstand (sorry, Peter!) größer und in den vergangenen zwölf Monaten zeigte er sich auch als der gewandtere Medienprofi.

      • @Nils

        Hm, bei aller persönlicher Sympathie wäre mir ein profesioneller Radiomoderator dann doch lieber. Wobei er sicherlich besser geeignet wäre als andere ehemalige Vertreter, man stelle sich nur vor der hyperaktive Typ von 2021 würde kommentieren. *GRUSEL“

      • Dessen Simultanübersetzungsversuche wären andererseits mit Sicherheit pures Comedy-Gold … 🤔😄

      • Na ja, kommt drauf an ob man hektisches, belangloses Gequatsche als lustig empfindet.

    • ich finde man sollte Lord of The Lost zur VE einladen. Trotz des letzten Platzes waren sie sehr gute Vertreter für Deutschland und haben sich sehr engagiert. In anderen Länder, wird der Vorjahressieger der Vorentscheidung auch eingeladen, unabhängig von der Platzierung. Immer unter der Voraussetzung es findet tatsächlich in Deutschland eine VE statt.

  10. Ich halte eine VE immer für die bessere Wahl, nicht nur aus egoistischer Sicht als Fan. Wenn man nicht gerade einen nationalen Star a la Noa Kirel hat, ist die Gefahr ziemlich groß, dass man live damit baden geht (siehe Mae Mueller, Mia & Dion, Ben Dolic, Eliot etc. etc.). In einer VE zeigt sich einfach, ob jemand der großen Bühne gewachsen ist.

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